Klagenfurt/Stadttheater: Die Walküre NI - 29. September 2021

„Die Walküre“ in regionaler Alpen-Ästhetik

Siegmund und Sieglinde vor Hundings "Hütte"

Siegmund und Sieglinde vor Hundings "Hütte"

Man ist zunächst etwas überrascht. Das relativ kleine Stadttheater Klagenfurt, ein Mehrspartenhaus im schönen Kärnten, wagt sich an Richard Wagners „Ring des Nibelungen“. Einmal mehr zeigt sich aber hier, wozu solche Häuser fähig sind, wenn das Top-Management neu besetzt wird. Aron Stiehl, ein ausgewiesener Götz Friedrich-Schüler, ist seit der Saison 2020/21 Intendant in Klagenfurt und der Australier Nicolas Milton seit 2020/21 Chefdirigent des Stadttheaters Klagenfurt. So kann man sich „zu neuen Taten“ begeben und Neues und Längerfristiges schmieden, also auch Wagners „Ring“. Man wählte die bewährte Strategie, mit der „Walküre“ zu beginnen, wohl um das Publikum gleich von Beginn an für die Tetralogie einzunehmen.

Auf Walhall im 2. Aufzug

Auf Walhall im 2. Aufzug

Aron Stiehl inszeniert selbst und siedelt „Die Walküre“ mit Okarina Peter und Timo Dentler als Bühnen- und Kostümbildner mit symbolischem Bezug auf die Kärntner Bergwelt an. Zumindest lassen die Bilder erhebliche Assoziationen zur gewohnten Kärntner Topographie und ihrer Erschließung zu. Die Seilbahn, deren Tal-Mast neben Hundings allerdings zu klein geratener Hütte steht – was durchaus zu Missverständnissen bezüglich ihres Verwendungszwecks führen kann – und die ihre Bergstation im 2. Aufzug im mondänen Walhall vor einem schneebedeckten Hochgebirge hat, könnte sehr gut vom Maltatal auf die Ankogelgruppe im nordwestlichen Kärnten führen. Stiehl will mit seiner Inszenierung auch das Verhältnis von Mensch und Natur hinterfragen.

"Das Ende"...

"Das Ende"...

Im 3. Aufzug entsorgen die Walküren die Leichen der tapferen Helden in die Behälter eines „Skilifts“, von denen sie auf der Hinterbühne nach Walhall gelangen. Wotans Macht wird nicht nur durch die imposante Bergwelt, die bei seinem verzweifelten „Das Ende“ ebenso verschwindet wie die Gondel, mit der Fricka heraufkam, aus der Halterung bricht, sondern auch durch einen gewaltigen Tisch symbolisiert. Hier wird Weltpolitik gemacht! Leider nimmt Stiehl der Figur die Wirkung, wenn Wotan bei formaleren Aktionen immer eine Schiebermütze aufsetzen muss, mit der er wie ein Zugschaffner wirkt, wenn sich nicht noch andere, unpassendere Assoziationen einstellen – schade! Am Schluss gibt es dafür einen schönen Feuerzauber, während der originalgetreue Wonne-Mond im 1. Aufzug zu tief in den Tannen hängt…

Nach dem Kampf

Nach dem Kampf

Die Personenregie ist ausgezeichnet. Überaus gelungen und emotional berührend inszeniert Stiehl den Kampf am Schluss des 2. Aufzugs, der auch großen Häusern nur selten so überzeugend gelingt. Tatsächlich zerspringt Siegmunds Schwert Nothung an Wotans Speer ganz authentisch, und fast ungewollt wirft Wotan seinen Sohn im Gefecht in die stehende Lanze Hundings, der selbst überrascht ist. Wie Siegmund dann von seinem Vater – ihn in seinen letzten Atemzügen nach länger Suche erkennend – Abschied nimmt, das war überwältigend! Das habe ich nur noch bei Patrice Chéreau 1976 in Bayreuth so erlebt, der ja diese Idee als erster hatte.

Wotan mit Brünnhilde 3. Aufzug

Wotan mit Brünnhilde 3. Aufzug

Nancy Weißbach kann in der Titelrolle begeistern, nicht nur durch ihren dramatischen und auf jeder Note wohlklingenden Sopran, sondern auch durch ihr engagiertes Spiel, gute Mimik und Diktion. Markus Marquardt ist ein ausgezeichneter Wotan mit einem kräftigen, ausdrucksstarken, aber dennoch sehr weich angelegten Bassbariton und darstellerischer Souveränität, wenngleich er etwas mehr aus sich herauskommen könnte.

Feuerzauber

Feuerzauber

Martina Welschenbach überrascht als mädchenhafte Sieglinde mit einem im Laufe des Abends immer intensiver werdenden jugendlich dramatischen Sopran und emphatischer Rolleninterpretation. Julian Hubbard kann als kämpferischer und wortdeutlicher Siegmund durchaus für sich einnehmen. Er muss seinen Tenor, der allzu wenig Resonanz aufweist, aber immer wieder zu sehr forcieren, um auch vokal überzeugen zu können. Rafael Pawnuk hingegen hat als gefährlicher Hunding diese Resonanz mit einem klangvollen Bass. Er wird von zwei üblen, jederzeit zu Gräueltaten bereiten Gesellen begleitet. Ksenïa Vyaznikova ist eine keifende Fricka und enttäuscht stimmlich fast völlig. Ihr Mezzo klingt brüchig, ist unsauber geführt und weißt immer wieder Vokalverfälschungen auf. Hinzu kommt ein bisweilen nasaler Stimmansatz, wobei der Vortrag immer wieder in Sprechgesang abgleitet. Das Walküren-Oktett ist mit Meredith Bloomfield (Gerhilde), Sarah Gilford (Ortlinde), Veronika Dünser (Schwertleite), Franziska Giesemann (Helmwige), Ivana Djokovic (Siegrune), Larissa Gabshiy (Grimgerde) und Olena Pruscha (Rossweiße) weitgehend gut besetzt.

Schlussapplaus

Schlussapplaus

Nicholas Melton findet mit dem Kärntner Sinfonieorchester zu einem musikalisch ansprechenden „Ring“-Auftakt. Er weiß die Höhepunkte gut zu setzen und findet auch leise Töne für die kontemplativen Momente wie im Zwiegespräch von Wotan und Brünnhilde im 3. Aufzug. Der Feuerzauber gelingt nicht nur optisch, sondern auch musikalisch sehr bewegend. Mit einer Fortsetzung dieser außergewöhnlichen Leistung des Kärntner Sinfonieorchesters, das noch keine große Wagner-Erfahrung hat, ist unter seinem neuen Chefdirigenten ein guter „Siegfried“ in der kommenden Saison zu erwarten.

Fotos: Arnold Pischl 1-6 (Brünnhilde and. Bes.); K. Billand 7

Klaus Billand

Der Ring des Nibelungen

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