WIEN - Bezirksmuseum Wieden: „Lohengrin für Eilige und Tannhäuser - kurz und gut“ - 11. und 12. April 2013
Lohengrin
Praktisch völlig unbemerkt vom Trubel um das Jahr des 200. Geburtstags von Richard Wagner feierte Ulrich Chmel im Bezirksmuseum Wieden mit seinem Mikro-Theater, dem Papiertheater, auf seine ganz spezielle und charmante Weise das Jubiläumsjahr des Bayreuther Meisters. Er führte seine beiden Stücke auf: „Lohengrin“ für Eilige, das mal gerade 40 Minuten dauert, und tags drauf „Tannhäuser“ kurz und gut, mit einer Spielzeit (ohne Pause, versteht sich…) von 45 Minuten! Wie Ulrich Chmel im Programmheft schildert, geht das Papiertheater auf eine längst vergangene Zeit zurück, als man zu Hause neben Hausmusik auch Papiertheater spielte. Verlage schickten ihre Zeichner mit dem Auftrag in die Opernhäuser und Theater, Bühnenbilder und Kostüme der Opern und Theaterstücke zu zeichnen. Daraus wurden Ausschneidebögen gestaltet, gedruckt und verlegt. So waren Familien im Biedermeier in der Lage, zu Hause kleine Theaterbühnen nach Anleitungen zu bauen und Theaterstücke nachzuspielen. Viele waren begeistert damit beschäftigt, die Papierfiguren und -kulissen auf Karton oder dünnes Sperrholz zu kleben und auszuschneiden. Manche zeichneten auch Figuren und Bühnenbilder selbst und verfassten eigene Texte zu den Stücken. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts geriet das Papiertheater langsam in Vergessenheit. Es gibt aber alle Jahre in Preetz bei Kiel ein Papiertheatertreffen, zu dem Papiertheaterspieler aus Europa und sogar den USA anreisen, um ihre Kunst zu zeigen.
Lohengrin
Und das, was Ulrich Chmel, der in seiner aktiven Zeit in der Wirtschaftskammer Österreich zuletzt als Fachverbandsgeschäftsführer tätig war, seit 2002 macht, ist wirklich eine Kunst, eine Kunst des Biedermeier. Seine Begeisterung dafür, und sie wird bei der Einführung des Publikums in die Technik seines Theaters offenbar, gewann er durch die Bekanntschaft mit dem großen Wiener Papiertheater-Sammler Dr. Herbert Zwiauer und die Papiertheater-Ausstellung im Österreichischen Museum für Volkskunde. Dass Chmel lange Jahre für die Neue Illustrierte Wochenschau als Karikaturist tätig war, Karikaturen in Fachzeitschriften wie die Österreichische Trafikantenzeitung und Filterlos verfasste und auch eine Reihe von Büchern und Broschüren illustrierte, kommt ihm bei seiner Passion, denn eine solche kann es nur sein, wenn man ihm zuhört, zugute. Nach anfänglichen Versuchen mit einem Weihnachtsspiel und einer Version des „Struwwelpeters“ startete er nach eigenen Angaben seine „Papiertheaterkarriere“ mit dem „Lohengrin“ für Eilige, den seit 2003 schon über 1.600 Menschen in über 70 Vorstellungen erlebt haben. Und dabei muss man bedenken, dass die wünschenswerte Theaterkapazität maximal etwa 25 Personen beträgt, da die Bühne recht klein ist und gerade mal eine Tiefe von 80 cm hat… Dadurch entsteht bei den Stücken aber auch der ganz intime Reiz dieses Kunsterlebnisses. Und Ulrich Chmel ist zu Recht stolz darauf, dass er „ein Publikum im Alter von 2 bis 98 Jahren“ anspricht.
Tannhäuser
Er hat alle Figuren für „Lohengrin“ und „Tannhäuser“ selbst gezeichnet und auch den Text mit vielen Originalzitaten aus dem Libretto Wagners verfasst. Die Gesangseinlagen, die bei „Lohengrin“ zu hören sind, stammen von alten Schellack-Originalaufnahmen aus dem Jahre 1929. Unter Hermann Weigert singen Fritz Wolff den Lohengrin und Beata Malkin die Elsa. Chor und Orchester stammen aus der DOB 1929, was auch mit den (mittlerweile natürlich abgelaufenen) Urherberrechten zusammen hängt. Im „Tannhäuser“ singen Maria Jeritza, George London, Heinrich Schlusnus, Ramon Vinaj und andere.
Tannhäuser
In einem stets mit einem Augenzwinkern versehenen Parforce-Ritt führt Chmel die angeregten Zuschauer durch die gesamte Handlung der beiden Opern jeweils in etwa einer dreiviertel Stunde. Man meint, dass einem kaum etwas entgangen ist, wenn man das bunte Treiben der kleinen Figuren bis ans Ende auf der Bühne verfolgt, die er verdeckt von der Seite mit langen Metalldrähten führt und in Einklang mit ihrem Gesang bzw. Reden bewegt. Das wirkt alles dramaturgisch durchdacht und lebendig, die guten Stimmen verleihen der kleinformatigen Aktion eine theatrale Erhabenheit, durch die das Ganze auch tatsächlich wie eine zwar kleine, aber komplette Oper wirkt, immer mit einem gewissen Lächeln bzw. dem im Leben so notwenigen Schuss Humor, den Chmel insbesondere durch die selbst verfassten Kommentare einbringt. Er versteht sein Publikum für die Sache zu animieren, ja einige regelrecht zu fesseln, und so entsteht eine angesichts des minimalen theatralischen Formats erstaunliche Konzentration auf das zu Sehende und für die, die das Stück nicht kennen, auch eine sichtbare Spannung auf seinen Ausgang.
Ulrich Chmel
Am Schluss zeigt Chmel allen Interessierten noch das Innenleben seines kleinen Theaters, das im backstage doch einige unerwartete technische Details und Raffinessen bereit hält. Allen an dieser liebenswerten Kleinkunst Interessierten sei ein Besuch seines Papiertheaters wärmstens empfohlen – im Herbst kommt „Carmen“. (www.papiertheater.at und blog: http://papiertheater.blogspot.co.at/).
Fotos: Klaus Billand
Klaus Billand