Bad Lauchstädt: Ring in 100 Minuten - 22. Juni 2022

Für „Ring“-Einsteiger empfehlenswert!

Goethe Theater Bad Lauchstädt

Goethe Theater Bad Lauchstädt

Jasmin Solfaghari, gebürtige Freiburgerin mit ihren ersten sechs Lebensjahren in Teheran, absolvierte ihr Regie-Studium bei Götz Friedrich in Hamburg und war als Spielleiterin an der Hamburgischen Staatsoper und als Oberspielleiterin in Bremerhaven sowie an der Deutschen Oper Berlin tätig. Sie hat sich neben ihrer regen Regietätigkeit dem Werben um ein neues und vor allem junges Publikum für die Kunstform Oper verschrieben. So brachte sie 2020 einen lesenswerten „Opera Guide for Beginners“ heraus mit dem Untertitel „The Marriage of Figaro, The Freeshooter, The Ring of the Nibelung“, der nicht nur Einsteigern, die heute mehr als je zuvor benötigt werden, interessante Aspekte der Oper vor Augen führen.

Goethe Theater Innen

Goethe Theater Innen

Als Jury-Vorsitzende des Richard-Wagner-Nachwuchspreises und Lehrende liegt Solfaghari aber auch die szenisch-musikalische Entwicklung von Preisträgern und Stipendiaten am Herzen. 2013 erhielt sie vom Rundfunksymphonieorchester Berlin den Auftrag, eine Kurzfassung des „Ring des Nibelungen“ zu schreiben. Sie erlebte ein Jahr später im Atze Musiktheater in Berlin-Moabit unter der musikalischen Leitung von Heiko Matthias Förster ihre Uraufführung, mit 100 Minuten aus Wagners „Ring“. Jasmin Solfaghari zeichnet für Fassung, Text, Inszenierung und Ausstattung der Produktion verantwortlich.

Das Rheingold

Das Rheingold

Der Richard-Wagner-Verband Leipzig und die Oper Leipzig präsentierten nun Solfagharis „Ring in 100 Minuten“ an äußerst traditionsreicher Stätte, und zwar im Goethe-Theater in Bad Lauchstädt südlich von Halle in Sachsen-Anhalt. Heinrich Bethmann, der 61järige Direktor der Magdeburger Theatergesellschaft, gastierte mit seinem Ensemble 1834 in Bad Lauchstädt und suchte einen Musikdirektor. Der erst 21jährige Wagner nahm die Stelle sofort an, wollte aber gleich wieder abreisen, nachdem er hier den „Din Giovanni“ dirigiert hatte. Er war angewidert vom heruntergekommenen Zustand des Direktors. Allein, er blieb, denn in Bad Lauchstädt lernte er seine spätere erste Frau Minna Planer kennen! Wie so oft hatte das Schlechte also auch etwas Gutes!

Das Rheingold

Das Rheingold

Der Titel „Der Ring in 100 Minuten“ stammt aus der ersten Produktion in Berlin und war griffiger als 120 Minuten, die er nahezu tatsächlich dauerte, weil mit 100 Minuten nur die musikalischen Ausschnitte gemeint sind. Darüberhineus gab es den von Solfaghari erfundenen Erzähler LUNA vom Mond, an diesem Abend Karsten Münster, der eine kurze Einführung gibt und immer wieder in die Szene zu weiteren Erläuterungen der Handlung tritt. Dies immer wieder auch mit humoristischen Akzenten, was dann natürlich an den berühmten „Ring an einem Abend“ von Vicco von Bülow alias Loriot erinnert.

Die Walküre

Die Walküre

Es wurden nur wenige Proben angesetzt, sodass die szenisch-musikalische Einstudierung zum „Schnellkurs in Sachen Ring“ wurde. Dabei trafen ganz junge Stipendiaten auf solche, deren Erfolge schon ein paar Jahre zurück liegen und die zum Teil auch schon reguläre Opernauftritte absolvieren – ein schöner Aspekt, um schon früh gemachte Erfahrungen weiterzugeben.

Brünnhilde in der Walküre

Brünnhilde in der Walküre

Die Musik kam von zwei ganz ausgezeichneten jungen Pianisten an zwei Flügeln, Minsang Cho und Tackyoung Chung aus Südkorea. Minsang Cho ist Dirigent und Korrepetitor und seit der Saison 2021/22 Solorepetitor an der Staatsoperette Dresden. Tackyoung Chung ist seit 2021 Solorepetitor an der Oper Leipzig und wird ab der Saison 2022/23 Pianist im Opernstudio der Bayerischen Staatsoper in München sein. Beide spielten diese „Ring“- Ausschnitte mit Bravour unter der musikalischen Leitung von Justus Thorau vom Saarländischen Staatstheater Saarbrücken und bewiesen eine gute Kenntnis der jeweiligen Aussage der Musik – eine ganz ausgezeichnete Leistung!

Siegfried

Siegfried

Unter den Sängern stachen vor allem die Brünnhilde von Agnes Selma Weiland, die schon große Rollen bei den Tiroler Festspielen Erl gesungen hat; die Sieglinde und Gutrune von Jieun Choi; die Fricka, Flosshilde und Erda von Anna Neufeld; sowie der Mime und Loge von Paul Kaufmann hervor. Schon das „Hojotoho“ von Weiland ließ aufhorchen, und im weiteren Verlauf sang sie die Partie mit einem kraftvollen jugendlich-dramatischen Sopran und Top-Höhen. Man hätte sich gern von ihr einen längeren Schlussgesang in der „Götterdämmerung“ gewünscht. Jieun Choi sang eine klangschöne, ebenfalls total höhensichere und sehr engagierte Sieglinde und könnte diese Rolle in ein paar Jahren gut in ihr Repertoire aufnehmen.

Siegfried

Siegfried

Die Gutrune war ebenfalls auf hohem Niveau. Anna Neufeld bestach schon gleich im ersten Bild der Rheintöchter-Szene mit ihrem profunden Mezzo als Flosshilde und konnte den guten Anfangseindruck mit einer artikulierten Fricka später vertiefen. Auch ihr Erda-Auftritt war entsprechend gut. Paul Kaufmann hatte als Mime und Loge wohl die größten Verwandlungen zu vollziehen und beeindruckte schon als Mime mit seiner Kunst als überzeugender Sängerdarsteller mit gutem Charaktertenor.

Götterdämmerung

Götterdämmerung

Elisabeth Rauch sang die Woglinde und den Waldvogel mit einem klangschönen lyrischen Sopran, und Madeline Cain war eine gute Wellgunde und Freia. Marek Reichert machte als Alberich, Fasolt und Gunther seine Sache gut. Christopher Heinrich bewies mit seinem Fafner, Hunding und Hagen großes Potential bei beachtlichem Volumen für die „Ring“-Bässe. Seiner Stimme fehlt es aber noch an Farbe und Phrasierungskunst.

Götterdämmerung

Götterdämmerung

Ji-Su Park gab den Wotan mit darstellerischer Ruhe und Souveränität, aber mit einem noch etwas farblosen Bassbariton. Hier kann sicher gut weiter gearbeitet werden. Benjamin Werth schließlich war Siegmund und Siegfried und konnte vom Timbre und einer unausgeglichenen Stimmführung her nur bedingt überzeugen. Sein Tenor klang etwas beschlagen, war aber eindrucksvoll fähig, regelrechte Stentor-Höhen zu singen! Werth hat sicher das Potenztal für eine weitere Nuancierung seiner vokalen Leistung.

Brünnhilde mit Siegfried (rechts) beim Schlussapplaus

Brünnhilde mit Siegfried (rechts) beim Schlussapplaus

Die Inszenierung arbeitete mit wenigen szenischen Mitteln und Metaphern sowie mit guten Farbspielen im Hinblick auf die jeweiligen Szenen (Beleuchtung Jens Gratzke, Videos Jens Gelbhaar und Emanuel Ramin Funck). So herrscht Blau im Rheingold vor, man sieht entfernt Walhall auf „wolkiger Höh‘“, Wotan stößt das Schwert in den Bühnenrahmen, wo Siegmund es später herauszieht. Brünnhilde setzt sich zum rötlichen Feuerzauber auf einen Schemel und dreht einen japanischen Sonnenschirm in Rot, ein netter Einfall. Wenige Utensilien kommen zum Einsatz, ein kleiner Arbeitstisch für Mime im „Siegfried“, und Wotans Speer darf natürlich ebenso wenig fehlen wie Siegfrieds Nothung. Die einschlägigen Morde werden im Off getätigt, bis auf den an Siegfried, wohl um Kinderfreiheit zu gewährleisten…

Schlussapplaus mit Regisseurin, Pianisten und Dirigent

Schlussapplaus mit Regisseurin, Pianisten und Dirigent

So waren es kurzweilige immerhin zwei Stunden ohne Pause mit Wagner und seinem „Ring“. Die Zahl der Zwischenkommentare von Luna könnte man vielleicht etwas reduzieren angesichts der durch die Handlung und die Wortdeutlichkeit der Sänger ohnehin leicht nachvollziehbaren Handlung und das wunderbare Klavierspiel der Pianisten. Manchmal hätte also lieber mehr Musik und Gesang gehört als Worte, aber das mag nur ein persönlicher Eindruck sein. Das Publikum im altehrwürdigen Goethe-Theater war begeistert und spendete allen Akteuren herzlichen und lang anhaltenden Beifall. Sogar der Vorsitzende vom Richard- Wagner-Verband International e.V., Rainer Fineske, war angereist.

Fotos: Detlef Kurth 3-10; K. Billand 1-2, 11-12

Klaus Billand

Der Ring des Nibelungen

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