Lübeck: Tristan und Isolde – Premiere 2. Februar 2025
Schlüssige Tragik in überzeugender Optik

Nach einer sehr ansprechenden „Tristan und Isolde“-Produktion vor zwölf Jahren setzte das Theater Lübeck nun seine beachtliche Pflege des Werkes von Richard Wagner mit einer Neuinszenierung seines opus summum fort. Regie führte Altmeister Stephen Lawless in Bühnenbild und Kostümen von Frank Philipp Schlößmann unter der musikalischen Leitung von GMD Stefan Vladar. Und wieder wurde es im dezenten und stets stimmungsvollen Licht von Falk Hampel eine sehr gute, ja streckenweise emotional stark einnehmende Produktion.

Schlicht und einfach auf die Ideen Wagners abstellend sah man in einen breiten Schiffsrumpf, nicht so voll gerümpelt wie jener in Bayreuth im letzten Jahr. Hier waren nur zwei Sessel für Tristan und Isolde und ein paar Umzugskisten zu sehen. Dafür wies der Rumpf in der Mitte einen großen Spalt auf, der sich öffnete oder schloss, je nachdem ob es auf der Bühne zu einer harmonischen Situation, also einer Annäherung zwischen Tristan und Isolde kam, oder diese Harmonie gestört war. Dann sah man einen großen Spalt, der sich nahezu bedrohlich öffnete! Das war's eigentlich schon mit der Optik, die mit einer ausgefeilten Personenregie verbunden wurde.

Das Sängerensemble wusste diese außerordentlich nachvollziehbar umzusetzen. Lena Kutzner debutierte als Isolde mit großer und klar artikulierter Spielfreude sehr authentisch mit ihrem klangvollen jugendlich-dramatischen Sopran. Ihr ebenbürtig debutierte Ric Furman als großer und stattlich aussehender Tristan, mit einem kraftvollen und höhensicheren Tenor und reizvoller baritonaler Unterlegung. Marlene Lichtenberg war nach ihrem Rollendebut in Glyndebourne 2024 ein echtes Erlebnis als Brangäne. Ihr bestens projizierender und kräftiger Mezzo hat in letzter Zeit noch an Potenz gewonnen. Darstellerisch verkörperte sie die Rolle mit einer so einnehmenden Mimik, als sei sie tatsächlich Brangäne. Sie sollte diese Rolle und andere nun bald auch an großen Häusern singen.

Rúni Brattaberg war als Marke schwer indisponiert und sang nur, um die Aufführung zu retten. Steffen Kubach war mit schönem Timbre und guter Resonanz ein auch darstellerisch ausdrucksstarker Kurwenal. Seine Interaktion mit Tristan im 3. Aufzug hatte sehr viel Emotion, wie überhaupt Stephen Lawless in seiner Inszenierung Emotionen relativ viel Freiraum ließ, was man im Regisseurs-Theater ja kaum noch sehen kann. So wandelt Brangäne bei ihrem ersten Ruf langsam, fast mystisch über die Bühne, während sich im Hintergrund Tristan und Isolde im Dunkel näherkommen. Der meist etwas peinlich wirkende Kampf am Schluss läuft teilweise als Schattenspiel nur im Hintergrund ab und erzielt damit sogar mehr Wirkung.

Stefan Vladar, der Lübecker GMD, dirigierte zum ersten Mal „Tristan und Isolde“ und wusste das Philharmonische Orchester der Hansestadt Lübeck zu einer ganz ausgezeichneten Leistung zu motivieren, die den Abend in Verbindung mit Bühnenbild und Gesang im Sinne des Wagnerschen Gesamtkunstwerks wie aus einem Guss werden ließ. Entsprechend war der kaum enden wollende Applaus.

Das Vorspiel erklang erfreulicherweise vor geschlossenem Vorhang. Man sah lediglich kurz den Moment, als Isolde mit dem siechen Tristan im Kahn das Schwert zur Rache an Morold erhebt, ihn aber nicht tötet. Das war einmal ein intelligentes und gezielt sinnstiftendes Bespielen eines Vorspiels, mit dem die Komponisten ja eigentlich etwas ganz anderes beabsichtigten als zusätzliches Theater…
Fotos: Jochen Quast
Youtube video podcast: https://www.youtube.com/watch?v=YX11Q01NVqc
Klaus Billand