Baku/Aserbaidschan: Interview mit Polad Byulbyul Ogly
Polad Byulbyul Ogly mit Grand Prix Siegerin Deniz Yetim in Baku
Anlässlich meines Besuches des 6. Byulbyul Internationalen Gesangswettbewerbs in Baku, Aserbaidschan vom 19.10. bis 5.11.2012 interviewte ich am 3. November 2012 den Sohn des großen Sängers und Namensgebers des Wettbewerbs, Polad Byulbyul ogly. Er ist heute Botschafter der Republik Aserbaidschan bei der Russischen Föderation in Moskau und engagierte sich wie schon bei den vorherigen Byulbyul-Gesangswettbewerben sehr um das Gelingen dieser Veranstaltung. Detaillierter Bericht unter “diverses”: Gesangswettbewerbe.
Sein Hintergrund und seine gegenwärtigen Tätigkeiten
Polad Byulbyul Ogly, Jahrgang 1945, wurde früh von seinem Vater zur Musik und zum Gesang gebracht und ist selbst lyrischer Tenor. Er studierte Musik und später Komposition an der Musikakademie von Baku. Schon mit 17 Jahren begann er, eigene Songs zu komponieren, die er auch selbst sang. Später komponierte er auch Filmmusik und schenkte mir dazu einige CDs. In seinem Leben war er bisher als Sänger, Komponist, Schauspieler, Politiker und nun als Diplomat tätig. Eine äußert vielseitige Persönlichkeit, und auch heute noch mit voller Dynamik und Elan, wie man während des Interviews und im Verlaufe des Wettbewerbs sowie beim Abschluss-Dinner feststellen konnte. Denn da gab er noch einige seiner Songs mit eindrucksvoller Stimme vor der Jury, den Preisträgern und vielen geladenen Gästen zum Besten. Er erhielt in der Sowjetunion ebenso wie nach der Unabhängigkeit Aserbaidschans von seinem Land zahlreiche Preise und Auszeichnungen und ist in einigen internationalen Gremien, die sich vor allem mit Erziehung und Kultur befassen, engagiert.
Seit 1990 widmet sich Polad Byulbyul ogly der Politik und wurde Kulturminister von Aserbaidschan. Seit 2006 ist er Botschafter seines Landes in Moskau. Dort ist er auch im networking um den Künstleraustausch aktiv. Es gibt in Russland immerhin zwei Millionen Aserbaidschaner und in Moskau Theater, in denen nur aserbaidschanische Musik aufgeführt wird und die eine rein aserbaidschanische Intendanz haben.
Wie sehen Sie die Bedeutung des 6. Byulbyul Internationalen Gesangswettbewerbs?
Der Wettbewerb ist sehr wichtig für die gesamte Region, nicht nur für die Staaten auf dem Kaukasus und Russland, sondern auch für die Zusammenarbeit zwischen Aserbaidschan und der Türkei auf kulturellem Gebiet. Zum zweiten Mal hat nun ein Teilnehmer aus der Türkei den Grand Prix gewonnen, die Sopranistin Deniz Yetim. Der Wettbewerb ist auch deshalb von großer Bedeutung, da er jungen Menschen, die sonst keine Möglichkeit haben, mit einem Orchester zu singen, die Chance für den Beginn einer Gesangskarriere bietet. Der damalige Präsident Haidar Aliev entschied 1997 zum 100. Geburtstag von Byulbyul, den Wettbewerb ins Leben zu rufen, denn er war sehr an der Kunst interessiert. Es gibt heute auch ein allgemein großes Interesse an klassischer Musik im Lande. Der Wettbewerb hat schnell Format gewonnen mit der unvergesslichen russischen Sängerin Irina Arkhipova als Vorsitzende der vier ersten Auflagen. Sie war sehr präzise und hat allen jungen SängerInnen stundenlang zu ihren Leistungen feed back gegeben. Auch Evgeny Nesterenko adelte den Wettbewerb, dem es immer daran lag, die Jury international zu bestellen.
Wie steht es um den lyrischen Gesang in Aserbaidschan und die Ausbildung?
Alles kommt aus der Volksmusik, dem aserischen mugam. Durch Byulbyul, der von 1927-31 in Mailand studierte und auch an der Scala sang, kam es zu einer Synthese der europäischen Gesangstechnik mit dem mugam. Sein Vater brachte von Mailand die Geheimnisse des Belcanto mit und hat sie in dieses neue System integriert. Auch gründete er eine Gesangsschule im Konservatorium, in der er bis 1961 auch noch in der Funktion des Direktors unterrichtete. Vor Byulbyul hat das nationale System kein Notensystem gekannt. Er hat sich um dessen Aufbau bemüht, Übersetzungen russischer Texte und Partituren auf aserich angefertigt und drucken sowie vervielfältigen lassen. „Arsin Malalan“ von Uzeyir Hacibeyov wurde daraufhin die erste Oper in der Sprache Aserbaidschans. All das hat natürlich die aserbaidschanische Gesangskunst sehr beflügelt. Die jungen SängerInnen gehen heute oft nach Italien zum Studium bei Gesangsprofessoren, aber Aserbaidschan lädt auch Lehrer aus dem Ausland nach Baku zum Unterrichten ein. Die Stadt selbst hat einen Grand Prix aufgelegt und unterstützt die Teilnehmer finanziell bei der Logistik. Dann gibt es ein staatliches Stipendienprogramm. Eine weitere Möglichkeit besteht schließlich über eine Stiftung des Präsidenten: Durch ein Punktesystem in der Rangordnung an der Universität kann man als Student die Möglichkeit erwerben, im Ausland zu studieren, und zwar das gesamte Studium. Jedes Jahr gibt es um die 500 Teilnehmer an diesem Programm.
Mit Freude verkündet Polad Byulbyul ogly am Ende des Interviews, dass der 7. Byulbyul Internationale Gesangswettbewerb im Oktober/November 2015 stattfinden wird. Solange er damit zu tun hat, bin ich mir dieses Datums absolut sicher…
Foto: Klaus Billand
Klaus Billand