FÜSSEN/Ludwigs Festspielhaus: „LUDWIG2“ - WA 3. Mai 2018

Der König kommt zurück!

Ludwigs Festspielhaus

Ludwigs Festspielhaus

Im Mai erlebte die Neufassung des ursprünglichen König Ludwig II Musicals, für das das eindrucksvolle Festspielhaus am Forggensee im Allgäu im Jahre 2000 in Betrieb ging, durch die Neufassung „Ludwig2“ die Premiere seiner Wiederaufnahme aus den Jahren 2016/17. Regie führte Benjamin Sahler in einer Produktion der Big Dimension GmbH. Sahler hatte zuvor die Finanzierung dieser WA durch ein äußerst erfolgreiches crowd funding („Schwarmfinanzierung“) und eine Marktstudie ermöglicht. Das funktionierte schon 2016 und wurde für diese WA nun wiederholt. Damit startete „Ludwig2“ in die dritte Spielzeit in Ludwigs Festspielhaus in Füssen, über dem in diesem Jahr trockenen Forggensee, dessen Staumauer ein make up benötigt. Das Haus hat sich die Aufführungsrechte bis 2029 gesichert. Es gibt 2018 insgesamt 57 Aufführungen. Bei den Musical1 Musicalwahlen 2017 wurde „Ludwig2“ als beliebtestes Short Run-Musical ausgezeichnet. Ein Großteil der Besetzung von 2017 wurde wieder engagiert. Der Festspielhausbesitzer Manfred Rietzler meint: „Das Ludwig-Musical gehört zu den emotionalsten Musicals überhaupt. Das ist seine große Stärke. Es hat absolut Tiefgang, es berührt die Menschen und bildet hier mit dem eigens dafür gebauten Theater eine einmalige Einheit.“ Regisseur Benjamin Sahler hat in Füssen bereits das Musical „Ein Sommernachtstraum“ inszeniert und produziert derzeit weitere große Musicals wie „Die Päpstin“ und „Der Ring – das Musical“. Letzteres kommt im Oktober ins Festspielhaus.

Blick auf Neuschwanstein

Blick auf Neuschwanstein

Zu „Ludwig2“ kam Sahler auf Umwegen. Bei einer Arbeit zu Martin Luther traf er in Wittenberg Rolf Rettberg, der Buch und Liedtexte des Musicals geschrieben hatte. Es in Füssen in dem Theater aufzuführen, dieser Gedanke ließ ihn dann nicht mehr los. Für Sahler ist Theater Magie (was es ja tatsächlich ja auch ist, d. Verf.) „Und genau hier in Füssen, nahe Schloss Neuschwanstein, können wir etwas Sinnliches, Einmaliges, eben ein Gesamtkunstwerk, schaffen.“ Das ist freilich ein recht freizügiger Umgang mit dem Begriff des Gesamtkunstwerks, der eher mit dem Oeuvre Richard Wagners assoziiert wird. Sein „Ring des Nibelungen” gastierte in einer Inszenierung von Plamen Kartaloff aus Sofia hier im September 2015 gastierte. Seit 2017 ist Sahler Theaterdirektor in Ludwigs Festspielhaus.

Ludwig II und sein Hofstaat

Ludwig II und sein Hofstaat

Für ihn steht das Märchenhafte an Ludwig II. im Mittelpunkt seines Regie-Konzepts. „Wie lebte er seine Flucht vor der Welt aus, und wie genial entwickelte er seine Fantasiewelten?“
Im fast voll besetzten Festspielhaus dirigierte Dr. Konstantinos Kalogeropoulos schmissig, aber auch mit einer Hand zum Sublimen, wenn erforderlich, die Sänger und Sängerinnen. Die Musik von Konstantin Wecker, Nic Raine und Christopher Franke kam nämlich nur vom Band. Leider hat man beim Bau des Festspielhauses 1998-2000 eine musikarchitektonische Todsünde begangen. Obwohl das Haus mit seinen 1.366 Plätzen einem mittelgroßen Stadttheater entspricht und die größte Drehbühne Deutschlands sowie eine exzellente Akustik hat, dachte man nicht daran, einen richtigen Orchestergraben zu bauen. Der heutige ist nach oben leider nur einen allzu kleinen Spalt geöffnet und reicht nur für kleine Orchester. Es bedürfte eines – allerdings nur begrenzt möglichen – Umbaus bzw. einer Erweiterung der Öffnung zur Bühne hin, um hier auch mit akzeptabler Klangentfaltung aus dem Graben Opern spielen zu können. Meines Erachtens ginge dies aber. Man war damals zu sehr auf das Ludwig-Musical fixiert, für das das Haus ja exklusiv bestimmt war. Bekanntlich war dieses Musical aber irgendwann abgespielt. Und nach Opern besteht in der Region durchaus Nachfrage. Das hat der „Ring“ aus Sofia bewiesen. Dafür braucht man wahrscheinlich keine Marktstudie mehr.

Kaiserin Elisabeth

Kaiserin Elisabeth

Der Premierenabend wurde ein voller Erfolg für alle AkteurInnen. Denn nicht nur gab das Publikum nach fast jeder Nummer kräftigen Applaus bis hin zum Jubel, sondern gleich nach dem Ende des Stücks standing ovations. Es geht gleich einmal mit einer ehelichen Auseinandersetzung über die Erziehung der beiden Söhne Ludwig und Otto los, die hier auch mit den Problemen ihrer weitgehend elternfernen Erziehung im abgekoppelten Trakt von Schloss Hohenschwangau konfrontiert werden. Neben viel Tanz und Folklore, wobei die Choreographin Stefanie Gröning gute und fantasievolle Arbeit geleistet hat, gibt es immer wieder auch diese Momente, in denen das Musical in der Tat einen gewissen Tiefgang hat. So sei hier der innere Kampf Ludwigs genannt, als er vom Hof an seinem riesigen Schreibtisch zur Unterschrift seines Einverständnisses gedrängt wird, an der Seite Preußens in den Krieg zu ziehen. Bewegend ist der Anti-Kriegsmonolog, den er dazu singt – wie der Wahnmonolog von Hans Sachs. Im Hintergrund prangt auch nicht von ungefähr das Konterfei von Richard Wagner, den Ludwig ja über alles schätzte und bewunderte. Man sollte nie vergessen, dass die Welt ohne diesen jungen und romantischen bayerischen König, wie auch immer es dazu kam, weder den „Ring“ noch „Tristan und Isolde“, „Die Meistersinger von Nürnberg“ oder den „Parsifal“ bekommen hätte – und wohl auch nicht das Festspielhaus in Bayreuth und damit die Bayreuther Festspiele!

Tanzgruppe

Tanzgruppe

Auch die Intrigen des Bayerischen Kabinetts, um Ludwig endlich loszuwerden, sowie die Szene seiner Amtsenthebung waren dramatische Höhepunkte dieser Produktion. Einiges ließ da schon die Grenzen zur Oper verwischen. Der psychische Verfall von Otto wird eindrucksvoll nachgezeichnet, auch wie er von Gudden psychisch à la Thomas Manns „Zauberberg“ manipuliert wird. Das lässt einen sofort an den neuen Psychiatriegesetzentwurf für Bayern denken… Das meist opulente Bühnenbild von Gerd Friedrich, übernommen aus dem Jahre 2005, zusammen mit der durchwegs effektvollen Lichtregie inklusive gekonnt eingesetzter Laserkanonen und oft heftigen Griffen in diverse Farbtöpfe tragen das ihre dazu bei, dass der Abend nie Längen hat und sich abwechslungsreich gestaltet. Das Kostümdesign von Lisa Rietzler und Raphaela Dürr ist ebenfalls ästhetisch bestens in die allgemeine Optik integriert. Daneben gibt es auch Kostüme aus alten Produktionen.

Ludwig II und Richard Wagner

Ludwig II und Richard Wagner

Jan Ammann verkörperte optisch, darstellerisch und auch gesanglich exzellent König Ludwig II. Er zählt zu den bekanntesten Musicaldarstellern überhaupt und ist auch gefragter Solist bei Konzerten und Liederabenden in ganz Europa. 2011 und 2012 bekam er den „DA CAPO Musical Award“ als bester Hauptdarsteller in einer Long Run Produktion. Monika Staszak war nicht nur schauspielerisch, sondern gerade auch stimmlich eine sehr gute Sybille Meilhaus. Sie brachte eigentlich die beste Gesangsleisung des Abends. Alexander Kerbst war ein überzeugender Dr. Gudden mit starker Persönlichkeit. Anna Hofbauer gab eine vor allem optisch ansprechende Kaiserin Elisabeth mit dem typischen Sisi-Kostüm. Stimmlich konnte sie mit ihrem sehr hellen Sopran der imperialen Optik nicht entsprechen – etwas zu klein ihr, wenn auch wohlklingender, Sopran. Zur gedanklichen Vertiefung der Handlung gab es mit Dennis Henschel einen sog. Schattenmann, der zu bestimmten Momenten in Erscheinung trat und so gewissermaßen teifenpsychologisch die Aussagekraft des Geschehens verstärkte. Auch alle weiteren Rollen waren überwiegend gut besetzt. Hervorzuheben wäre noch der klangvoll und mit guter Resonanz singende Jan Rekeszus als Graf Dürckheim und Julian Wejwar als Ludwigs Bruder Otto, der ebenfalls gut bei Stimme war. Marcus G. Kulp als Graf Rettenberg fiel hingegen stimmlich stark ab.

Schlussapplaus

Schlussapplaus

Es lohnt sich, wenn man im Allgäu ist, diese Neuauflage „Ludwig2“ anzusehen. Das Publikum gustierte sie enorm und gab nach vielen „Nummern“ großen Beifall und am Ende eben standing ovations. Tickets sollte bei der Größe des Hauses kein Problem sein und überregionale Werbung sieht man – leider – auch kaum.

Der leere Forggensee

Der leere Forggensee

Weitere Aufführungen vom 10.8.-16.9.; 26.12.-31.12. 2018; sowie vom 3.-6.1. 2019.

Fotos: Peter Samer 3-6; Klaus Billand: 1-2, 7-8

Klaus Billand

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