Zum Rücktritt von Franz Welser-Möst als GMD an der Wiener Staatsoper am 4. September 2014

Franz Welser-Möst 2011

Franz Welser-Möst 2011

Im Rahmen des Rücktritts von Franz Welser-Möst wird nun offenbar heftig diskutiert, ob man den Posten des GMD überhaupt neu besetzen oder einfach wieder den Chefdirigenten einführen soll, den es in dieser Bezeichnung oder äquivalent die weitaus meiste Zeit an der Wiener Staatsoper gab. Damit hatten Maestri wie Karl Böhm, Claudio Abbado, Lorin Maazel und noch ganz andere vor ihnen, wie Gustav Mahler und Richard Strauss, offenbar nie ein Problem. Ich meine mich zu erinnern, dass es zu Beginn der Bestellung von Staatsoperndirektor Dominique Meyer und FWM letzterer war, der durch sein Bestehen auf den an der Staatsoper seit 1991 nicht mehr geführten Titel eine signifikante Verzögerung seiner definitiven Bestellung und damit der Aufnahme der gemeinsamen Arbeit bewirkte. Das trug damals wohl nicht unbedingt zur Erbauung des bereits im Amt befindlichen Staatsopernmanagements bei. Übrigens ließ D. Meyer bei einem Interview mit dem Richard Wagner Verband Wien im Januar 2012 auf eine Frage nach seiner Zusammenarbeit mit FWM wissen: „Die Beziehung ist extrem eng geworden, was am Anfang, als wir uns noch kaum kannten, nicht so war.“

Nicht ganz verständlich erscheint der folgende Kommentar im Kulturteil der Wiener „Presse“ am 7. September 2014: „Die Vielseitigkeit Welser-Mösts, allseits gewürdigt, war der Grund, warum man überhaupt daran dachte, dem Haus wieder einen Generalmusikdirektor zu geben.“ Eine so beschriebene Vielseitigkeit sollte doch nicht allein schon den Höchst-Titel ex ante bewirken, sondern das tatsächliche Reüssieren in der neuen Funktion bei der Realisierung dieser vermeintlichen oder tatsächlichen Vielseitigkeit an einem international so renommierten Haus wie der Wiener Staatsoper. Und da blieb bei FWM in Wien doch einiges im Argen, vor allem, wenn man an seine Wagner-Interpretation denkt, zumal des „Ring des Nibelungen“. Dazu zähle ich allerdings auch das im selben Artikel der „Presse“ so hochgelobte Einspringen für den „Tristan“ vor seiner Bestellung, welches durchaus nicht so außergewöhnlich war. In Sachen Wagner und Richard Strauss hatten wir in den vergangenen Jahren und natürlich auch vor FWM eine ganze Reihe wirklich besserer Dirigenten am Ring. Wäre es nicht sinnvoller gewesen, erst einmal als Chefdirigent anzufangen und den GMD-Titel bei entsprechendem Erfolg bei Publikum und insbesondere der internationalen Presse – nicht der lokalen Hofberichterstattung – im Sinne einer Beförderung auf sich zukommen zu lassen?! Ganz so wie es in seinem „eigenen“ Bundesland Oberösterreich Dennis Russel Davies machte. Er fing 2002 als Chefdirigent des Bruckner Orchesters Linz an. 12 Jahre später, im Juni 2014, wurde ihm dann vom Landeshauptmann der Titel Generalmusikdirektor verliehen. Als Claudio Abbado 1986 mit 53 Jahren Künstlerischer Direktor der Wiener Staatsoper wurde und 1987 zu dem vor FWM bis dahin letzten GMD der Stadt Wien und damit auch der Wiener Staatsoper ernannt wurde, als der er später auch das Festival „Wien Modern“ ins Leben rief, hatte er schon ein äußerst beachtliches musikalisches Vorleben. So war Abbado von 1980 bis 1986 Chefdirigent der Mailänder Scala und bereits 1971 deren Musikdirektor. Auch die Scala kommt – wie die Met – offenbar ohne einen GMD aus…

Als einer der besseren Dirigenten im Wagner-Fach in der Zeit FWMs erwies sich übrigens auch Ádám Fischer bei seinem Einspringen im „Ring“ infolge einer Erkrankung des GMD vor etwa zwei Jahren. Beim „Siegfried“ erhielt Fischer einen solchen Auftrittsapplaus des begeisterten Publikums vor dem 3. Aufzug, dass man ihm damals auch den Abschluss der Tetralogie mit der „Götterdämmerung“ gewünscht hätte… Da trat aber der genesene Hausherr wieder ans Pult des Staatsopernorchesters.

Fraglich ist, ob FWM sich mit seiner Rücktrittsentscheidung zu diesem ungünstigsten aller Zeitpunkte einen Gefallen getan hat – es ist zumindest stark zu bezweifeln. Wenn der Entschluss schon länger gereift ist, wie man lesen kann, warum hat er es dem Staatsoperndirektor nicht schon zum Abschluss der letzten Saison gesagt? Das Saison-Programm 2014/15 ist seit April bekannt und gedruckt, mit allen relevanten künstlerischen Entscheidungen und Besetzungen. Bei einer Bekanntgabe seines Rücktritts bereits Ende Juni hätte FWM der Staatsoper den Sommer über Zeit gelassen, Ersatz für die immerhin 34 Aufführungen zu finden, die er zurück gelegt hat. Zudem zeugt es auch nicht gerade von großer Zuverlässigkeit, wenn ein GMD oder Chefdirigent genau zu Beginn einer neuen Saison von Bord der Oper geht, mit der er immerhin einen Vertrag bis 2018 hat.

Foto: Reinhard Winkler

Klaus Billand

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