Amsterdam/Nationaloper: Roberto Devereux – Premiere 18. April 2024
Aktualisierte Tragik
Der Saal des Muziektheaters füllt sich
An der Nationaloper Amsterdam wurde die Premiere der Oper „Roberto Devereux“ von Gaetano Donizetti und dem Libretto von Salvadore Cammarano in der Inszenierung von Jetske Mijnssen seit langem mit Spannung erwartet. Dazu kam das Rollendebut des Jungstars aus Usbekistan, Barno Ismatullaeva, in der Hauptrolle der Elisabetta I.
Barno Ismatullaeva
Die Sänger-Darstellerin begeisterte mit ihrem in allen, auch den ganz tiefen Passagen, ebenso klang- wie charaktervollen Sopran und einer emotional überaus einnehmenden Darstellung der langen und insbesondere im 3. Akt so intensiven Rolle der Königin. Es wurde ein Erlebnis und ein sensationelles Rollendebut für Barno. Für das Orpheus-Magazin hatte ich die Sängerin, die 2023 auf der Seebühne Bregenz die Erstbesetzung der Madama Butterfly war, bereits im September/Oktober-Heft 2020 interviewt. Kaum war der letzte Vorhang mit ihr allein auf der Bühne – an James abdankend – zu, sprang das Parkett-Publikum von seinen Sitzen.
Elisabetta mit Sara
Voll überzeugen konnten auch Angela Brower mit einem für die Rolle – mit im Verhältnis zu Ismatullaeva – allerdings etwas zu hellen Timbre als Sara, aber äußerst engagierter und mimisch perfekter Darstellung. Ihre Duette mit Devereux und Nottingham waren Höhepunkte des Abends an Emotion und künstlerischer Intensität.
Elisabetta mit Devereux
Nikolai Zemlianskikh überzeugte als Duca di Nottingham mit einem gut geführten und ausdrucksstarken Bariton stimmlich wie emotional. Ismael Jordi als beklagenswerter Roberto Devereux sang die Partie mit voller Hingabe und brachte die ganze Tragik seines Schicksals zum Ausdruck. Die kleineren Rollen waren ebenfalls gut besetzt.
Sara mit Devereux
Die Inszenierung von Jetske Mijnssen konnte mit einer werkgerechten Ästhetik, in deren Mittelpunkt bei guter Beleuchtung von Cor van den Brink ein klassizistisches Schlafzimmer von Ben Baur steht, das sich in den Chorszenen wirkungsvoll auf die gesamte Bühne öffnet, durchaus beeindrucken. Es ermöglichte den Protagonisten, die Dramatik des Stücks trotz seiner Nummernhaftigkeit nachvollziehbar und dramaturgisch eindrucksvoll über die Rampe zu bringen.
Elisabetta mit dem Duca de Nottingham
Klaus Bruns wählte „Kostüme“ unserer Tage. Jeder bzw. jede hätte einen der Anzüge oder Kleider aus dem eigenen Kleiderschrank mitbringen können. Damit war ein Bezug zur Aktualität hergestellt, und es gab gleichwohl kein verrückt gewordenes Regietheater, also auch keine Putzeimer auf der Bühne…
Elisabetta mit der Krone im Finale
Ein besonders starker Moment gelang am Schluss des 3. Akts, als Elisabetta die englische Krone aus Silber und blauem Samt wie beschwörend hervorholt und ihr entsagt. So konnte man die aus dem Jahre 1601 stammende Geschichte auch aus heutiger Sicht intensiv and nachvollziehbar verstehen.
Schlussapplaus für die Protagonisten
Enrique Mazzola dirigierte das Nederlands Kamerorkest und den sehr guten und transparenten, von Edward Ananian-Cooper einstudierten Chor der Nationaloper mit gefühlvoller Begleitung der Sänger sowie einer guten Hand für die Subtilität wie die Dramatik der Partitur Donizettis. Das zeigte sich gleich bei der Ouvertüre, die nach den dezent anklingenden Variationen von „God save the Queen“ mit großer Dynamik endete und ebenso wie alle Akteure am Schluss viel Applaus erntete. Ein großer Abend an De Nationale Opera!
Fotos: Ben van Duin | Dutch National Opera 3-7; K. Billand 1-2, 8
Klaus Billand