Sevilla: La Bella Susona - Spanische Uraufführung am 13. und 15. März 2024
Eindrucksvoll am Teatro de la Maestranza
Teatro de la Maestranza Sevilla
Das Teatro de la Maestranza im wunderschönen und geschichtsträchtigen Sevilla, der Hauptstadt von Andalusien, war schon oft Ort wichtiger Opernereignisse. Erst im November feierte hier Elisabet Strid in einer szenisch und musikalisch sehr guten Neuinszenierung von „Tristan und Isolde“ ihr Isolde-Rollendebut.
Aufführungs-Plakat
Nun kam der Komponist Alberto Carretero, 1985 in Sevilla geboren, hier mit der Uraufführung seiner Oper „La Bella Susona“ in zwei Aufführungen am 13., also der Uraufführung, und am 15. März heraus, die ich beide besuchte. Es handelt sich bei dem Werk um einen Prolog und sieben Szenen, die sich aus einem Fluss von vielen Emotionen und Farben zusammensetzen, die ein Ziel an Kreativität, Imagination und Poesie vor Augen hat, das weit über das Narrativ der eigentlichen Geschichte hinausgeht. Und dabei ist tatsächlich alles im Fluss, wie im Leben des Menschen!
Komponist Alberto Carretero
Denn in der Regie von Carlos Wagner ist in allen Szenen, die in den Bühnenbildern von Alejandro Andújar überwiegend dunkel bis schwarz auf Videos von Francesc Isern und einem Bühneneinschub auf mittlerer Höhe gehalten sind, das langsam fließende Wasser des großen spanischen Flusses Guadalquivir sichtbar. Er war in vieler Hinsicht für die Geschicke und Geschichte der Stadt zentral, vor allem durch ihre Anbindung an den Atlantik und den damit ermöglichten Welthandel.
Fernando Magellanes (Museum Torre de Oro)
Aber auch die erste Weltumrundung, der tatsächliche Beginn der Globalisierung, wenn man so will, nahm hier ihren Anfang. Fernando de Magallanes, ein Portugiese in Diensten des spanischen Königs, segelte im September 1519 mit fünf Schiffen und 239 Seeleuten ab, auf der Suche nach den Gewürzinseln Molukken. Er entdeckte dabei die Durchfahrt durch Südamerika in den Pazifik, die heutige Magellanstraße in Süd-Patagonien. Juan Sebastián Elcano, zu Beginn der Entdeckungsfahrt Schiffsmeister auf der Concepción, beendete nach dem gewaltsamen Tod von Magallanes 1521 auf den Philippinen diese erste Weltumrundung 1522 in Sevilla mit nur noch einem Schiff, der Nao Victoria, mit 18 Seeleuten. So viel zur universalen Bedeutung Sevillas, die mit dem dunklen Wasser des Guadalquivir subtil bis bedrohlich in die Optik dieser Uraufführung einfließt, im wahrsten Sinne des Wortes!
Susona mit ihrem Vater
Albert Faura gestaltet dazu eine Lichtregie, die weit über das hinausgeht, was man bei einer „normalen“ Opernproduktion darunter versteht. Das Licht mit seinen vorrangig dunklen Tönen und Farben nimmt hier mit den Videos dramaturgische Bedeutung ein, auch angesichts des fast völligen Fehlens von Bühnenrequisiten – eigentlich nur ein Stuhl des Rabbis Aben Susón, auf dem er mit seiner Tochter Susona spricht und auch sein Ende findet. Am Ende wird beim Tode Susonas ein riesiger Totenschädel schemenhaft als Lichtprojektion sichtbar…
Susona mit Guzman
Es ist ein hochinteressantes Stück aus der Zeit des ausgehenden Mittelalters in die Renaissance, als es um die Vertreibung der Juden aus Sevilla ging.
Susona ist die Tochter eines alten Rabbi, die sich mit einem noblen Bürger Sevillas, Guzman, einlässt und auf diese Weise ihre eigenen Leute verrät. Sie geraten in einen Hinterhalt und kommen alle um, szenisch besonders spektakulär ihr Vater Aben Susón, letztlich eine ehrliche, aber traurige Gestalt.
Susona mit Sor Gregoria
So ist Wasser des Flusses, was hier langsam vor sich hin treibt, auch eine Metapher für den Fluss des Lebens, das ewige sich verändern von menschlichen Situationen, von Tragik und von Freude, die einen kurzen Moment in der Liebe von Susona zu Guzman aufblüht, die sich aber durch seinen Verrat furchtbar rächt.
Aben Susón wird gefesselt
Die Musik vom Komponisten Alberto Carretero ist hochinteressant und erinnert manchmal etwas an Lachenmann. So beginnt es gleich mit sehr viel Elektronik, ebenfalls aus Carreteros Feder. Aber das Interessante ist, dass sich die Stimme wie eine zweite Haut seiner Poesie total vereinigt mit dem Orchsterklang aus der großen, in einer bisweilen fast mythisch klingenden Tonalität, manchmal dezidiert langsam.
Dann aber gibt es auch dramatische Ausbrüche, insbesondere bei der Inquisition, die auf Aben Susón niedergeht, der schließlich auch musikalisch dramatisch auf dem Scheiterhaufen zu Tode kommt.
Die Inquisition über Aben Suson
Nacho de Paz dirigiert das Real Orchesta Sinfónica de Sevilla mit hervorragendem Einfühlungsvermögen bezüglich der Sänger und der szenischen Entwicklung. Der Chor des Teatro de la Maestranza spielte die Juden ebenso eindrucksvoll wie die Inquisition.
Daisy Press aus New York als Bella Susona
Die hervorragende Sopranistin Daisy Press aus New York begeisterte durch enorme Intensität sowohl in ihrer Darstellung wie auch in der Facettierung ihres klangvollen Soprans. Sie war die zentrale Figur des Abends! Ihr Vater, der alte Rabbi Aben Susón, wurde vom Bass Luis Casino verkörpert, der große Ruhe und Führerschaft ausstrahlte.
Pulgar mit Sor Gregoria
Der Noble Guzman aus der Gesellschaft von Sevilla war der beeindruckende Spinto-Tenor José Luis Sola, der starke Akzente setzte. Der Chronist und Schriftsteller Pulgar, interpretiert von Federico Fioro, in Wien geboren, brachte einen interessanten Countertenor mit viel Lyrik und Wohlklang in das Geschehen ein.
Susona stirbt
Marina Pardo als Sor Gregoria mit ihrem klangvollen Mezzo wie Andrés Merino als staatlicher Assistent von Sevilla, an den Guzman Susona und die Juden verrät, sind sehr gute Besetzungen. Man merkte auch enorme Probenqualität. Alles passte sehr gut zusammen und bescherte dem Stück einen großen Erfolg, auch beim Premierenpublikum. Ein denkwürdiger Abend, ebenso wie die Reprise!
Fotos: Guillermo Mendo 5-9, 11-12; K. Billand 1-4, 10
Klaus Billand