Mailand/Teatro alla Scala: Das Rheingold - Premiere 28. Oktober 2024

Zurück zum Märchen, aber gut!

Der mit Spannung erwartete neue “Ring des Nibelungen” an der Scala di Milano noch in der Amtszeit von Dominique Meyer in der Inszenierung von David McVicar begann mit einem “Rheingold”, das uns zurück in die Zeit der Märchen und den ja auch von Richard Wagner postulierten Beginn der Welt führt. Große Archaik und Symbolik sind Trumpf und regen trotz oder gerade wegen der Absage an jegliche regietheatralische Neu-Deutungsbemühung zu grundsätzlichem Nachdenken an.

Es gibt eindrucksvolle und von David Finn mystisch ausgeleuchtete Bilder zu sehen, die in etwa in die Zeit des abstrakten Naturalismus von Wieland Wagner führen, der ja lange Jahre als Referenz für die Inszenierungsästhetik der Tetralogie Bestand hatte und damit auch Bayreuth die Führerschaft in der Wagner-Interpretation gab. Angesichts der Aufeinanderfolge dieser also durchaus als traditionell zu bezeichnenden Inszenierung mit der „klassisch“ regietheatralischen von Tobias Kratzer an der Bayerischen Staatsoper München und den entsprechenden Kritiken konnte man sehr gut feststellen, wie stark wir uns bereits in der Wagner-Rezeption im deutschsprachigen Raum vom für Wagner so bedeutsamen und entscheidenden Mythos für eine werkadäquate Sicht auf den „Ring“ entfernt haben. Stattdessen erleben wir immer „neue“ Neudeutungen und gar „Überschreibungen“ dieses zentralen Universalwerks der Opernliteratur und frönen immer mehr einer plakativen zeitgenössischen Lesart. Diese neigt oft bereits zu einem Eventcharakter mit entsprechenden Oberflächlichkeiten, welche die wahre Tiefe der Tetralogie – insbesondere in engem Zusammenwirken mit der Musik und ihren Leitmotiven – kaum noch auszuloten vermag.

Mit der Mailänder Produktion wird dem direkten Zusammenhang von Bild, Aktion und Musik im Sinne des Wagnerschen Gesamtkunstwerk-Gedankens wieder Genüge getan. Der Inszenierung hätte es allerdings besser angestanden, wenn die Protagonisten nicht in viel zu dicke und fast jede Bewegung behindernde Kostüme gesteckt worden wären. Hier versagte dann auch die Personenregie, die dieses „Rheingold“ wesentlich belebt hätte.

Dafür gab es einen eindrucksvollen riesigen Totenschädel aus Gold in Nibelheim und das Gold in Form einer Kopfhaube eines fast nackten Jünglings, der bei den Rufen der Rheintöchter im Finale gepeinigt und blutüberströmt als Mahnung erschien. Die Scala schafft damit einen ernst zu nehmenden Gegenpol zum nördlich der Alpen gerade in “Ring”-Inszenierungen grassierenden Regisseurstheater.

Sängerisch befand sich mit Michael Volle als Wotan, Okka von der Damerau als Fricka, Andrè Schuen als Donner, Wolfgang Ablinger-Sperrhacke als Mime, Jongmin Park und Ain Anger als Fasolt und Fafner sowie Christa Mayer als Erda ein Ensemble mit Weltklasse-Niveau auf der Bühne. Ólafur Sigurdarson fiel als Alberich etwas ab, Norbert Ernst als Loge vokal noch mehr.

Simone Young dirigierte den Vorabend anstelle des wegen Erkrankung verhinderten Christian Thielemann mit ihrer großen Wagnererfahrung und sorgsamer Ausdeutung der Bedeutung von Aktion und Leitmotiven, wobei ihr das Orchestra des Teatro alla Scala nicht immer ganz folgen konnte. Das war am Abend darauf mit dem „Rosenkavalier“ unter Kirill Petrenko ganz anders.

Fotos: Brescia e Amisano 1-6; K. Billand 7

Klaus Billand

Der Ring des Nibelungen

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