Über die Nordischen Götter - ein Beitrag zum Desfile der Sambaschule „Unidos da Tijuca“ beim Karneval von Rio de Janeiro im Februar 2013

Rök-Kirche mit Rökstein in  Östergotland

Rök-Kirche mit Rökstein in Östergotland

Seit es Menschen gibt, ist ihnen, von Ausnahmen abgesehen, ein intuitives und offenbar unstillbares Interesse an der Existenz einer höheren, über allem Menschlichen stehenden Macht inne, die physisch weder konkret erkennbar noch fassbar ist. Dies mag mit dem Wunsch nach allgemein verbindlichen und damit unangreifbaren Werten und Regeln zusammen hängen, zumal in der Frühzeit des Menschentums, als noch keine staatlichen und rechtlichen Strukturen für ein geordnetes Zusammensein entwickelt waren. Im Zuge der Säkularisierung haben diese in der Neuzeit immer mehr den Glauben an die Allmacht der Götter zurück gedrängt. Zur Zeit der Alten Griechen waren jedoch die auf dem Olymp, also fern dem menschlichen Geschehen wohnenden Götter um Zeus und seine Gattin Hera, ebenso wie bei den Alten Römern jene um Jupiter und seine Gattin Juno im täglichen Leben und der staatlichen Ordnung allgegenwärtig. Dabei haben die Römer ab dem 5. Jahrhundert die Götter der Griechen importiert, sodass Zeus und Hera im Prinzip Jupiter und Juno entsprechen, wie es auch Äquivalenzen bei den übrigen Göttern gibt, wie Poseidon bzw. Neptun, Aphrodite bzw. Venus, Ares bzw. Mars oder Athene bzw. Minerva.

Rökstein aus dem 9. Jahrhundert

Rökstein aus dem 9. Jahrhundert

Viel eigenständiger als die Alten Römer entwickelten die Bewohner des vorchristlichen Skandinaviens ihre nordische Göttermythologie und die damit verbundene Götterwelt. Wenig Schriftliches ist allerdings überliefert. Wenn überhaupt, dann in den Runen, die immer auch einen starken mythologischen und Sagen-Gehalt haben und in Skandinavien heute noch an vielen Stellen auf Steinen bestaunt werden können. Ein solcher Runenstein, der Rökstein, steht nahe dem Vänernsee im schwedischen Östergötland bei der Kirche von Rök. Er stammt aus dem 9. Jahrhundert und hat die längste, merkwürdigste, und am schwierigsten zu deutende Inschrift aus der Wikingerzeit, die auf 2.500 Runeninschriften in Schweden bekannt sind. Ein Vater, Varin, weihte ihn seinem verstorbenen Sohn und erwähnt eine der legendenhaftesten Gestalten der Geschichte, Theoderich den Großen, den Herrscher der Ostgoten von 454-527. Geheimrunen und Chiffren verbergen den Inhalt vor Ungeweihten. Ganz unten auf dem Rökstein, fast völlig verborgen in Chiffren und Geheimrunen, ist der Name des nordischen Gottes Thor, des Wetter- und Donnergottes, eingeritzt. Mann könnte die Botschaft des Steins so deuten, dass der Vater sein und des Sohnes mächtiges Geschlecht beschwor, ein Häuptlingsgeschlecht, das seinen Ursprung auf den großen Gott Thor zurück führt und Theoderich zu den Helden seiner Ahnenreihe zählt.

Runen-Ausschnitt des Röksteins

Runen-Ausschnitt des Röksteins

Damit sind wir beim Gott Thor, der das Thema zum Desfile der Sambaschule „Unidos da Tijuca“ 2013 ist. Thor ist neben seinem Vater Odin oder Wodan, wie die Sachsen ihn nannten, bzw. Wotan bei Richard Wagner in seinem „Ring des Nibelungen“, der höchste und gefürchtetste Gott in der nordischen Mythologie. Thor schlägt als Wettergott Blitze auf die Erde und lässt die Menschen angesichts ihrer Ausgeliefertheit und Machtlosigkeit vor den Naturgewalten erzittern. Er ist ein Ase, denn man muss die nordischen Götter unterscheiden zwischen Asen und den Vanen. Die Asen sind die kriegerischen und herrschenden Götter, ihnen werden in der jüngeren Edda Eigenschaften wie Stärke, Macht und Kraft zugeschrieben. Odin ist ihr oberster Gott, abgeleitet aus dem altnordischen Wort „óòr“ welches „wild rasend“ bedeutet. Die Walküren, Schlacht- und Schildjungfern der nordischen Mythologie, führen dem Göttervater gewissermaßen als Todesengel die „ehrenvoll Gefallenen“ von den Schlachtfeldern nach Valhöll (Walhall) zu. Odin ist unter allen Asen der schnellste, da sein Pferd Sleipnir acht Beine hat, also immer vier zum Ruhen anlegen kann… Die Asen wohnen in Asgard, dem Sitz der Götter, werden aber weitgehend vermenschlicht und sind auch sterblich, womit sie für die nordischen Menschen damaliger Zeit trotz ihrer Göttlichkeit auch wieder fassbarer wurden. Die Vanen hingegen sind friedliebend und werden in Verbindung mit der Fruchtbarkeit gebracht. Nur durch die Äpfel der Idun, der asischen Göttin der Jugend und Unsterblichkeit und Hüterin der goldenen Äpfel, können sich die Asen am Leben erhalten.

Geschichte des Röksteins

Geschichte des Röksteins

Dass die Asen in Frieden mit den Vanen leben, ist ein Ergebnis des Krieges zwischen beiden Stämmen in der nordischen Mythologie, der durch Odin mit seinem (symbolischen) Speerwurf ausgelöst wurde, als die Asen die goldreiche Vanin Gullweig, eine weise Frau, töten wollten, da sie die Quelle ihres Reichtums nicht preisgab. Keiner konnte gewinnen, und zum Friedensschluss tauschte man Geißeln aus. Die Vanen sandten den Meeresgott Njörd und dessen Kinder Freya, die Göttin der Fruchtbarkeit, der Liebe und des Frühlings, und Freyr nach Asgard. In Wagners „Rheingold“ ist die Vanin Freya die Hüterin der Äpfel, die den Asen um ihren Stammvater und Hauptgott Odin (Wotan), Gott des Krieges und Sieges, seiner Frau Frigg (Fricka), der Schutzherrin der Ehe und Mutterschaft, seinem Sohn Thor (Donner) und vielen anderen Asen das Überleben sichert. Die Asen sandten hingegen den Bruder Odins, Hoenir, und den weißen Riesen Mimir nach Vanaheim, was allerdings wegen der mangelnden Intelligenz Hoenirs zu einem schlechten Tausch für die Vanen wurde – dennoch wahrte man den Frieden.

Inschrift des Röksteins

Inschrift des Röksteins

Am Ende steht dann auch für die nordischen Götter der Untergang, die Ragnarök – die Götterdämmerung. Nichts währt ewig…

Fotos: Klaus Billand

Klaus Billand

Quellen:
Wikipedia
Lexikon der Paranormologie
utgards-erben.de
Rökstein, Rök; Schweden
Eigene Recherchen
Bilder vom Rökstein: Klaus Billand