Brno: Glagolitische Messe/Aus einem Totenhaus beim Janáček-Festival – 26. November 2022
Depression und Hoffnung
Die Insassen des Totenhauses
Das bereits 8. Internationale Janáček-Festival Brno wartete im November mit einem anspruchsvollen Programm auf, bei dem es Janáčeks letzte Oper „Aus einem Totenhaus“ („Z mrtvého domu“) sowie seine Glagolitische Messe szenisch in einer durchaus eigenwilligen Kombination an einem Abend brachte.
Ihre Leiden
Leos Janáček schrieb und komponierte seine dreiaktige Oper „Aus einem Totenhaus“, die 1930 in Brno ihre Uraufführung erlebte, nach der autobiografischen Novelle „Aus einem Totenhaus“ Fjodor M. Dostojewski. Er war wegen Widerstands zum Tode verurteilt, aber nach einer Begnadigung in ein Arbeitslager ins ferne Omsk nach Sibirien gebracht worden. In seiner Novelle erzählt er anschaulich die Qualen der Insassen sowie ihre großen menschlichen Qualitäten, die sich „wie Gold“ unter der Oberfläche der – oft zweifelhaften – Gründe ihres Gefangenendaseins zeigten.
Ihr Schlaf...
Diesen Eindruck vermittelt die Inszenierung von Jirí Herman gleich im ersten Bild aufs Eindrücklichste. Alle Insassen hängen in einem quadratischen schwarz-grauen Raum an langen Ketten. Später werden sie einmal heruntergelassen, und arbeiten zu können. Im Hintergrund nur maximale Tristesse durch vernebelte Tannenwälder oder riesige Eisschichten, die an den Baikal-See im Winter erinnern. Flucht unmöglich!
Dis Misshandlung des Schriftstellers Gorjančikov
So erzählt man sich die Geschichten aus der Vergangenheit, wobei drei Insassen jeweils in einem der drei Akte monologartig hervortreten: Luka, eindrucksvoll verkörpert von Gianluca Zampieri; Skuratov, bestens dargestellt von Peter Berger und Shishkov, beeindruckend interpretiert von Pavol Kubán. Daneben spielt Roman Hoza als in das Gefängnis geworfener und von den Wachen in roten Uniformem arg malträtierter Schriftsteller Gorjančikov eine wichtige Rolle. Sprechgesang herrscht angesichts der Verhältnisse im Gefängnis vor.
Kein Entrinnen in die eisige Natur
Es gelingt Herman mit dem phantasievollen Bühnenbildner Tomáš Rusin und den zur depressiven Stimmung passenden Kostümen von Zuzana Štefunková Rusínová die gedrückte Stimmung der Gefängnisinsassen, immer aber auch den Funken Hoffnung zu zeigen, den sie dennoch haben. Das Janáček-Festival legte großen Wert darauf, die erst 1964 veröffentlichte Originalfassung des Komponisten, die von Prof. Tyrrell mit Charles Mackerras ediert wurde, zu zeigen. Janáček war vor Vollendung der Partitur verstorben. Die Wirkung der Oper war in Brno somit viel stärker als in der von zwei Schülern posthum überarbeiteten Komposition.
Die vier Solisten der Glagolitischen Messe
Nahezu übergangslos – und das erschien nicht unbedingt ideal – schloss sich die Glagolitische Messe („Mša glagolskaja“) an, uraufgeführt in Brno 1927, basierend auf dem Vermerk Janáčeks am Beginn der Partitur des „Totenhauses“, dass „in jeder Kreatur ein göttlicher Funke“ sei. Diese Idee verbindet das „Totenhaus“ mit der Glagolitischen Messe für vier Gesangssolisten. Sie ist nach einem altslawischen Text geschrieben. Durch die szenische Verbindung der Messe mit dem „Totenhaus“ wurde in Brno eindrucksvoll die Stärke des Glaubens an den Menschen unterstrichen. Katerina Kneziková (Sopran), Jarmila Balázová (Alt), Peter Berger (Tenor) und Jan Štáva (Bass) verliehen der Messe auch starkes vokales Gewicht.
Schlussapplaus gensamtes Ensemble
Jacub Hrúša dirigierte den stimmkräftigen und wie immer in Brno großen Chor, einstudiert von Pavel Konárek und Martin Buchta, sowie das Janáček-Opernorchester mit viel Liebe zum Detail und großer Kenntnis der komplexen Partituren. Ein bemerkenswerter Abend zum Abschluss des Janáček-Festivals 2022 in Brno!
Fotos: Marek Olbrzymek 1-6; K. Billand 7
Klaus Billand