Scala di Milano: Die Walküre Premiere 5. Februar 2025
Kompetente Verwirklichung des Mythos

Mit allgemeiner Begeisterung wurde die Premiere der „Walküre“ als Fortführung des Wagnerschen „Ring des Nibelungen“ in der Regie von David McVicar an der Scala di Milano aufgenommen. Der Regisseur beeindruckte mit einer intensiven Personenregie, die damit ganz anders als im „Rheingold“ war. Nun gab es viel mehr Bewegung in den Figuren, und die Kostüme von Emma Kingsbury waren auch bewegungsfreundlicher. Vielleicht hatte man am Vorabend mit der Statik die Göttlichkeit der Charaktere hervorheben wollen.

Regisseur David McVicar nahm mit Hannah Postlethwaite wieder zu durchaus traditionell wirkenden Bühnenbildern Zuflucht, ohne dies keineswegs negativ konnotieren zu wollen. Die Szenerie war zum größten Teil sehr ansprechend und hob vor allem den Mythos des opus magnum Wagners gebührend hervor – der Mythos, der doch so entscheidend ist in der Interpretation des „Ring“. So wurde Brünnhilde im 3. Aufzug in einen auseinandergefahrenen Kopf ihrer Mutter Erda gebettet, auf einer Hand, die schon bei den Rheintöchtern am Vorabend zu sehen war – ein starkes Bild und auch eine Verbindung der beiden Abende! Und es gab am Ende auch einen ganz formidablen Feuerzauber.

Man hat wieder einmal gesehen, wie im Zusammenhang mit dem Dirigat der Wagner-erfahrenen Simone Young Bild, Gesang und Musik zusammenpassen, eben im Sinne des Gesamtkunstwerk-Gedankens des Komponisten. Die „Ring“-Musik ist nun einmal auf den mythologischen Kontext der Nibelungen-Saga zugeschnitten. Die in diesem Kontext besonders wichtige Beleuchtung von David Finn war im Prinzip gut, aber ein bisschen zu einseitig in oft zu dunklen Tönen gehalten.

Einen unkonventionellen Einfall erlaubte sich das Regieteam mit Grane und den Pferden der acht Walküren. Auf Pferden nachempfundenen Metallgestellen hüpften – im 3. Aufzug etwas übermotiviert – neun junge Männer auf der Bühne umher.

Klaus Florian Vogt sang Siegmund, eine Rolle, die eigentlich tiefer liegt als sein Tenor. Der Siegfried ist für ihn wohl die passendere Rolle, aber natürlich hat er das hier wieder sehr gut gemacht, auch darstellerisch mit perfekter Diktion. Elza van den Heever war eine kraftvolle Sieglinde, auch in ihrer großen Erscheinung, die Klaus Florian Vogt in jeder Hinsicht auf Augenhöhe begegnete. Günther Groissböck war ein Angst einflößender Hunding, schauspielerisch und stimmlich tadellos wie immer.

Michael Volle als souveräner Wotan hat die Rolle beeindruckend verinnerlicht. Großartige stimmliche Interpretation bei bester Mimik, auch wenn ein sich leicht andeutendes physisches Problem beim Gehen nicht völlig zu der vokalen Performance führte, die man an der Met in New York und an der Staatsoper Berlin bei deinem Wotan bewundern konnte. Okka von der Damerau war die erwartet persönlichkeitsstarke Fricka, die die Partie bei bester Technik mit ihrem hellen Mezzo sang und Wotan nachvollziehbar in die Knie zwang.

Camilla Nylund in der Titelrolle war aber dann doch der Star des Abends. Sie singt die Brünnhilde mit einer Klangschönheit bei optimaler Technik und vokaler Ausgewogenheit, dass man zum Schluss kommen muss, ihr den eigentlich widersprüchlichen Titel einer lyrisch-hochdramatischen Sängerin zu verleihen. Man ist zeitweise sprachlos, mit welcher Leichtigkeit sie die gesamte Phasierung lyrisch konzipiert und darauf eine vokale Durchschlagskraft entwickelt, die niemals die Gesangslinie verlässt. Mit ihrem leuchtenden Sopran ist Camilla Nylund derzeit einfach ein Wunder am Wagnerschen Brünnhilden-Himmel. Ihre acht Schwestern waren bis auf zwei und vor allem im Ensemble sehr gut.

Simone Young am Pult des Orchestra del Teatro alla Scala hatte das Ensemble diesmal offenbar besser im Griff als beim „Rheingold“, obwohl man hier und da noch paar kleine Ungenauigkeiten hörte. Aber Wagner ist nun mal nicht der Mainstream an der Scala.

Vielleicht markiert die Interpretation der Tetralogie an der Mailänder Scala den Beginn eines Umdenkens in der Rezeption des Wagnerschen Musiktheaters, indem man sich wieder mehr auf die ursprüngliche Werkaussage fokussiert.

Ein solches bouncing back vom aus dem Ufer laufenden Regisseurs-Theater entspräche damit nicht zuletzt dem sich derzeit scheinbar auch ändernden gesellschaftspolitischen Trend.
Fotos: Brescia e Amisano
Youtube video podcast: https://www.youtube.com/watch?v=aeDGV7XJbm4&t=46s
Klaus Billand