Neo Rauch und Rosa Loy, Ausstatter des neuen Bayreuther Lohengrin - 27. Juli 2018

Das Festspielhaus am Vormittag

Das Festspielhaus am Vormittag

Im Rahmen der jedes Jahr während der Premieren-Serie der Bayreuther Festspiele stattfindenden Mitgliederversammlung der „Freunde von Bayreuth e.V.“, die die Festspiele jährlich mit einem sehr bedeutenden Betrag zwischen zwei und drei Millionen Euro unterstützen, waren die Festspielleiterin Katherina Wagner und das Künstlerehepaar Neo Rauch und Rosa Loy auf dem Podium. Bekanntlich sind sie für die Ausstattung dieser Neuinszenierung verantwortlich, die nicht zuletzt deshalb auch mit großer Spannung erwartet wurde. Für mich fand am Premierenabend ein Primat der Ausstattung über die Regie statt, für die der junge US-Amerikaner Yuval Sharon verantwortlich ist, der aber nicht zur Mitgliederversammlung gekommen war.

Neo Rauch und Rosa Loy gaben nach einer allgemeinen Einführrung durch Katharina Wagner einige interessante Informationen zu ihrer Sicht des „Lohengrin“ und wie er in sechs Jahren in ihrem Atelier entstanden ist. Für Neo Rauch steht und fällt der Erfolg mit der „malerischen Umsetzung“. Wagners „Lohengrin“ liege eine „Mechanik des Raumgeschehens“ zugrunde. Das wollten sie mit ihrer Inszenierung symbolisieren. „Ich versuche träumend zu malen und malend zu träumen“ konstatierte Rauch. Seit sechs Jahren sei in ihrem Atelier die CD mit der „Lohengrin“-Musik gelaufen. Diese Musik habe letztendlich auch die Bilder evoziert. Er habe fast nichts gelesen, keine Literatur zum Werk, sich dem „Lohengrin“ nur über das Hören genähert. Das Textbuch war ihm nicht so wichtig, wie er auf Anfrage sagte, aber er habe es natürlich gelesen um zu wissen, worum es geht. Er wollte sich auf die Musik konzentrieren.

Dazu gab Neo Rauch ein interessantes Statement ab. Die Bedeutung des Kunstwerks erschließe sich über die Sinnlichkeit. Die verstandesmäßige Bedeutung sei für ihn nachrangig. Ihn habe schon immer das Hypnotische an Wagner fasziniert. Er sei aber kein Experte, sondern ein „Opfer“. Die Kostüme seien im Wesentlichen an das 17. Jahrhundert angelehnt. Sie wollten einen Zirkelschluss von der Gegenwart in die Zeit des Stücks, und da komme man ins 17. Jahrhundert. Da sie den „Lohengrin“ als Stück im „Raum der assoziativen Sinnlichkeit“ ansiedeln, seien solche Rückgriffe möglich. So gebe es bei den Kostümen auch mittelalterliche Referenzen oder solche an die Gegenwart, wie die Brillen der vier Edlen. Es sollten also „Haarrisse in der Optik“ sein. Man verliere den Boden unter den Füßen. So dachten sie, dass man sich auch solche Irrgänge erlauben könne. Es sollte Brüche geben, auch um das Auge zu überraschen – lebendige Bilder! Die Insektenflügel seien erst im sinnlichen Raum präsent gewesen. Sie symbolisierten die Assoziationskette von elektrischem Licht und Motten, die sich zum Licht hingezogen fühlen. Auch im Schilf der 1. Szene des 2. Akts gebe es eine gewisse Tierwelt, Insekten und Vögel, auch Andeutungen von Wassergeflügel.

... und am Abend

... und am Abend

Der „Lohengrin“ sei ein Märchen für Erwachsene. Sie haben die Neuenfels-Inszenierung in Bayreuth zwei Mal gesehen. Für Rosa Loy erzeuge die Musik im Körper eine Resonanz. Das wirke sich dann auf die Gefühle aus. Und diese Gefühle zeigten sich in den Bildern. Der „Lohengrin“ sei ein vielschichtiges Stück und erreiche damit „zeitgenössische Relevanz“. Aber das habe natürlich auch mit den eigenen Befindlichkeiten zu tun.

Für Neo Rauch transportiert sich die Kunst „hinter den Gitterstäben des Textes hindurch.“ Dann müsse man für Anregungen offen sein, wie auch für das für viele Festspielbesucher rätselhafte grüne Männchen am Schluss. Es sei ihm in einem Traum erschienen. Der grüne Mann stehe für die Wiedergeburt, die Reinkarnation und den Neubeginn. Man könne das in Wikipedia nachlesen. Es war für ihn „eine Zusendung aus dem Unterbewusstsein“; solche Zusendungen könnten sich in das Allgemeingut einklinken.

Auf den Kommentar eines Mitglieds der Freunde, dass Wieland Wagner in Bayreuth bereits einen berühmt gewordenen blauen „Lohengrin“ inszeniert hatte und das Blau die mit dem A-Dur Lohengrins zu assoziierende Farbe sei, führte Neo Rauch aus, wie er zu dem Blau der Produktion gekommen ist. Er hatte das Erlebnis einer Delfter Porzellanausstellung und sah in dem Blau eine funktionierende Rahmensetzung. Damit wurde auch die Bilderwelt aktiv. Dann las er das Nietzsche-Zitat. Man solle also die Dinge nicht über den Kopf sondern in einer Art somnambulem Zustand auf sich zukommen lassen. So sei der bewegte Schilfgürtel als Rückfall ins Paranoide zu deuten. Das kleine Brautgemach – ein Transformatorenhäuschen (Anm. d. Verf.) – solle bewusst skurril sein, um „den Irrsinn zu unterstreichen“. Das Bühnenbild solle aber der Musik dienen.

Auf eine Frage nach der Bedeutung der sich verschiebenden Kulissen in der 1. Szene des 2. Akts meinte Rauch, dass Yuval Sharon diese Szene sehr ruhig machen wollte. Man sollte das Abstruse nicht so richtig sehen, also waren langsame Bewegungen angezeigt. Vielleicht sollte es hier noch etwas mehr Licht geben. Möglicherweise wäre da also nachzubessern. Man müsse aber auch festhalten, dass Yuval Sharon sich in ein bestehendes Konzept eingearbeitet habe und von der Schlüssigkeit der Vorlage überzeugt war. Das sei auch bei Alvis Hermanis so gewesen.

Auf die Frage, warum König Heinrich schon vor Ankunft Lohengrins eine silberne Doppelausfertigung des gestylten Schwans als Brosche trügt, meinte Rauch, dass er als König schon sehr viel – wohl historisches (Anm. d. Verf.) – Wissen angesammelt habe und deshalb auch der Schwan bereits in diesem Wissens-Archiv enthalten sei, eine Antwort, die nicht ganz überzeugte. Das „Flugobjekt“ Schwan solle einen Bruch darstellen, also Weiß gegen Blau. Man könne darin auch das große Wagner-„W“ erkennen, oder das „W“ der Bayreuther Porzellanmanufaktur „Walküre“… Katharina Wagner meinte zum Regiekonzept, dass die Brabanter Gesellschaft lahm gelegt sei, also energielos. Die Idee des wieder Energie bringenden Umspannwerks sei von Neo Rauch und Rosa Loy gekommen und der Regisseur spiele sehr gut damit.

Es wäre interessant gewesen, auch Yuval Sharon zum Themenkomplex dieses Regiekonzepts zu hören.

Fotos: Klaus Billand

Klaus Billand