Wien/Muth: Das Unterösterreichische Liederbuch - 25. April 2022

Besinnliche Stunden mit der österreichischen Seele…

Adrian Erdöl mit Pianist Albert Sassmann

Adrian Erdöl mit Pianist Albert Sassmann

Ein ungewöhnlicher und interessanter Abend im Muth: Irene Suchy vom ORF hatte für die österreichische Mäzenaten-Plattform maezenatentum.at einen „erweiterten Liederabend“ nach Otto M. Zykan von Michael Mautner mit dem Bariton Adrian Eröd organisiert. Der Abend war quasi eine konzertante Feldforschung zu Art und Abart der österreichischen Selbstbetrachtung im 20. und 21. Jahrhundert: „Was lieben wir an Österreich, was erdulden wir gerade noch und was eigentlich nicht“.

Der Abend beginnt mit einer Auswahl aus dem Liederzyklus „Reisebuch aus den österreichischen Alpen“ von Ernst Krenek (1900-1991) (op. 62, 1929), die tatsächliche Beschreibung einer Reise, mit einem Bogen von naturhafter Einfachheit bis hin zu inneren Reflexionen mit kritischen und satirischen Elementen. Es folgen „Lieder aus Wien“ nach Texten von HC Artmann, vertont von Egon Wellesz (1885-1974) op. 82, die einen poetischen Kreis von hermetischer Liebeslyrik bis Todessehnsucht bilden.

Die Lieder des Unterösterreichischen Liederbuches waren bei ihrer Entstehung nicht als Teil eines Zyklus gedacht. Aber das Motto hier lautet: „Die österreichische Seele ist ein starkes Band, sei es auch noch so zart gewebt.“ „Unterösterreichisch“ ist dabei kein geographischer Begriff, sondern eine Sammlung von sinistren Charaktereigenschaften. Das zu thematisieren ist wiederum eine durchaus österreichische Leidenschaft.

Die an dritter Stelle des Abends stehende Auswahl der der Lieder Otto M. Zykans und die Vereinigung mit den Liedern nach Franzobel Texten (aus dem Trash Roman „Astrian Psycho“) war mehr eine Entscheidung des Herzens als der Notwendigkeit. Somit wurde zusammengefasst, was ursprünglich nicht zusammengehörte, aber inhaltlich sehr gut zusammenpasst. Eben nach dem Motto: „Die österreichische Seele ist ein starkes Band, sei es auch noch so zart gewebt.“ (Notizen aus dem Programmheft).

Adrian Eröd mit Kollegen

Adrian Eröd mit Kollegen

Adrian Eröd leitet jeden Liederblock mit einigen interessanten Einführungen und Anekdoten ein. So seien die 20 Lieder von Ernst Krenek voller Wehmut über das, was 1918 verloren ging. Er trägt daraufhin sechs Lieder vor, die in der Tat sehr aktuell wirken. Krenek habe einmal gesagt „Heimat ist, wo jemand meine Hand hält“, und Adrian Eröd singt die Lieder in der Tat mit viel Herz, Emphase und bester Diktion. Wie kleine Erzählungen wirken sie. Immer wieder kommt eine Sehnsucht nach dem Süden zum Ausdruck – ein typisches Phänomen Krenekscher Liedkultur. Vor dem Wellesz/Block erfahren wir von Adrian Eröd, dass die Gedichte aus 1958 stammen und HC Artmann mit ihnen in Österreich berühmt wurde. Das erste Lied sei ein wunderschönes Liebesgedicht. Wellesz musste 1938 nach England an die Universität Oxford emigrieren, wo er der erste österreichische Ehrendoktor nach Joseph Haydn wurde! Eröd hebt in seinem vokalen Vortrag eindrucksvoll die Dialekte und semantischen Besonderheiten der Lieder hervor. Bei sehr viel staccato im Klavier gibt es auch zahlreiche deklamatorische Phasen im Gesang.

Im dritten Teil des Abends, dem Unterösterreichischen Liederbuch von Otto M. Zykan (1935-2006) und Michael Mautner (*1960) op. 82, kommt es sehr stark auf den Dialekt an. In drei Teilen, „Im Himmel“, „Auf Erden“ und „Im Keller“ wird in der Tat viel von der österreichischen Seele gesungen. Zwei Lieder gehen mir wegen ihrer großen Menschlichkeit nicht aus dem Sinn. Im 3. Teil „Im Keller“ singt Eröd unter dem Titel „Etwas Trauriges“ emphatisch davon, „dass man Trauriges nicht erzählen solle, weil es sonst noch trauriger ist“ und die herzzerreißende Story vom schwer verletzten Pferd in „Place du Carousel“.

Albert Sassmann begleitet Adrian Eröd kompetent und bei Zykan mitsingend am Klavier, während Anna Hauf, Sopran, und Johanna Zachhuber, Alt, ebenfalls bei den Liedern von Otto M. Zykan gesanglich mitwirken. Ein schöner und besinnlicher Abend im Muth am Augartenspitz!

Fotos: Klaus Billand

Klaus Billand

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