Sofia: Präsentation des Buches "My Wagner" vor der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften - 31. Mai 2021
Ein bemerkenswertes Buch über Richard Wagner auf dem Balkan
Cover "My Wagner"
Seit 2010 hat Prof. Plamen Kartaloff, Generaldirektor der Sofia Oper und Ballett und Mitglied der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften, mit dem „Rheingold“, dem Vorabend der Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“ von Richard Wagner, dem Werk des Bayreuther Meisters mit Aufsehen erregenden Neuinszenierungen erstmals auf dem Balkan zu nachhaltiger Entwicklung und Präsenz verholfen. Ein früher Besuch in Bayreuth, als er etwa 23 Jahre alt war, resultierte in der Eingebung, Wagners Werk einst in Bulgarien auf dem Balkan zu einer künstlerisch ernsthaften und international gültigen Realisierung zu führen – zweifellos die Tat eines Visionärs.
Die Bulgarische Akademie der Wissenschaften
Von 2010 bis 2013 entstand in einer ebenso anspruchsvollen wie internationales Interesse erzeugenden Inszenierung der „Ring des Nibelungen“ in einer dem Sofioter Opernpublikum, zumal dem jungen, verständlichen Produktion, die ihm jede Berührungsangst mit Wagner nehmen sollte. Er wollte diesem Publikum, das den „Ring“ zum weitaus überwiegenden Teil noch nie erlebt hatte, die Geschichte erzählen, aber mit unkonventionellen Mitteln des Operntheaters in seinem besten Sinne, und gleichwohl genügend Raum für Assoziationen und eigene Interpretationen zulassen.
"Ring"-Trailer
Somit bewegte sich Kartaloff in einem Regietheater-fernen Ansatz eng an der Werkaussage und schuf über ein sog. Story Board eine äußerst enge Verbindung von Musik und visueller Darstellung, bei der er den kongenialen bulgarischen Maler Nikolay Panayotov, der ihm einige wenige universell und in immer neuen Variationen zu präsentierende Bühnenbild-Elemente und die fantastischen Figurinen entwarf. Dazu kam ein facettenreiches Multimedia-Design, welches den Mythos des „Ring“ mit einer nahe an Wagners Regieanweisungen operierenden Dramaturgie bebildert. Dabei stehen für Kartaloff immer die Menschlichkeit an sich und die Gefühlswelt der Akteure im Vordergrund, aber auch poetische Momente, ganz so, wie es bei Wagner in der Musik des „Ring“ zu hören ist…
Yuilan Revalsky bei seiner Ansprache
Diese Aspekte hob ich in meiner Präsentation des 1.046 Seiten (!) starken und reich bebilderten Bandes „My Wagner“ besonders hervor, nachdem mich Plamen Kartaloff freundlicherweise zu der key note speech zur Buchpräsentation vor der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften eingeladen hatte. In der fast vollbesetzten Aula der Akademie eröffnete ihr Präsident Acad. Yuilan Revalsky die Veranstaltung. Sodann stellte zunächst das Korrespondierende Mitglied der Akademie, Ivan Granitski, der auch weiterhin moderierte, das Thema sowie das Buch und meine Person kurz vor.
Plamen Kartaloff mit K. Billand im Gespräch bei einem "Ring"-Symposium
Eine längere und aussagekräftige Videosequenz über den bulgarischen „Ring des Nibelungen“ folgten. In meinem 37minütigen Vortrag (auf Englisch) ging ich dann insbesondere auf die Bedeutung der Arbeit Kartaloffs am „Ring“ ein, der zweifellos das Herzstück seiner Arbeit am Wagnerschen Oeuvre an der Sofia Oper darstellt und somit auch mit fast 500 Seiten im Buch. Hervorgehoben hat der Autor auch die Gastspiele, die die Produktion absolviert hat, allen voran die Aufführung des „Ring“ am König Ludwig Festspielhaus Füssen im bayerischen Allgäu im Sommer 2015.
Diesem Gastspiel sind mit vielen Publikums-Reaktionen, zumal auch von zahlreich erschienen Wagner Verbänden, allein fast 150 Seiten gewidmet. Zusätzlich sind Kapitel der „Ring“-Gastspiele am Bolschoi-Theater Moskau 2018 sowie mit „Siegfried“ in Minsk, Weißrussland, dargestellt.
Plamen Kartaloff mit Richard Trimborn
Eine ganz wichtige Rolle bei der Erarbeitung des „Ring“ durch die bulgarischen Sänger – denn es entstand in Sofia ein ausschließlich bulgarisches Wagner-Sängerensemble – spielte der Deutsche Richard Trimborn, ein kongenialer Partner Kartaloffs bei all diesen Wagner-Projekten. Ihm ist Kartaloff bis heute dafür dankbar, nicht nur mit den Sängern den „Ring“, sondern danach auch „Tristan und Isolde“ sowie „Parsifal“ erarbeitet zu haben. Trímborns Tod im Jahre 2017 war somit ein herber Verlust.
Ansprache von Plamen Kartaloff
Da waren „Tristan und Isolde“ (2015) und „Parsifal“ (2017) bereits erarbeitet und aufgeführt, beide wiederum bulgarische Erstaufführungen. Diese Entwicklung ist im Buch sehr intensiv nachgezeichnet, und ich habe sie auch in meinem Vortrag entsprechend gewürdigt. Zur Beschreibung der Kapitel über „Tristan und Isolde“ und „Parsifal“ spielte Vladimir Gortchakov, Head of International Projects der Sofia Oper, Inszenierungs-Fotos beider Produktionen von Plamen Kartaloff ein, mit denen ich dessen Regiekonzept besser erklären konnte.
K. Billand beim Vortrag zum Buch
„Tristan und Isolde“, laut Kartaloff Wagners „poetisches Meisterwerk“, wollte er in einer verständlichen, emotionalen, dynamischen und musikalisch expressiven Theatersprache gestalten. In Anlehnung an die Ausführungen Schopenhauers zur Rolle der Musik in der Oper war es dem Regisseur ein Anliegen, ihren tiefen philosophischen Charakter zur Grundlage der Regiearbeit zu machen: Diese Musik sollte in Optik und Dramaturgie auf der Bühne in sublimer und poetischer Form sichtbar werden.
Im Gespräch mit dem Publikum
Bei der Konzeption des „Parsifal“ ging es Kartaloff vor allem um die Vermittlung emotionaler Inhalte, wobei die Kategorien Brüderlichkeit, Menschlichkeit und Nächstenliebe eine Verbindung mit göttlicher Strahlkraft und spiritueller Heilung eingehen. Das spirituelle Mysterium der „Parsifal“-Legende sowie die philosophischen Botschaften der Charaktere und ihr Verlangen nach einem „finalen Nirwana“ sollten im Mittelpunkt stehen.
Plamen Kartaloff mit der Mezzosopranistin Aleksandrina Stoyanova-Andreeva
Anhand der Inszenierungsbilder versuchte ich im Vortrag, diese weitestgehend gelungenen Anliegen des Regisseurs, detailliert im Buch beschrieben, nachzuzeichnen. Konsequenterweise setzten wir das Finale der „Parsifal“-Inszenierung von Sofia „Nur eine Waffe taugt“ mit dem bulgarischen Tenor Kostadin Andreev an das Ende der Veranstaltung. Es machte offenbar starken Eindruck.
Plamen Kartaloff mit der Vize-Präsidentin von Bulgarien, Ilijana Jotowa
Die Veranstaltung wurde von den Zuhörern mit großem Applaus angenommen. Neben der Vize-Präsidentin der Republik Bulgarien, Ilijana Jotowa, war auch der ehemalige Vize-Premier- und Kultusminister George Yordanov unter mehreren Prominenten erschienen. Prof. Kartaloff bekam noch einige Auszeichnungen.
Plamen Kartaloff mit Maestro Oliver von Dohnányi
Wer die Zeremonie, also den Trailer zum „Ring“, meinen Vortrag mit den Inszenierungsbildern zu „Tristan und Isolde“ sowie “Parsifal“ verfolgen will, möge sie unter dem folgenden Link aufrufen:
https://youtu.be/3wnHolm7JfM
Akademie der Wissenschaften und Alexander-Newski-Kathedrale Sofia
Nach Ende der Buch-Präsentation ergab sich ein wunderbarer Blick auf die legendäre Alexander-Newski-Kathredrale im Abendlicht von Sofia.
Fotos: Svetoslav Nikolov 4, 8-12; K. Billand 1-3, 5-7, 13
Klaus Billand