Bayreuth/Porzellanfabrik Walküre: Parsifal“Kammerfassung - 10. August 2014

Felix Bruder als Klingsor

Felix Bruder als Klingsor

An diesem 10. August begann nicht einmal 200 Meter oberhalb der altehrwürdigen Bayreuther Porzellanfabrik Walküre im Festspielhaus mit dem „Rheingold“ der zweite „Ring“-Zyklus der diesjährigen Bayreuther Festspiele. Dessen ungeachtet und ganz unbekümmert auf den Wert der eigenen Arbeit vertrauend führte „Operleben“, eine Off-Mainstream Theatertruppe (www.operleben.de) zur selben Stunde Wagners „Parsifal“ in einer dreistündigen Kammerfassung für vier Sänger, einen Sprecher und Klavier auf, wie schon zuvor am 7. und 9. August. Und man lag richtig: Alle drei Aufführungen in dem noch mit allerhand technischen Geräten versehenen alten Produktionsraum der Porzellanfabrik mit 70 einfachen Sitzplätzen waren ausverkauft – und das Publikum begeistert.

Ebenso

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Initiator von Operleben ist Felix Bruder, den der Gesang zu seiner Leidenschaft Oper führte, denn er war von 2001 bis 2008 Mitglied im a capella Ensemble FRACY. Seit 2009 wirkt er in Opernproduktionen mit, an vielfach recht unkonventionellen Orten, wie auch nun hier in seiner eigenen Produktion des „Parsifal“ als Amfortas und Klingsor. Bruders Vision und Ziel mit Operleben ist es, Sängern, Musikern und anderen Künstlern eine Plattform zu bieten, um einzigartige Werke zu interpretieren und sich selbst auszuprobieren, auch um große Rollen vorzubereiten und dabei ein Publikum zu haben. So lässt sich gleichzeitig Oper an ungewöhnlichen Orten und in ungewohnten Formen hautnah erleben, und die Mitwirkenden bekommen ein Feedback über ihre Leistungen vom jeweiligen Publikum. Ein gutes und interessantes Konzept!

F. Bruder als Amfortas 1. Aufzug

F. Bruder als Amfortas 1. Aufzug

Dazu gehören natürlich auch kompetente Mitstreiter. Und einen solchen fand Bruder bei seinem „Parsifal“-Projekt in dem erst 22(!)jährigen Marcus Merkel, der derzeit Dirigieren studiert und parallel als Dirigent, Komponist, Pianist und Sänger beschäftigt ist. Preisträger mehrerer Wettbewerbe für Klavier, Gesang und Komposition, gewann er u.a. viermal den Bundeswettbewerb Komposition und den Schülerkompositionswettbewerb der Berliner Philharmoniker. Merkel hat mittlerweile sogar ein eigenes Orchester gegründet, die „Junge Philharmonie Berlin“. Was der junge Pianist an diesem Abend bei dem bekanntermaßen nicht ganz leicht zu spielenden „Parsifal“ in drei Stunden mit zwei etwa 20 Minuten langen Pausen am Flügel vollbrachte, verlangte höchste Bewunderung. Er wusste das offenbar mit großer Werkkenntnis geschickt gekürzte Stück in einer musikalischen Intensität wiederzugeben, die nicht nur das Publikum begeisterte, sondern auch die Sänger zu intensivem sängerischem und darstellerischem Engagement anregte.

Markus Ahme als Parsifal 3. Aufzug

Markus Ahme als Parsifal 3. Aufzug

Nach dem Vorspiel tritt der Sprecher Valentin Olbrich auf, der als Kleindarsteller und Chormitglied regelmäßig auf den Bühnen des Maxim Gorki Theaters, des Deutschen Theaters Berlin, des Hans-Otto-Theaters Potsdam und der Komischen Oper Berlin steht. Er erzählt in weißem Anzug, ähnlich wie Gurnemanz – offenbar die unschuldige Gralskluft – mit eindringlichen Worten die Vorgeschichte und einen Teil der Handlung, sodass man gleich mitten ins Geschehen gelangt. Im 2. Aufzug gibt er bei Kundrys Kuss den wunden Amfortas als stumme Rolle – als Vision Parsifals. Eine junge Frau, die sich wenig später natürlich als Kundry herausstellt, irrt während der stark gekürzten Erzählungen des Gurnemanz mit einer Taschenlampe im „Gralsbezirk“ herum… Der noch blutjunge Österreicher Daniel Pannermayer ist für den Gurnemanz wohl noch zu jung. Sein kultivierter, gut geführter und wortdeutlicher Bass offenbart aber vielversprechendes Potenzial, mit dem er sich im Rahmen seines Studiums an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ von KS Roman Trekel betreuen lässt. 2010 war Pannermayer schon Sarastro und Sprecher bei den Opernfestspielen Bad Hall und trat 2011 als Colas in „Bastien und Bastienne“ im Stadttheater Wels auf. Darstellerisch könnte er noch etwas aktiver werden.

F. Bruder als Amfortas 3. Aufzug

F. Bruder als Amfortas 3. Aufzug

Abigail Dyer aus New Jersey, USA, brachte im 1. Aufzug die erste große Dramatik ins Spiel mit ihrem engagierten Auftritt als wilde Kundry, die aber offenbar unter immensen inneren Qualen leidet. Man erkennt bei ihr, die schon Rollen wie Sieglinde, Santuzza, die Hohepriesterin in „Aida“ und Mercédès in „Carmen“ gesungen hat, ein erhebliches Maß an professioneller Erfahrung. Im 2. Aufzug wirkt sie in ihrem bordeauxroten Abendkleid auch noch sehr verführerisch und spielt die Rolle der von Parsifal Zurückgestoßenen mit großer Emphase. Dyers Sopran ist kräftig und höhensicher, in der Mittellage flexibel und ausdrucksstark. Eine Sängerin mit ausgezeichnetem Potenzial! Das kann man auch von Felix Bruder sagen, der mit beeindruckender optischer Bühnenwirksamkeit als Amfortas im weißen Büßergewand im 1. Aufzug einen erschütternden Monolog singt und als Klingsor im 2. Aufzug mit einer ganz anderen, aber noch intensiveren schauspielerischen Leistung in einem aufregenden, orientalisch stilisierten und das Böse schlechthin ausdrückenden Kostüm an den alten Schaltkästen der Porzellan-Produktion und mit dem Gralsspeer sein Zauberwerk treibt. Bruder verfügt über ein markant viriles, wohlklingendes Timbre bei hoher Wortdeutlichkeit und große Musikalität. Sein kräftiger Bariton ist auch äußerst höhensicher. Er sollte etwas mehr auf rundere, resonantere Klanggebung achten, auf eine etwas bessere Phrasierung und bisweilen auch auf weniger Lautstärke, die bei der charaktervollen Stimme ohnehin nicht nötig ist. Da könnte ein Legato bisweilen viel wirksamer klingen.

Titurel im Finale 3. Aufzug

Titurel im Finale 3. Aufzug

Nun waren einige Stimmen für den doch relativ kleinen Raum schon zu groß und könnten in einem normalen Opernhaus ganz anders und angemessener klingen. Dazu gehört sicher auch der heldische Tenor von Markus Ahme, der schwere Rollen in seinem Fach schon an einigen Bühnen gesungen hat, wie den Max im „Freischütz“, Idomeneo, den Tambourmajor und den Florestan. Er gestaltete auch schon die Heldentenorpartie im „Ring an einem Abend“. In dieser Produktion interpretierte Ahme den Parsifal und überraschte zunächst mit einem zwar völlige Naivität ausdrückenden, aber doch allzu stark vom Rest der Besetzung abweichenden Kostüm: Er war als deutscher Mallorca-Billigurlauber gewissermaßen in Ballermann-Ästhetik zu sehen! Das änderte sich bald erfreulicherweise mit dem wachsenden Erkenntnisstand Parsifals. Ahme hatte mit seiner Rolle, ganz anders als in der Normalfassung, mit am meisten zu singen und nicht zuletzt wohl auch aufgrund der dicht aufeinander folgenden drei Aufführungen im Mittelaufzug leichte Ermüdungserscheinungen. Im 3. Aufzug fand er jedoch zu der stimmlichen Souveränität zurück, die er schon im ersten bewiesen hatte, auch mit einem berührenden Legato bei „Du weinest – sieh, es lacht die Aue“, sowie stets ausgefeilter und situationsbezogener Mimik bei stets emphatischem Vortrag.

Schlussapplaus

Schlussapplaus

Bei dieser guten und aussdrucksstarken Sängerriege spielte eigentlich die Inszenierung eine eher untergeordnete Rolle. Die gute Personenregie – die Sänger kamen oft durch das Publikum aus dem Hintergrund und wurden sehr detailliert geführt – die treffenden Einfälle zu bestimmten Situationen, die Einspielung großer Chorszenen aus dem Off (Solti-DECCA) und die wenigen, aber relevanten Requisiten führten auch theatralisch zu einer eindrucksvollen Aufführung, die einem die Geschichte von Parsifal und dem Gral mit der herrlichen Musik Richard Wagners in fast intimer Weise nahebrachte.

Pozellanfabrik Walküre

Pozellanfabrik Walküre

Konzept und Regie von Felix Bruder gingen voll auf. Dass die Zuschauernähe auch noch durch das gemeinsame Einnehmen der Kommunion dokumentiert werden musste, sei dahingestellt, änderte am Erfolg dieser guten Arbeit von Operleben aber nichts. Besser war da schon, dass der erlöste Amfortas zu den Schlusstakten als Normalbürger im Publikum Platz nahm…

Fotos: Tim Trosczka
Die letzten zwei: Klaus Billand

Klaus Billand

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