Madrid/Teatro Real: Flamenco Real - 4. März 2021

Disziplin und Technik mit künstlerischer Phantasie und Emotion – das ist Flamenco!

Iván Vargas

Iván Vargas

Während der normalen Saison gibt das Teatro Real manchmal Sondervostellungen mit dem Titel „Flamenco Real“ in einem seiner Festsäle. Dazu wird dann auch ein edler Imbiss sowie Wein („È vin di Spagna.“ – man denkt sofort an Scarpia…) gereicht, eher eine Angelegenheit guter Unterhaltung. Aber eben in der spanischen Metropole auch von ganz besonderer Qualität. Denn die Leute, die hier mit Flamenco-Darbietungen auftreten, gehören zu den besten des Landes und der ganzen Welt. Das schien auch dem Nicht-Kenner an diesem Abend so zu sein.

Eine Gruppe von Flamenco-Künstlern spielte den sogenannten „Flamenco de Raíz“, eine Show, die aus eigenen Choreografien der Maestros Manolete und Juan Andrés Maya zusammengestellt ist. Dabei vereinen sich zwei Generationen des Tanzes und Gesangs, wobei Granada und die Basis des Flamenco, der mythische Stadtteil Sacromonte, der argumentative rote Faden ist. Es handelt sich um eine emotionale Show mit vielen Facetten, in der sich die Künstler an die Meister erinnern, die ihre Karriere im Laufe der Zeit geprägt haben.

Iván Vargas und Luis Moreno re.

Iván Vargas und Luis Moreno re.

Am eindrucksvollsten erschienen mir Iván Vargas als Tänzer, Kiki Morente als Sänger und Luis Mariano als Gitarrist. Vargas wurde 1986 im Stadtteil Sacromonte in Granada geboren, im sogenannten „Rocío“, der Heimstatt einer der großen Flamenco-Dynastien, der Maya. Er absolvierte sein Flamenco-Studium im Centre de Artes Escénicas „Mario Maya“. Schon mit acht Jahren begann an der Seite großer Meister Flamenco zu tanzen und hat sich über die Jahre Wissen, Technik und Disziplin angeeignet, die ihm heute einen hochprofessionellen und auch ganz persönlichen Tanz-Stil ermöglichen. Er trat bei der Biennale von Sevilla 1992 auf und arbeitete mit der berühmten katalanischen Künstlertruppe La Fura dels Baus beim Stück „Muerte en Granada“ zusammen. Vargas hat auch eine eigene Flamenco-Kompagnie.

Iván Vargas

Iván Vargas

Er tanzte zum Gesang des eingeladenen Sängers Kiki Morente, ebenfalls aus Granada, wo auch er, 1989 geboren, aus einer mit dem Flamenco befassten Familie stammt. Der Vater war ebenfalls Sänger und die Mutter Tänzerin. Morente tritt weltweit auf Flamenco-Festivals auf und entwickelt seit 2010 eine Solokarriere. Wie die beiden miteinander an diesem Abend harmonierten, das war einzigartig sind die beste Beschreibung dessen, was Vargas an Tanzschritten und wahren Schritt-Kaskaden in bisweilen rasendem Tempo auf den Punkt genau mit knallhart den Ton angebenden Absätzen auf die Bühne zaubert. Und das in perfekter harmonischer Abstimmung mit dem herrlichen Gesang Morentes. Dieser Flamenco wirkte auf mich wie ein intensiver Ausdruckstanz, mit dem etwas gesagt werden will, wie in der Oper der Sänger mit dem Orchester etwas ausdrückt. Hier herrschen Rhythmus, Dynamik, Mimik und Körpergefühl vor, und der Gesang ist von bestechender Intensität durch seine dezidierte Betonung einzelner Phrasen und die Zurücknahme anderer.

Iván Vargas

Iván Vargas

Aber es gehörte noch ein Akteur zum künstlerischen Gesamteindruck dieser beiden. Und das war der ganz bescheiden und unscheinbar, ja fast introvertiert auf einem Stuhl am Bühnenhintergrund sitzende Gitarrist Luis Mariano. Er stammt, wie sollte es anders sein, ebenfalls aus Granada und ist wie die anderen im dichten Dunst der Flamenco-Besessenheit der jungen Gitarristen Granadas groß geworden. Mariano gewann auch zwei nationale Preise im Gitarrenspielen, den Ersten Preis „Uva de Oro“ für den besten Gitarristen des Jahres 2006 und eine spezielle Erwähnung in einem anderen Wettbewerb. Er feuerte mit seinen Rhythmen den Tänzer Vargas an und begleitete mit bisweilen sublimen Tönen den Gesang Kiki Morentes, zu dem sich später noch Joni Cortés als weiterer Sänger gesellte. *Miguel Rodriguez Hernández sorgte für die entsprechende Perkussion. Beiden stammen ebenfalls aus Granada, Joni aus einer Flamenco-Familie, in der er schon mit 15 seine ersten Auftritte hatte.

Iván Vargas mit Kiki Morente

Iván Vargas mit Kiki Morente

Natürlich gaben alle auch Solo-Auftritte, wobei Luis Mariano mit seiner bis ins Extreme und sich fast überschlagender Rhythmik gespielten Gitarre das ohnehin emotional von Beginn an mitgehende und überwiegend junge Publikum fast von den Sitzen riss. Aber auch die Tanz-Soli von Iván Vargas hatten es in sich. Sie waren im Prinzip der Kern der Show, deren Chef er auch war, und machten die Abwesenheit der aus den Touristenshows gewohnten Damen mit ihren bunten Kostümen fast vergessen. Das Publikum forderte und bekam mehrere Zugaben. Ein Abend der besonderen Art mit einem einzigen Makel: In Andalusien mag es noch hitziger und authentischer zugehen. Auf nach Granada!

Fotos: Juanlu Vela

Klaus Billand