Sofia: Parsifal WA Wagner-Festival - 12. Juli 2019
Totale Einheit von Musik und Bild!
1. Aufzug
Das Sommer-Wagner-Festival an der Sofia Opera and Ballett unter der Leitung von Prof. Plamen Kartaloff, dem großen Initiator der Wagnerschen Spätwerke auf dem Balkan, ist im Juli mit Wiederaufnahmen von Tristan und Isolde sowie Parsifal in seine mittlerweile 7. Runde gegangen. Wieder kamen viele Gäste aus dem Ausland, so auch eine große Gruppe aus Großbritannien zum Parsifal. Der deutsche Dirigent Constantin Trinks konnte auch im Parsifal das Orchester der Sofia Oper zu unglaublicher musikalischer Sensitivität und Transparenz animieren, bei einem praktisch fehlerfreien und engagierten Vortrag. Der musikalische Teil war neben der einnehmenden und aus der Partitur erarbeiteten Inszenierung durch Kartaloff mit Abstand das Beste beider Abende.
1. Aufzug - der Gral
In seiner Inszenierung konnte der Regisseur belegen, dass man Wagners Abschlusswerk, wenn man es gut und richtig macht, auch heute immer noch weitgehend nach den Regieanweisungen inszenieren kann, ohne damit als altmodisch zu gelten. Hier wird eben einfach mit viel Herz und Liebe zum Stück vorgegangen. Allein schon, wie intensiv Parsifal im 3. Aufzug den Speer behandelt und kaum aus den Händen gibt, war ein – wenn auch nur dezenter – Beleg für die Wirkung dieses Regie-Konzepts. Nahezu genial ist aber Kartaloffs Idee, den Gral als bühnenhohe Kelch-Andeutung mit zwei konisch aufeinander zulaufenden Segmenten aus der einfachen Drehung dicker Seile zu formen. Im Finale sieht man statt der Seile mystisch wirkende Lichtsäulen, unter denen Parsifal als neuer Gralskönig mit vom geheilten Amfortas übergebener Krone und erhobenem Speer steht. Der neue Gralskönig – ja hier gibt es noch einen! – ist grell erleuchtet von den um ihn herum wie die Artus-Runde à la Wieland Wagner stehenden Rittern abgesetzt. Ein Schlussbild von berührender Seltenheit…
2. Aufzug - Parsifal und Kundry
Kostadin Andreev, optisch ein idealer Parsifal, sang mit seinem baritonal gefärbten Tenor nicht immer ganz auf Linie, bei jedoch emotional intensiver Darstellung der Titelrolle. Angel Hristov hat mit seinem prägnanten Bass bei guter Diktion eher eine Hagen-Stimme als die des vokal zumeist etwas samteneren Gurnemanz, was aber durchaus der bulgarischen Bass-Tradition entspricht. Gergana Rusekova war als Kundry in der Mittellage überzeugend, verlor in den Höhen aber stimmliche Klangfarbe. Die Verführung Parsifals auf einem bühnengroßen roten Kissen – wie ein riesiger Mund aussehend – gelang ihr sehr gut, zumal hier auch der Reifeunterschied beider Figuren erlebbar war. Biser Georgiev, altbewährter Alberich in Kartaloffs bulgarischem Ring, sang einen engagierten, auf der Bühne mit einer lasergesteuerten Verführungs-Versuchsanlage hantierenden Klingsor, finster wie immer in seinen Bösewicht-Rollen.
3. Aufzug - Parsifal zurück in Monsalvat
Der Beste des Abends war jedoch wieder einmal der noch immer recht junge Atanas Mladenov als Amfortas. Ein weiteres Mal ließ er seinen klangvollen Bassbariton bei bester Diktion und großem stimmlichem Ausdruck hören. Ein vielversprechendes Talent in Kartaloffs „Wagner-Kader“! Auch der wie immer von Violeta Dimitrova einstudierte Chor der Sofia Opera und Ballett war an beiden Abenden stimmstark und imposant.
3. Aufzug Finale - Gral und Speer vereint
Unter Constantin Trinks kam die so spezifisch erhabene Parsifal-Klang-Ästhetik zu voller Entfaltung mit seinem sensiblen und sängerfreundlichen Dirigat, aber auch bei seiner Akzentuierung dramatischer Momente. Mit dieser Leistung muss das Orchester der Sofia Oper keinen Vergleich mit ähnlich bedeutenden Orchestern in Westeuropa scheuen.
Fotos: Svetoslav Nikolov
Klaus Billand