Dominique Meyer, Staatsoperndirektor Wien, beim Richard Wagner-Verband Wien - Januar 2012
Dominique Meyer
Die geschäftsführende Präsidentin des Richard Wagner Verbandes Wien, Dkfm. Liane Bermann, hatte am Freitagabend, den 20. Januar 2012, zu einem Interview mit Staatsoperndirektor Dominique Meyer in das Wiener Hotel Imperial geladen. Der Verband konnte sich über einen sehr guten Besuch freuen, der Festsaal war bis auf den letzen Platz besetzt. Der erste Teil des Interviews wurde von Prof. Dr. Gerhard Kramer, künstlerischer Beirat des RWV Wien, der zweite von Marcus Haimerl, einem Vorstandsmitglied, bestritten.
Wie gefällt es Dominique Meyer in Wien, und wie war die Umstellung von Paris hierher?
Auf eine Frage, auf die man angesichts des Publikums und Ortes ohnehin nichts anders als mit „Ja“ antworten an, fand Dominique Meyer in charmant diplomatisch formuliertem Superlativ die Feststellung: „Es gibt kein schönere Aufgabe in der Welt als in Wien als Staatsoperndirektor zu dienen – also ein klares JA!” Er fühlt sich sehr wohl hier. Die Wiener Philharmoniker waren massgeblich an seiner Bestellung für Wien beteiligt, das entsprechende und wohl entscheidende Gespräch mit ihnen fand am 17. März 2007 um 19:30 Uhr (!) statt, vor einer Aufführung der 8. Symphonie von Anton Bruckner unter Christian Thielmann. Die Umstellung von seinem Théâtre des Champs Élysées in Paris, welches ein Stagione Theater ist, zum Repertoiretheater Wien war natürlich bedeutsam. In Paris wurden neben 5 bis 6 Opernserien in der Regel 70 Orchesterkonzerte gegeben, des weiteren Oratorien und auch konzertante Opern, ebenfalls einige Barockopern. Etwa 15 Klavierabende kamen hinzu. Das war ein „sehr buntes und angenehmes Programm“, was beim Publikum großen Zuspruch fand. Ganz anders war die Aufgabe jedoch hinsichtlich der Orchester. Während er in Paris mit vielen Orchestern pro Saison arbeitet, ist es in Wien nur eines, die Wiener Philharmoniker. Und damit hat Dominique Meyer ein kleines „Problem“: „Ich kann mir nicht vorstellen, nach Wien noch Oper ohne die Wiener Philharmoniker zu machen – sie sind eine gefährlich Droge…“. Was die Finanzierung des Opernbetriebs angeht, konnte er in seinem Pariser Haus mit Top-Pianisten und Konzerten gute Einnahmen erzielen, dennoch war das Budget dort nur €13 Millionen, währender in Wien über ein Budget von €100 Millionen verfügt, das zu 50% aus Subventionen gedeckt wird, die aber seit 15 Jahren konstant sind. Meyer gibt zu bedenken, dass 50% Einnahmenanteil bei einem Haus der Größe der Wiener Staatsoper schon beachtlich ist, zumal wenn man die Pariser Oper betrachtet, die bei ebenfalls €50 Millionen Einnahmen €120 Millionen an Subventionen erhält.
Die Zusammenarbeit mit Franz Welser Möst
Für Dominique Meyer war Franz Welser Möst als GMD unter den vier Kandidaten, die zur Verfügung standen, die „allerbeste Lösung“. Wesentlich bei der Auswahl durch ihn war, dass FWM 1. Österreicher ist, 2. eine Riesenrepertoire abdeckt, 3. nicht ständig auf Reisen ist, und 4. beide ähnliche Erfahrungen haben, was einfacher für den Dialog ist. Meyer kennt keinen Dirigenten, der ein breiteres Opernrepertoire als FWM hat und zählt u.a. auf: „Arabella“, „Fidelio“, „Tannhäuser“, zwei Janacek Opern, „Die Fledermaus“, bald auch „Tosca“, „Frau ohne Schatten“ und „Don Carlo“. Es ist ihm wichtig, dass FWM, wobei er nur 5 Monate in Cleveland weilt, auch ein symphonisches Orchester leitet. Es gibt nun zwischen beiden ein sehr natürliches Verständnis, „die Beziehung ist extrem eng geworden, was am Anfang, als wir uns noch kaum kannten, nicht so war.“ Der GMD ist extrem wichtig, sie reden jeden tag miteinender, besprechen den Spielplan, das Ensemble, die Disposition. Als Staatsoperndirektor trägt Meyer jedoch die Verantwortung und entscheidet, auch wenn er die Macht nicht liebt.“ Jemand muss aber verantwortlich sein.“ Dominique Meyer ist glücklich darüber, dass durch den neuen Kollektivvertrag die Probenzeit um etwa 30% erhöht werden konnte. Dabei muss nicht immer alles geprobt werden. Es gibt aber Werke mit heiklen Stellen, z.B. „Fidelio“ mit der 3. Leonore… Er würde es nie mehr zulassen, dass man den „Fidelio“ nicht mehr probt.
Was hält Dominique Meyer vom sog. Regietheater?
„Bei Neuinszenierungen ist die heikelste Entscheidung immer der Regisseur. So ist das Leben. Gut, dass nicht alle gleicher Meinung sind…“. Meyer ist kein Freund der Dekonstruktion. „Man muss Respekt vor dem Stück haben.“ Man sollte nicht aus einem Unterhaltungsstück ein Drama machen. Aber es gibt Werke mit universaler Bedeutung. Hier muss man auch Hintergründe zeigen. Wagners „Ring des Nibelungen“ muss man mit Referenzen spielen (was in der von ihm nicht zu verantwortenden Wiener Produktion wohl kaum der Fall ist – Anm. d. Verf.). Ebenso steht es mit „Nozze di Figaro“. Er diskutiert das Regiekonzept zu Begin mit dem Regisseur. Entscheidend ist das der Moment der Modellabgabe, wo also das Bühenenbildmodell vorgestellt wird. Es ist ein „gefährlicher Tag“. Das Modell ist eines, die Bühne anders. Man braucht viel Erfahrung um feststellen zu können, ob es am Ende auf die Bühne passt, dabei ist es dann manchmal auch zu teuer, manchmal auch hässlich. Aber es gibt auch Grenzen in der Diskussion mit dem Regisseur. Er ist der Künstler!
Wie steht es mit Neuproduktion an der Wiener Staatsoper?
Bekanntlich nahm Dominique Meyer bereits die „Lohengrin“ und „Macbeth“Produktionen aus dem Repertoire. Es muss also ein neuer „Lohengrin“ kommen, auf den sich die Freunde Wagner aber noch zwei Spielzeiten gedulden müssen. Aber er möchte auch gern einmal einen neuen „Tannhäuser“ machen, auch ist er nicht zufrieden mit dem „Tristan“ von G. Krämer, und zu Teilen auch nicht mit dem „Parsifal“ von C. Mielitz, in dem es u.a. Probleme mit den Auf und Abstiegen bei den szenischen Verwandlungen gibt. Einige Produktionen sind auch so stark verstaunt, dass man sie nicht mehr „putzen“ kann… Alles braucht einen langen Planungszeitraum, da die meisten Verträge bis etwa 2015 bereits fixiert sind. Natürlich ist 2013 ein geeignetes Jahr für eine Wagner-Neuinszenierung. Es wird einen neuen „Tristan“ geben, mit einer wunderbaren Besetzung. Besonders erfreulich ist auch, dass er Nina Stemme als Brünnhilde für einen „Ring“-Zyklus gewinnen konnte, (in der Tat das erste Mal, das von Beginn an eine wahre Weltklasse-Brünnhilde für den gesamten neuen Wiener „Ring“ angesetzt ist – Anm. d. Verf.). Jeweils 2014 und 2015 wird er „Ring“ je zweimal gegeben werden, mit großen Dirigenten. 2014 wird Christian Thielemann eine “Ariadne“-Serie und in der Saison 2015/16 „Hänsel und Gretel“ dirigieren. Wenn man Thielemann auch einen „Ring“ geben wollte, müsste man drei Zyklen spielen. Aber es ist und bleibt ein Wunsch beider, dass er eines Tages für den „Ring“ wieder an das Haus kommt. Eine prinzipielle Zusage besteht jedenfalls. Eines der Wagnerschen Frühwerke wird an der Staatsoper jedenfalls nicht kommen. Zuvor müssten auf jeden Fall erst einmal der „Lohengrin“ und „Tristan“ neuinszeniert werden, ja selbst ein neuer „Parsifal“… Bald wird Meyer auch etwas über ein Auftragswerk sagen können.
Auf Nachfrage des Publikums kommt Meyer am Schluss noch mit der Ansage heraus, dass Otto Schenk sich bereit erklärt hat, für 2013 seine „Meistersinger“-Inszenierung noch einmal aufzupolieren, was allgemein begrüßt wird. Weniger erbaut scheinen die Wiener Wagnerfreunde von der Weitererführung des Vertrages mit museum in progress zum Eisernen Vorhang als temporärem Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst zu sein. Der Vertrag läuft noch fünf Jahre. Meyer betont aber gleichzeitig, dass er den originalen Eisernen hat renovieren lassen.
Die neuen Veranstaltungen wie die Kammermusikabende mit den Philharmonikern, die immer bisher immer ausverkauft waren, und auch die Solistenabende werden vom Publikum gut angenommen. Es wird auch wieder Barockopern geben, nach dem großen Erfolg der „Alcina“. Auf die Frage, ob Dominique Meyer hier eine Konkurrenzsituation zum Theater an der Wien sieht, macht er deutlich, dass er immer wieder Gespräche mit dem dortigen Intendanten Geyer führt und die Tatsache, dass beide Häuser voll sind, doch klar macht, dass der Blumenstrauß größer ist. Er betont seine Freude darüber, dass das Theater an der Wien wieder eine Opernhaus ist.
Das Ballett
Dominique Meyer ist sehr glücklich und durchaus auch stolz auf die Entwicklung des Balletts unter Manuel Legris. Es wurde ja hier immer etwas stiefmütterlich behandelt, nun zählt das Corps de ballet zu baden beliegbtesten Akteuren an der Staatsoper. Er kennt Legris seit 1987, als er in Paris unter dem Ballettchef Nurejew noch Tänzer war. Die Auslastung der Ballettaufführungen ist im haus am Ring nun fast so hoch wie bei den Opern, fast 97%. Im Herbst war die Truppe in Versailles und Monte-Carlo. Bald soll sie zum ersten Mal nach 20 Jahren wieder nach Tokio gehen, und es gibt such schon Einladungen für Washington D.C. und Los Angeles.
Marcus Haimerl befragte den Staatsoperndirektor schließlich noch zu seinem Werdegang aus dem Pariser Industrieministerium über das Kulturministerium unter Jack Lang in das Operngeschehen. Dazu ist bereits viel in einem 2006 entstandenen Interview (von W. Guschlbauer und dem Verf.; Merker 10/2006 und Online-Merker) mit Dominique Meyer geschrieben worden, sodass hier nicht auf Details eingegengen wird. Es war aber interessant zu erfahren, dass Meyer sich als Beethoven-Narr bezeichnet. Er hat in seiner Pariser Zeit den gesamten Beethoven-Zyklus sieben Mal aufgeführt. Er findet auch die Urfassung des „Fidelio“ phantastisch. Eine Lieblingsoper hat er allerdings nicht, „das wechselt immer“. Vom spielplanmäßigen Feiern runder Komponistengeburtstage hält er nicht viel, dabei kann durch das Überangebot es schnell zu Qualitätseinbrüchen kommen. Besser wäre es, unbekanntere Komponisten zu ihren runden Geburtstagen hervorzuheben. Last but not least erheitert er die Zuhörer mit Details zu seinen Lernversuchen des Wienerischen auf Langstereckenflügen mit kleinen Wörterbüchern. Offenbar ist das AUA-Personal da immer schnell behilflich…
Foto: Klaus Billand
Klaus Billand