Bayreuth/Festspiele: Liederabend Günther Groissböck - 12. August 2019

Der Bayreuther Wotan von 2020

Das Markgräfliche Opernhaus Bayreuth

Das Markgräfliche Opernhaus Bayreuth

Seit Jahren gehört der österreichische Bassist Günther Groissböck zum Sängerstamm der Bayreuther Festspiele. In diesem Sommer brillierte er wieder als Gurnemanz im „Parsifal“. Nun hat ihn die Festspielleitung zum Wotan der neuen „Ring“-Produktion von Konstantin Schwarz 2020 auserkoren, das sicher größte Projekt Groissböcks am Grünen Hügel. Als Vorgeschmack hörten wir bereits „Wotans Abschied“ aus der „Walküre“ im Festakt für Wolfgang Wagner am 24. Juli.

Im mittlerweile völlig restaurierten und von der UNESCO schon vor einigen Jahren zum Weltkulturerbe erhobenen Markgräflichen Opernhaus Bayreuth gab Groissböck im August einen Liederabend, bei dem er von der moldauischen und in Moskau aufgewachsenen Pianistin Alexandra Goloubitskaia äußerst beeindruckend begleitet wurde. Die beiden wirkten auf der Bühne wie ein regelrecht zusammen gewachsenes Team und konnten das Publikum so auch emotional begeistern. Goloubitskaia hat ihre Studien im Konzertfach in Graz absolviert und ist weltweit als Solistin, Liedbegleiterin und Kammermusikpartnerin tätig. Seit 2017 hat sie eine Professur an der Musik und Kunst Privatuniversität Wien inne.

Der Liederabend beginnt mit den „Vier ernsten Gesängen“ Op. 121 von Johannes Brahms (1833-1897) aus den Jahren 1892-1896. Das Werk gilt als „Requiem in Liedform“ und baut auf Texten aus der Bibel auf. Brahms hatte in der Entstehungszeit dieser Lieder mehrere für ihn schwerwiegende Todesfälle in seinem Umfeld zu beklagen, was sich mit großer Sicherheit auf die vier ernsten Gesänge niedergeschlagen hat. Günther Groissböck trifft in jedem Fall den richtigen Ton. Bei „Denn es geht dem Menschen wie dem Vieh“ klingt sein Gesang nachdenklich und trübselig, mit einer guten Höhe gegen Ende. Bei „Ich wandte mich und sahe an“, wo das Unrecht angesprochen wird und deshalb ein bemerkenswerter Realitätsbezug besteht, singt er mit zunächst schönem nachdenklichem Piano, um dann in große Dramatik bei der letzten Zeile „… und des Bösen nicht inne wird, das unter der Sonne geschieht“ auszubrechen. Bei „O Tod, wie bitter bist du!“ wirkt besonders seine Mimik in Einklang mit dem tragischen Text, wie Groissböck überhaupt den ganzen Abend lang versteht, enorme mimische Harmonie mit den Botschaften des Gesungenen herzustellen. Bei „Wenn ich mit Menschen und mit Engelzungen redete“ ist vor allem Hoffnung mit der Liebe verbunden, auf die Groissböck in „…nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei“ eine klangvolle Höhe singt.

Günther Groissböck in Bayreuth

Günther Groissböck in Bayreuth

Es folgt der „Liederkreis“ Op. 39 von Robert Schumann (1810-1856), der aus 12 Gedichten von Joseph von Eichendorff als Zyklus im Jahre 1840 entstand. Der „Liederkeis“ gehört heute zum Kern des romantischen Kunstliedrepertoires. Schumann skizziert hier eine romantische Nacht in all ihren Farben und Stimmungen, wobei der Mensch als Reisender erscheint. In „In der Fremde“ singt Günther Groissböck leicht und bewegt eine lyrisch betonte Abendstimmung. In „Intermezzo“ betont er die erzählerische Komponente. In „Waldesgespräch“ gibt er mehr Tempo bei einem weiterhin erzählerischen Grundton. In „Die Stille“ lässt er eher eine gewisse Dynamik vernehmen. In „Mondnacht“ klingt sein prachtvoller Bass sehr nachdenklich, ja kontemplativ. Statt einer Erzählung lässt er hier eine Bewunderung für die Natur erkennen. In „Schöne Fremde“ hören wir einen dynamischen Beginn, genau den Text treffend, dann weiter vorwärts drängend. In „Auf der Burg“ zeigt seine Stimme viel Ruhe und Gemächlichkeit bei herrlichem Piano und auch schönen Piano-Bögen. In „In der Fremde“ meint man aus dem Klavier und Groissböcks Gesang dazu das Wasser des „rauschenden Bächleins“ zu hören. In „Wehmut“ nimmt die Stimme des Bassisten in der Tat den Klang wahrlich berührender Wehmut an. In „Zwielicht“ gilt es der stimmlichen Aufforderung und Warnung vor dem falschen Freund, was Groissböck eindrucksvoll vermittelt. Er endet mit einem deklamatorisch betonten „…hüte dich, sei wach und munter.“ In „Im Walde“ besticht er zunächst mit schönem Legato, um dann äußerst tief in den klangvollen Keller seiner Stimme zu steigen. In „Frühlingsnacht“ schließlich singt er eine Aufbruchstimmung, das Positive klingt beschwingt an und entlässt das Publikum mit einer guten Stimmung in die Pause.

Danach gibt es zunächst ausgewählte Lieder von Peter I. Tschaikowsky (1840-1893), in denen dieser nicht nur auf Texte russischer, sondern auch deutscher Dichter zurückgriff. So eröffnet Günther Groissböck den Reigen mit einer russischen Fassung des Gedichts „Nur wer die Sehnsucht kennt“ aus Goethes „Wilhelm Meister“. In „Versöhnung“ besticht er durch den beruhigenden und besänftigenden Ton seiner Stimme, die zum Schluss des Liedes fast resignierend klingt. In „Unendliche Liebe“ lässt der Bassist eine absolut glaubhafte, wunderbare Liebeserklärung hören, die er entsprechend mimisch unterstreicht. In „Im wogenden Tanze“ merkt man seiner Stimme die unsichere Annäherung und vorsichtige Erwartung an, auch durch feinste Lyrik. Dieser Teil klingt mit wild vorwärts treibenden Tönen in „Ständchen des Don Juan“ lebhaft aus.

Schließlich singt Günther Groissböck noch ausgewählte Lieder von Sergej Rachmaninoff (1879-1943), von denen viele dessen starke Heimatverbundenheit vermitteln und damit im Kontrast zur regen Reisetätigkeit des kosmopolitischen Pianisten, Dirigenten und Komponisten stehen. Die hier ausgewählten Lieder stammen aus der Zeit zwischen 1893 und 1906. In „Wenn Nacht mich hüllt und Schweigen“ stellt Groissböck seine gute Phasierung auch im Russischen unter Beweis und singt mit großem Engagement und guter Höhe. In „O sing du Schöne, sing mir nicht“ kommen große Emotionen und intensive Vaterlandsliebe zum Ausdruck, bei authentischer Mimik – vielleicht das stärkste Lied unter den russischen von Groissböck. In „Ein Traum“ hören wir eine akzentuierte aufregende Traumdeutung. In „O nein, ich fleh‘, geh nicht von mir!“ vermittelt er nachvollziehbar das Klagen über das Verlassenwerden als Elend und und endet mit großer Dramatik bei „O, bleib‘ bei mir, verlass mich nicht!“. Sehr dramatisch klingt dann auch seine Stimme beim letzten Lied „Ein Auszug aus A. Musset“.

Es gab noch Zugaben und lang anhaltenden Applaus für den Sänger und die hervorragende Begleiterin. Ein denkwürdiger Liederabend in wundervoller barocker Kulisse.

Fotos: Karl Nawarski / Bayreuther Festspiele 2; K. Billand 1

Klaus Billand