RIGA: Der Barbier von Sevilla - WA 24. Oktober 2013

Janis Apeinis

Janis Apeinis

Mit einem „Barbier von Sevilla“ in der Regie von Aiks Karapetjans und dramaturgischer Unterstützung durch den ehemaligen LNO Dramaturgen Jochen Breiholz aus dem Jahre 2011 nahm die Lettische Nationaloper im Oktober eine erfolgreiche Produktion wieder auf. Sie war auch deshalb erfolgreich, weil sie mit einem ganz eigenwilligen ästhetischen Stil und einer wohl dosierten Prise schwarzen Humors wie eine Karikatur auf die gesellschaftlichen Zu- und Missstände der Mitte des 18. Jahrhunderts anspielt, in der das Stück angesiedelt ist. Man sieht in einem opulenten und von allgemeiner Dekadenz schon langsam in sich zusammenfallenden barocken hochherrschaftlichen Zimmer von Ieva Kaulina ein Feuerwerk von Intrigen, Bluffs, emotionalen Annäherungen und allerhand Gemeinheiten, die für ständige schmunzelnde Unterhaltung sorgen.

Inga Slubovska, P. Micinskis, V. Jansons

Inga Slubovska, P. Micinskis, V. Jansons

Die Kostümdesignerin Kristine Pasternaka hat mit beiden Händen in die Gruselkammer barocker Kostümverirrungen gegriffen und eine ständig variierende Kostümschau gestaltet, die bestens mit dem heftigen Griff in die Puderdose der Make-up Designerin Gita Dobelniece korrespondiert. So viel Make-up und Puder mit entsprechend bleichen Gesichtern und roten Wangen auf alter und junger Haut ist wohl selten auf einer Opernbühne zu sehen, es staubte manchmal schon in der Luft. Das Verrückteste waren aber die Perücken von Kristine Papsa, die ihrer ausgiebigen Fantasie wahrlich freien, aber durchaus gewinnbringenden Lauf ließ. Man sah ganze Türme von Haaraufbauten, zwei- bis dreimal so hoch wie der Kopf selbst (!) und wunderte sich, wie diese bei den lebhaften Bewegungen der AkteurInnen überhaupt auf dem Kopf blieben. Manchmal schien man regelrecht ein Jonglieren zu bemerken. Aber das Ganze war prächtig anzusehen und wurde zudem von Kevin Wyn-Jones effektvoll ins Licht gesetzt. Hier kam es ja gerade auf die rechte Beleuchtung an, um auch kleine Nuancen zur Geltung zu bringen. Auch an geschmacklich allzu Skurriles wurde gedacht. So techelmechtelte Rosina mit einem in ihrem Salon stehenden Skelett in feudalem Ornat um dessen Zuneigung…

I. Slubovska, V. Jansons

I. Slubovska, V. Jansons

Das Sängerensemble dieses „Seviljas Barddzinis“ war sehr gut. Allen voran die ausgezeichnete Inga Slubovska als Rosina mit enormem Esprit, einnehmendem Charme, gekonnter Koketterie und einem klangvollen, gut geführten Sopran bei bester Diktion und guter Höhe. Janis Apeinis stand ihr an stimmlichen und darstellerischen Qualitäten in nichts nach und gab einen ebenso authentischen wie ausdrucksstarken Barbiere, voller Spielwitz und stimmlichem Glanz. Ganz hervorragend sang Pjotrs Micinskis als Bartolo mit seinem profunden und kultivierten Bass. Er war auch spielerisch ein Vergnügen. Rihards Macanovskis als Don Basilio sowie Ilona Bagele als Berta konnten auf diesem hohen Niveau gut mithalten. Juris Adamsons als Fiorello und Guntars Rungis als Offizier sangen ansprechend. Viesturs Jansons hatte mit seiner langen Auftrittsarie als Graf Almaviva zunächst noch Probleme mit der Intonation und Sauberkeit in der Stimmführung. Auch die Höhe wollte hier nicht recht klingen. Das wurde aber im Laufe des Abends, zumal als Lindoro und diversen Verkleidungen, viel besser. Der LNO Chor sang transparent und kräftig.

Ilona Bagele

Ilona Bagele

Modestas Pitrenas, in Riga zu Hause, stand am Pult des LNO Orchesters und fand schon in der herrlichen Ouvertüre gleich zum unverkennbaren Klang-Rhythmus Rossinis. Er hielt stets schwingende Tempi und konnte die SängerInnen zu den guten Leistungen bringen, indem er in sehr engem Kontakt zu ihnen stand und auf sie Rücksicht nahm. Bei dem Sextett musizierte er eine wunderbare dynamische Steigerung und ließ auch hier und da, zumal am Ende, als auf der Hinterbühne eine riesige Guillotine sichtbar wird, orchestrale Dramatik aufblitzen. Ein ungewöhnlicher Rossini-Abend in Riga mit großem Publikumszuspruch.

Fotos: LNO

Klaus Billand