Lübeck: Salome NI – 25. November 2022

Befremdliche Bilder, aber großartige Evmorfia Metaxaki

Evmorfia Metaxaki

Evmorfia Metaxaki

In jüngerer Vergangenheit ist festzustellen, dass sich immer mehr Bühnen der „Salome“ von Richard Strauss annehmen. Dabei kommt es oft zu Inszenierungen, die die wesentlichen Determinanten des Verhältnisses zwischen Jochanaan und dem Königspaar einerseits und dem Verhältnis zwischen Salome und dem Propheten andererseits kaum darstellen oder zumindest in einer nachvollziehbaren – auch musikalischen – Form würdigen.

Salome mit Jochanaan - Bo Skovhus

Salome mit Jochanaan - Bo Skovhus

Dieser Eindruck ergab sich nun am Theater Lübeck, wo Christiane Lutz die „Salome“ in Bühnenbild und Kostümen von Christian Tabakoff und der spärlichen Lichtregie von Falk Hampel inszenierte. Man ist zunächst verblüfft, dass die Handlung in der spartanisch unterkühlten Küche des Hofes stattfindet, die stimmlich guten „Soldaten“ livrierte Kellner sind, die sich mit dem Öffnen von Champagnerflaschen befassen, und wo Yoonki Baek als Narraboth Chef de cuisine sowie der Deckel zur Zisterne das Fenster zum ebenfalls spartanischen Salon ist.

Jochanaan mit Herodes und Herodias sowie Salome

Jochanaan mit Herodes und Herodias sowie Salome

Jochanaan, kurz nachdem er ohne jeden Bezug zur großartigen Musik, die Strauss für diesen Aufstieg komponierte, hinter einem Küchenschrank emporstieg, ist gleich darauf in trauter Dreisamkeit mit Herodes und Herodias am mit roten Granatäpfeln gedeckten Salontisch zu sehen und lästert unaufhörlich über sie, nahezu ins Ohr. Was sollte nun das?! Wieder eine Kopfgeburt, ein Psychotrip, oder der Versuch, den alten weißen Mann in dieselbe Ecke wie Herodes zu stellen?

Die Juden werden verrückt

Die Juden werden verrückt

Was aber Lutz gut gelungen ist, zumal Evmorfia Metaxaki dieses Rollenkonzept mit einem intensivem Bühnenleben ausfüllte, ist ihre Auffassung, dass der Teenager Salome, den man Metaxaki auch abnehmen kann, erst durch die Begegnung mit der Stimme des Propheten seinen eigenen Entwicklungsprozess auslöst. Und das in einem familiären Umfeld, in dem trotz aller Abstrusitäten nicht miteinander gesprochen wird, was sich ja durch das vorzeitige Erscheinen von Herodes und Herodias offenbart.

Herodias mit Salome kurz vor ihrem Ende

Herodias mit Salome kurz vor ihrem Ende

Metaxaki beherrscht die Szene vom ersten Moment ihres Erscheinens an. Mit ihrem jugendlichen attraktiven Aussehen im schwarzen Hosenanzug mit Goldverzierungen, knisternder Erotik und einem leuchtend timbrierten Sopran, der alle Höhen wie auch Tiefen problemlos und facettenreich meistert, ist sie gleichzeitig „femme fragile“ als Objekt der Begierde und „femme fatale“ als fatal Begehrende.

Der finale Tanz gegen Herodes - im Hintergrund der Schatten des schon toten Jochanaan

Der finale Tanz gegen Herodes - im Hintergrund der Schatten des schon toten Jochanaan

Sie nutzt ihre gewonnene Selbsterkenntnis zur Überführung ihres Stiefvaters, den sie damit gesellschaftlich ruiniert, wie sie auch die Juden im Rahmen ihres Tanzes in die Schranken weist. Wolfgang Schwaninger ist ein klangvoller, dieses Rollenkonzept bestens interpretierender Herodes. Edna Prochnik lässt als Herodias wieder ihren hier bedrohlich wirkenden tiefen Mezzo hören. Bo Skovhus ist mit seinem Rollendebut ein energischer Jochanaan mit kraftvollem Bariton und intensiver Darstellung.

Protagonisten beim Schlussapplaus

Protagonisten beim Schlussapplaus

Stefan Vladar dirigiert das Philharmonische Orchester der Hansestadt Lübeck mit dramatischer Intensität und großem Verständnis für die schwülen Zwischentöne der Partitur. Leider fielen Musik und Bühnengeschehen regiebedingt zu oft auseinander. Ein dennoch musikalisch starker Abend im leider nur schütter besetzten Theater an der Beckergrube. Fünf Minuten Applaus.

Fotos: Jochen Quast 1-6; K. Billand 7

Klaus Billand

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