Interview mit Paolo Petrocelli, Young Global Leader und Generaldirektor der Dubai Opera – Mai 23

Paolo Petrocelli

Paolo Petrocelli

Der Italiener Paolo Petrocelli, 1984 in Rom geboren, ist wohl der Opernintendant der Szene, der sich am besten mit der Oper in MEA (Middle East and North Africa) auskennt, also im Operngeschehen des Mittleren Ostens und Nordafrikas, im Wesentlichen also der islamischen Welt. Zu diesem Thema hat er 2019 ein hochinteressantes, informatives Buch geschrieben mit dem Titel: „The Evolution of Opera Theatre in the Middle East and North Africa“.

Es gibt aber noch eine weitere Singularität im Leben von Paolo Petrocelli, der bis Februar 2023 Generaldirektor des Stauffer Center for Strings in Cremona war, dem ersten internationalen Musikzentrum für höhere Bildung, Forschung, Komposition, Produktion, Management und Innovation in Bezug auf Streichinstrumente. Er wurde in diesem Jahr vom World Economic Forum – WEF, mit dem er schon länger kooperiert, zum Young Global Leader in the Cultural Sphere ernannt, als einziger Italiener unter nur wenigen Kandidaten. Diese Ernennung basiert auf einem über 15jährigem Weg intensiver Arbeit in und mit internationalen Gremien und Institutionen im Kulturbereich. So arbeitet er mit den Vereinten Nationen, insbesondere mit der UNESO in Paris, mit der Europäischen Kommission und dem WEF zusammen. Als kultureller Botschafter und Musikexperte versucht Paolo Petrocelli in institutionellem Rahmen Verbindungen durch Kunst und Kultur in Europa, dem Mittleren Osten, Afrika, Asien und den USA aufzubauen. Im Jahre 2022 nannte ihn das Fortune Magazine unter den 40 einflussreichsten Persönlichkeiten in Italien.

Paolo Petrocelli ist Gründer und Präsident von EMMA for Peace (Euro-Mediterranean Music Academy für Peace), einer internationalen non-profit Organisation für die Förderung einer Friedenskultur durch Musik-Diplomatie. Er ist weiterhin Mit-Begründer von Opera for Peace, der weltweit größten Organisation für junge Opern-Professionals.

Als Musikexperte liest Petrocelli an führenden Universitäten wie an der New York University, an der Université Paris-Sorbonne und an der Bocconi University Italien zum Thema Kultur-Management und Kultur-Diplomatie. Er ist auch Research Affiliate an der Harvard University, Visiting Fellow an der Yale University und Visiting Researcher am MIT Media Lab in Cambridge, Massachusetts. Zudem hält Petrocelli einen PhD in Cultural Economics der IULM University Mailand, einen Executive MBA der SDA Bocconi School of Management in Mailand und ein Diplom in Violine (MA) des Konservatoriums Santa Cecilia Rom.

Er ist auch journalistisch tätig und Mitglied der Italian Order of Journalists. Er schreibt u.a. für Forbes, Arabian Business, Huffington Post und ist im Advisory Council der Harvard Business Review.

Im März 2023 hat Paolo Petrocelli die Funktion des Generaldirektors der Dubai Opera übernommen.

Paolo Petrocelli

Paolo Petrocelli

Wie es zum Interview kam und seine Schwerpunkte
Auf meiner Reise nach Saudi Arabien, Qatar und Bahrain im Februar 2023 besuchte ich in Riad auch das dort von König Fahd in den 1970er Jahren erbaute Opernhaus mit etwa 3.000 Plätzen, das King Fahd Cultural Center, welches bis heute wie in einem Dornröschenschlaf aufgrund verschiedener kultureller, vor allem klerikaler Vorbehalte, keinerlei Opern aufführt und im Prinzip nicht in Betrieb ist. Aufgrund des Lifecast dazu in meinem YouTube-Kanal regte die Assistentin von Paolo Petrocelli dieses Interview an, welches per Telefon auf Englisch (deshalb wegen des besseren inhaltlichen Verständnisses auch einige Ausrücke auf Englisch) stattfand.

Ich vereinbarte mit Paolo Petrocelli drei Schwerpunkte für das Gespräch:
1. Wie sieht er seine Rolle als Young Global Leader im Kulturbereich
2. Sein Buch „The Evolution of Opera Theatre in the Middle East and North Africa“
3. Kooperation im Rahmen der Vereinten Nationen

1. Wie sieht er seine Rolle als Young Global Leader im Kulturbereich?
Paolo Petrocelli hat schon viele Jahre vor seiner Ernennung mit dem WEF zusammen gearbeitet, und zwar ging es ihm dabei immer darum, junge Menschen zusammen zu bringen und zu einem active citizenship zu motivieren und dabei zu unterstützen. Dazu gehört seiner Auffassung nach das Management, Kreativität, aber auch ein direkter Beitrag zur Gesellschaft und bestimmten communities. Diese Programmatik eröffnete die Gelegenheit zur Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen, inter alia, mit dem WEF, bei dem er insbesondere an einem Programm für eine Young Leaders Platform für Young Leaders teilnahm. Dabei geht es ihm besonders um die Berücksichtigung der Bedeutung von Kultur und Kunst, welche vielfach keinen direkten Eingang in local society associations finden. Insbesondere wird nicht von einem leadership in arts gesprochen. Dabei hat die Kultur eine große Bedeutung in unserer Gesellschaft, indem sie ihre harmonische Entwicklung und auch das Wirtschaftswachstum fördert. Wichtig ist auch die leadership innerhalb der Kultur, um vor allem die junge Generation für die Kultur zu sensibilisieren und zu führen. Dabei ist Kultur natürlich immer direkt auch mit der Politik verbunden. Es ist also eine intergenerational collaboration vonnöten. Man sollte auch die Frage des kulturellen Ökosystems in Angriff nehmen, welches im Kulturbereich noch weitgehend fehlt.

Paolo Petrocelli meint, dass die neue Funktion als Young Global Leader im Kulturbereich ihm nun die Möglichkeit geben wird, die Bedeutung des Kultur-Managements auf der internationalen Ebene hervorzuheben und es signifikant zu fördern. Dabei setzt er große Hoffnung auf die junge Generation, deren junge Manager viele eigene Ideen haben, Lösungen für die Probleme der schönen Künste und der klassischen Musik insbesondere präsentieren können, die aber auch über die entsprechenden Herausforderungen reden und sie angehen. „Und wir brauchen eine Menge kreativer Lösungen“ sagt Petrocelli mit dem Brustton voller Überzeugung – Kreativität und die Fähigkeiten, diese Lösungen in die global community einzubringen, also konkret umzusetzen.

Dubai Opera

Dubai Opera

2. Sein Buch „The Evolution of Opera Theatre in the Middle East and North Africa“
Schon während der Arbeit an seiner Dissertation entschied sich Paolo Petrocelli für ein näheres Studium der Oper in der MEA-Region, also im Mittleren Osten und Nordafrika. Darüber gab es zu der Zeit – und wohl auch heute noch – sehr wenig Literatur und nur sehr fragmentierte Informationen. Es handelt sich ja auch um eine weite Region mit unterschiedlicher Geschichte, kultureller Organisation und verschiedenen Religionen, aber Petrocelli findet es umso faszinierender! Natürlich ist vieles auch mit der Kolonisierung verbunden, aber es gibt nur wenige Studien auch dazu.

So versuchte er, die Entwicklungen auf dem Gebiete der Oper in dieser Region mit Hilfe der wenigen Studien und heutigem Informationsmaterial neu zu definieren und begann mit Algerien und Ägypten. Denn die erste Oper in der MEA-Region stand in Algerien (Das Théâtre Impérial à Alger von 1853, Anm. d. Verf.). Er versuchte daraufhin, die Rolle der Oper in jedem einzelnen Land zu analysieren und fand es faszinierend, auf Wahrheiten in diesem Gebiet zu stoßen. Besonders in der Golf-Region sind in den vergangenen 15 Jahren wesentliche neue Entwicklungen zu vermerken, besonders im Oman, in Kuwait, Dubai und bis zu einem gewissen Grade auch in Saudi Arabien, wo es besonders aufregend war, diese neuen Entwicklungen zu studieren. Das Land plant weitere performing arts center zu bauen.

(Bei meinem Besuch in Jeddah konnte ich das Jeddah Central Project der Jeddah Central Development Company am Strand des Roten Meeres in seinen ersten Anfängen besuchen. Das Projekt beinhaltet auch ein „world-class opera house“, wie es Ahmed Al-Khatib, Chairman der General Entertainment Authority der Saudi General Culture Authority im Rahmen eines 64 Milliarden US$ schweren Kulturprogramms für das Land in den nächsten 10 Jahren ankündigte. Und, wie schon oben erwähnt, schlummert am Stadtrand von Riad ein Opernhaus mit etwa 3.000 Plätzen, das morgen in Betrieb gehen könnte, wenn es gewollt wäre; angesichts der neuen Kulturpolitik scheint das nicht ganz unmöglich, Anm. d. Verf.). Marokko plant derzeit zwei neue performing arts center und Ägypten ebenfalls eines. Es tut sich also einiges in der Region.

3. Kooperation im Rahmen der Vereinten Nationen
Paolo Petrocelli sieht sich als „global active citizen“, und es kommt während des Gesprächs kein Zweifel auf, dass diese Auffassung authentisch ist und auf Fakten basiert. Er ist Mit-Begründer und mittlerweile Ehrenpräsident der italienischen Jungendorganisation der UNESCO, ihrer größten Jugendorganisation weltweit, die er auch als Präsident von 2015-19 führte. Weit über 100 junge Menschen fördern in diesem Rahmen die Mission der UNESCO in Italien. Es geht Petrocelli bei dieser Aktivität auch darum zu zeigen, was es bedeutet, eine Jugendorganisation im Kulturbereich zu fördern. Mit so vielen jungen Leuten sollte ein impact möglich sein, der auch die Gesellschaft betrifft, wobei 360 Grad des Kulturbereichs gemeint sind, also auch Journalisten. So können viele Vorschläge und Projekte auf nationaler Ebene entwickelt und dann durch die UNESCO auf die internationale Ebene gehoben werden und Wege zu ihrer Implementierung zeigen.

Paolo Petrocelli ist also voll davon überzeugt, dass Kultur und Kunst, und hier wiederum insbesondere die klassische Musik und die Kunstform Oper, die Attribute haben, auf gesellschaftlicher Ebene viel zu bewirken und die Welt besser zu machen. Dabei kommen ihm nun seine neue Funktion als Young Global Leader in the Cultural Sphere, seine Erfahrung mit der Opernszene in der MEA-Region, sowie seine neue Aufgabe als Generaldirektor der Dubai Opera sehr zu statten. Wir wünschen ihm dabei den größtmöglichen Erfolg!

Fotos: Dubai Opera 1-2; K. Billand 3

Klaus Billand