Sofia: Macbeth konz. - 30. Mai und 2. Juni 2021
Eindrucksvoller Verdi semi-konzertant
Die semi-konzertante Bühne
Anlässlich meines Vortrags zur Buchpräsentation des Titels „My Wagner“ von Prof. Plamen Kartaloff, Generaldirektor der Nationaloper Sofia und Ballett, vor der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften am 31. Mai konnte ich am Abend zuvor eine konzertante Aufführung von Verdis „Macbeth“ an der Oper erleben, am 2. Juni dann eine Reprise. Dabei waren es eigentlich gar keine konzertanten Aufführungen. Denn die Sänger hatten vor dem auf der Bühne postierten Orchester viel Spielraum, da aufgrund der Covid 19-Auflagen die Bestuhlung im gesamten Parkett entfernt worden war. Hier sitzt bei szenischen Aufführungen seither das Orchester weitflächig verteilt.
Charmante Blockierung der Covid-Plätze
Zu „Macbeth“ konnten 300 Besucher eingelassen werden, und auch hier in Sofia hofft man, dass es wie in Westeuropa bald wieder mehr werden. Aber während dort die Pforten über etwa ein Jahr ganz geschlossen waren, spielte die Sofia Oper mit 30 Prozent Zuschauerbelegung durch. Damit zählte Bulgarien mit Spanien wohl zu den wenigen, wenn nicht gar einzigen Länder in der EU, die auch während er Pandemie durch überzeugende Hygiene-Maßnahmen durchgängig auf reduziertem Niveau mit Publikum spielen konnten.
Die Lady
Alle Protagonisten agierten auf der Spielfläche um den Dirigenten herum also frei, was die Oper zu einer semi-konzertanten Aufführung werden ließ. Da fielen die Notenpulte einiger kleinerer Rollen nicht ins Gewicht. Es wäre auch kaum vorstellbar gewesen, starke Charaktere wie Kiril Manolov und Alexandrina Pendatchanska als Lady hinter ein Notenpult zu fesseln.
Mascbeth mit der Lady
Unglaublich souverän und ausdrucksstark spielt Manolov als Macbeth auf. Schon das erste Zusammentreffen mit Banquo, den Svetozar Rangelov mit Wagnererprobter Basstiefe nicht immer ganz spursicher verkörpert, hinterlässt einen für den ganzen Abend prägenden Eindruck. Schon körperlich von eindrucksvoller Erscheinung gibt Kiril Manolov den getriebenen Königsmörder mit authentischer Mimik und großer Geste – mit einer in jedem Moment perfekten Bühnenbeherrschung. Sein dramatischer Bariton verfügt über enorme Kraft und Klangfülle, das aufgewühlte Seelenleben des Titelhelden nachvollziehbar zu machen. Am zweiten Abend sind einige Unsicherheiten in der Intonation zu hören.
Lady Macbeth
Alexandrina Pendatchanska dokumentiert schon mit ihrer Auftrittsarie, dass sie das Heft der Familie sicher in der Hand hält und lässt mit ebenso dramatischen wie klangvollen Spitzentönen klar werden, was sie im Schilde führt, den über Leichen gehenden Drang zur totalen Macht. In den Begegnungen mit Macbeth, zumal in den Momenten seines Wankens, weiß sie psychologisch eindrucksvoll zwischen Vorwürfen und Schmeicheln zu wechseln – eine Lady wie aus dem Bilderbuch. Vokal und vom darstellerischen Talent her werden hier durchaus auch eine Ortrud und Kundry hörbar. Aber noch hat Pendatchanska bei ihrem reichen italienischen und französischen Repertoire solche Schlüsselrollen des Wagnerfachs nicht ins Auge gefasst. Meines Erachtens wäre das nun der richtige Zeitpunkt.
Kiril Manolov mit Biser Georgiev
Am zweiten Abend beeindruckte der Bassbariton Biser Georgiev, bisher Alberich vom Dienst in Sofia, als Banquo und ließ einen perfekt sicheren, klangvollen und gut artikulierten Bassbariton erhören. Auch bei dieser relativ kleinen Rolle konnte man erkennen, dass hier ein weiterer Wotan für den „Ring des Nibelungen“ heranreift, den man in Sofia sehr gut brauchen kann. Der „Rheingold“-Wotan und der Wanderer sollten schon jetzt für Georgiev kein Problem darstellen.
Schlussapplaus mit den Protagonisten
Ivanka Ninova ist eine klangschöne Kammerfrau, die sich bewusst im Hintergrund hält, ebenso wie Todor Kotopanov als Arzt mit leichtem Bass. Daniel Damyanov singt den Macduff mit einem etwas festsitzenden Tenor bei zu wenig Resonanz. Angel Antonov als Malcolm mangelt es an tenoraler Farbe. Die kleinen Nebenrollen sind mit Dimitar Stanchev als Diener Macbeths, Stefan Vladimirov als Mörder, Nikolay Voynov als Herold, sowie mit Stanislava Momenkova und Diana Vassileva als Erscheinungen gut besetzt. Georgi Djanov blieb als Erscheinung hingegen stimmlich blass. Der Chor der Sofia Oper und Ballett hatte einen guten Abend. Insbesondere der differenzierte Chor der Hexen hinterließ nachhaltigen Eindruck.
Schlussansprache von P. Kartaloff nach der 1. Aufführung
Plamen Kartaloff hatte Maestro Oliver von Dohnányi aus Prag zu diesen „Macbeth“-Aufführungen eingeladen. Von Dohnányi bewies durch exakte Linienführung und intensive Artikulation mit den Sängern sowie dem Chor seine Versatilität im italienischen Fach, dass er weithin spielt. Die Aufführung gelang so mit hoher Intensität und emotionaler Dichte. Das Orchester der Sofia Oper und Ballett zeigte sich in guter Verfassung und ging mit hoher Transparenz in den einzelnen Gruppen sicher auf die Intentionen des Dirigenten ein. Ein spannender „Macbeth“, der mit vielen Bravorufen aus dem Publikum gefeiert wurde.
Fotos: Svetoslav Nikolov 3-5, 8; K. Billand 1-2, 6-7
Klaus Billand