BUDAPEST/Staatsoper: "Il Campanello" und "The Telephone" - 6. September 2014

Gehaltvoll und fantasievoll gestaltete Farcen…

Don Pasticchio und Enrico

Don Pasticchio und Enrico

Zum Gedenken an die protagonistische Rolle Ungarns zu Beginn des Falls des Eisernen Vorhangs am 10. September 1989 am Neusiedler See zur österreichischen Grenze führte die Staatsoper Budapest neben einem interessanten Symposium und einer Freedom OperaGala mit zeitweise Weltklasse-Niveau auch zwei Kurzopern auf, und zwar open air auf dem Vorplatz der Staatsoper zum Andrássy Boulevard. Der Opernvorplatz wird auch „Platz der Sphinx“ genannt, weil dort eine in Stein gehauene Sphinx den Haupteingang der Oper ziert.

Diese Sphinx ist auch in das Bühnenbild der zweiten Oper integriert, und zwar in „The Telephone“ von Gian Carlo Menotti. Zuvor gab aber noch es „Il Campanello“, oder „Die Nachtglocke“ von Gaetano Donizetti, ein selten gehörtes Werk, das am 1. Juni 1836 in Neapel seine UA erlebte. Es ist eine Farce für Musik, das Libretto schrieb Donizetti selbst. In Foria, einem Vorort von Neapel, hat der schon ältere Apotheker Don Annibale Pistacchio die junge und hübsche Serafina geheiratet und sie ihm damit ihrem jungen Verehrer Enrico genommen. Ihre Mutter ist begeistert über den künftigen wohlhabenden „Schwiegersohn“. Die Hochzeitsfeier findet statt, und Enrico, nachdem er Serafina eine große Szene gemacht hat, sinnt nach, wie er dem Apotheker die Hochzeitsnacht vermiesen kann. Da er weiß, dass Apotheker des Nachts immer für Patienten bereit sein müssen, klingelt er in ständig anderen Verkleidungen an und hält unter Vorspielung immer anderer Wehwehchen, die bisweilen auch langwierig herzustellende Arznei-Dosierungen erfordern, den Apotheker auf Trab. So geht die ganze Hochzeitsnacht herum, ohne dass dieser einmal mit der Braut im Hochzeitsbett war… Am nächsten Morgen muss Don Pistacchio geschäftlich nach Rom. Enrico hat sein Ziel erreicht. Ob er die Braut auch dem Apotheker wieder abspenstig machen kann, bleibt im Ungewissen…

Das Stück wurde auf einem Podest mit bunten Kissen arrangiert, die ständig wechselnden Kostüme waren lustig und fantasievoll. Alle Figuren wurden überzeichnet, as für viel Lacher und beste Stimmung beim zahlreich erschienen Publikum sorgte. Es war wirklich eine Farce, aber gut und humorvoll inszeniert von Balázs Benő Fehér. László Szvétek war ein drolliger und vokal gut gerüsteter Don Pistacchio, Tamás Kóbor als sein Apothekergehilfe Spiridione putzig, Mária Farkasréti sang eine total echauffierte Mutter und Lajos Geiger gab den Enrico mit gutem und ausdrucksstarken Bariton sowie großem schauspielerischem Können bei seinen vielen Verwandlungen. Nur Orsolya Hajnalka Röser war mit ihren Sopran als Serafina etwas zu schrill, spielte aber gut.

 Orsolya Sáfár als Lucy nach der Vorstellung

Orsolya Sáfár als Lucy nach der Vorstellung

In der zweiten Kurzoper, „The Telephone“, „Das Telefon“ von Gian Carlo Menotti, geht es um eine ähnliche Situation, auch wieder ein Kommunikations-Problem, und zwar ein hochaktuelles unserer Tage. Auch hier hat der Komponist das Libretto (Englisch) geschrieben. Das Stück wurde am 18. Februar 1947 in New York uraufgeführt.

Ben ist in Lucy verliebt und mit ihr in ihrem Apartment, hier etwas exotisch mit der Sphinx gestylt. Er muss verreisen, möchte seiner Angebeteten aber zuvor noch einen Heiratsantrag machen. Kaum ist er bis zu dem Punkt vorgedrungen, läutet das Telefon, und Lucy muss erstmal eine Weile mit ihrer Freundin parlieren. Kaum hat Ben wieder angesetzt, kommt der nächste Anruf, jemand hat sich verwählt. Wieder wird Ben unterbrochen, als ein Bekannter Lucys anruft und sie bezichtigt, schlecht über ihn zu reden. Nachdem sie Ben gerade noch davon abbringen konnte, die Telefonschnur durchzuschneiden, muss sie sich über diesen Vorwurf am Telefon erstmal länger bei ihrer Freundin ausheulen… Darüber geht Ben mit seinen Koffern davon und Lucy fällt, als sie das bemerkt hat, in eine leichte Depression. Nun geht Ben in eine Telefonzelle und bitte sie um ihre Hand. Lucy ist begeistert und warnt ihn, immer ihre Telefonnummer bei sich zu haben… Ist das nicht in unserer Handy-bestimmten Zeit total realistisch?! Wie oft erreichen wir unsere Freunde per Handy oder SMS besser als im direkten Gespräch…?!

András Almássy inszenierte diese Kurzoper mit unglaublich viel Fantasie in einem Bühnenbild von One Nikon inszeniert, dazu mit einem die aufgeregte Handlung zwischen Ben und Lucy stets mit einem kleinen Ballett in einer Art Kommunikationstanz kommentierend unterstützt. Alles haben exzessive und bunt gestylte Kostüme vom Krisztina Lisztopád und sind ständig in Bewegung, von Klára Pataky bestens choreografiert. Kristóf Poroszlay spielt das Telefon als stumme Rolle, indem er in einem rosa Handy-Gehäuse mit Nummerntasten agiert, ständig hin und hergerissen zwischen Lucy und den virtuellen Anrufern. Orsolya Sáfár singt und spielt eine exzellente und überaus kapriziöse Lucy mit einem sicher geführten und klangvollen Koloratursopran, eine ganz großes Talent! Zoltán Bátki Fazekas ist ein zunächst geduldiger, dann immer verzweifelter werdender Ben mit ebenfalls sehr guter vokaler Leistung.

Géza Köteles dirigierte das Orchester der Ungarischen Staatsoper unter einem Zeltdach nebenan und konnte das muntere Treiben der beiden Opern beschwingt begleiten. Alle Beteiligten bekamen enthusiastischen Applaus vom Publikum vor der Bühne und auf dem Andrássy Boulevard. Kaum war „The Telephone“ zu Ende, verdunkelte sich der Himmel, und die FreedomGala musste ins Haus verlegt werden. Die Opern hatten Glück…

Fotos: Klaus Billand
(Weitere Fotos ab Mitte Oktober)

Klaus Billand

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