SOFIA: „Lakmé“ - 23. März 2018

Brahmanische Exotik und indische Kolonialisationsrealität…

Diana Vasileva als Lakmé

Diana Vasileva als Lakmé

Im vergangenen Sommer konnte ich die Inszenierung von Léo Delibes‘ „Lakmé“ im open air Theater in der mystischen Umgebung der Belogradchick Rocks im äußersten Nordwesten Bulgariens erleben. Der Regisseur und Generaldirektor der Sofia Oper und Ballett, Acad. Plamen Kartaloff, hatte die Produktion in leicht angepasster Form dorthin mitgenommen. Da ich damals etwas ausführlicher über die Inszenierung schrieb (Merker 08-09/2017), soll hier nur kurz darauf eingegangen werden. Wir sehen relativ einfach gehaltene Bühnenaufbauten von Miodrag Tabacki, der einen aus wenigen Elementen zusammengesetzten Brahmanen-Tempel auf die Bühne gestellt hat, welcher von einer goldenen Ganesh-Figur gekrönt wird. Hier betet Lakmé in Momenten der Not zu ihren indischen Göttern. Hier oben verwundet Nilakantha auch Gerald tödlich, nachdem seine Männer den jungen Engländer in eine Falle gelockt haben.

Schlussapplaus

Schlussapplaus

Vor dem Tempel findet neben den Massenszenen, die von Maya Shopova lebhaft choreografiert wurden, auch ein bemerkenswertes Ballett aus zunächst vier Balletteusen, dann drei und schließlich der Solotänzerin Katerina Petrova statt. Die Tänzerinnen und dann auch die Tänzer bezeugten einmal mehr, welch erstklassige Ballett-Kompagnie die Sofia Oper und Ballett hat. Bei den klassischen Kostümen von Angelina Atlagic herrschte Weiß bei den Brahmanen vor, großer Farbenreichtum beim Volk und das typische Beige der Kolonialuniformen bei den Engländern. Wenn sie nur auf die zu offensichtlich angeklebten und stereotypen Bärte der Brahmanen verzichtet hätte! Der Lichtdesigner Sasho Bekafigo schuf für alles eine stimmungsvolle Beleuchtung, die gerade auch im Schlussbild passende Eindrücke eines exotischen Waldes auf den Bühnenaufbauten suggerierte. In diesem Versteck versucht Lakmé ja Gerald gesund zu pflegen. Kartaloff legte wie immer viel Wert auf eine die jeweilige Aktion und Stimmung wieder gebende Personenregie, sodass die Produktion sehr lebhaft wirkte. Gleichwohl wurde Momenten wie der Blumenarie und der Glöckchenarie Lakmés sowohl szenisch wie auch dramaturgisch kontemplative Intensität verliehen.

Schlussapplaus mit Francesco Rosa

Schlussapplaus mit Francesco Rosa

Biser Georgiev sang mit seinem gut geführten Bassbariton einen kraft- und ausdrucksvollen Nilakantha mit der für den Führer der Brahmanen erforderlichen Autorität. Georgiev ist auch ein guter Alberich im Sofioter „Ring“ und wird diesen im kommenden Mai bei einem „Ring“-Gastspiel der Sofia Oper im Bolschoi Theater Moskau singen. Wie schon im Sommer sang Diana Vasileva die Lakmé mit großer stimmlicher Variabilität und bemerkenswertem darstellerischem Ausdruck. Sowohl die Blumenarie wie die schwierige Glöckchenarie gelangen gut, wenn hier und da bei den Spitzentönen auch leichte Schärfen zu hören waren. Diana Genova war eine Mallika mit klangvollem Mezzosopran. Nicht ganz überzeugen konnte Georgi Sultanov als Gerald mit einem nach oben geschlossen klingenden Tenor, der sich auch vom Timbre her nicht mit jenem von Daniel Ostretsov vom Sommer in Belogradchick Rocks messen konnte. Außerdem strahlte er kein Charisma aus, das doch gerade bei dieser Rolle so wesentlich ist. Atanas Mladenov hatte als Frederik diesmal leichte Probleme mit einigen Höhen, konnte aber mir seinem guten Bariton auch darstellerisch voll überzeugen. Elena Stoyanova sang eine solide Ellen und Silvana Pravcheva eine Rose mit schönem Sopran, aber einem leichtem Tremolo. Miroslav Andreev war ein überaus serviler Hadji. Rumyana Petrova als Mistress Bentson, Slavi Manov als Chinesischer Händler, Vanio Dimitrov als Wahrsager und Kiril Stoyanov als Dieb waren ansprechend in den Nebenrollen besetzt.

Nationaloper Sofia

Nationaloper Sofia

Die musikalische Seite war an diesem Abend etwas problematisch. Dem Dirigenten Francesco Rosa geriet mit dem Orchester der Sofia Oper und Ballett einfach vieles zu laut, und nicht immer schien die Balance zwischen dem Graben und dem Geschehen auf der Bühne zu stimmen. Wie so oft in Sofia, meinte es der Schlagwerker wieder einmal zu gut mit seiner Pauke. Auch der wie immer von Violeta Dimitrova einstudierte Chor neigte des Öfteren zu allzu großer Lautstärke. Diese Wahrnehmung mag eventuell auch am Platz in der Mitte der siebten Reihe gelegen haben. Am Vorabend bei der Premiere von „Yana’s Nine Brothers“ ging es aber nicht ganz so laut zu. Somit gerieten die ruhigeren Passagen des Stücks, wie die großen Arien, zu den besseren musikalischen Momenten.

Fotos: Klaus Billand

Klaus Billand

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