Budapest-Wagner Tage: Camilla Nylund: Wagner und seine Zeitgenossen - 15. Juni 2018
Camilla Nylund mit Prof. Helmut Deutsch in Budapest
Schon seit vielen Jahren ist die finnische Sopranistin Camilla Nylund aus Vaasa als ausgezeichnete Wagner-Sängerin weltweit bekannt, mit großer Erfahrung in Bayreuth und auf fast allen großen deutschen Bühnen, sowie natürlich auch weit darüber hinaus. Schwerpunkte ihres Opernrepertoires sind Wagner, R. Strauss, Mozart, Verdi, und natürlich auch Fidelio. Nylund hat auch ein breites Konzert-Repertoire. Marksteine waren in den letzten Jahren ihre „Tannhäuser“-Elisabeth und Sieglinde-Interpretationen. Im Rahmen der von Ádám Fischer geleiteten Budapester Wagner Tage 2018 kam sie in den Palast der Künste und gab einen Soloabend zum Thema „Richard Wagner und seine Zeitgenossen“, obwohl diese Eigenschaft eher in Bezug auf die letzte Epoche der Schaffenszeit des Bayreuther Meisters zu verstehen ist. Zur selben Zeit war Nylund ja als Agathe im neuen Wiener „Freischütz“ tätig.
Wie im Programmheft zu lesen ist, träumte Camilla Nylund als junges Mädchen zunächst von einer Karriere als Popmusikerin. Später aber erwachte ihr Interesse für die Musik, und sie erwarb ein Diplom am Mozarteum Salzburg. International bekannt wurde sie mit dem Fidelio, der „Tannhäuser“-Elisabeth und der Salome. Richard Strauss ist auch ihr Lieblingskomponist. Sie arbeitete mit fast allen namhaften Maestros unserer Tage. Ihr Partner an diesem Abend im Festival-Theater des MÜPA war der weltbekannte Wiener Pianist Helmut Deutsch, der große und größte Sänger über Jahrzehnte begleitet hat, so wie derzeit Jonas Kaufmann, Diana Damrau und Michael Volle.
Der Abend konzentrierte auf Kompositionen der spätromantischen Epoche, die man normalerweise mit Orchesterbegleitung hört. So wurde mit der Klavierbegleitung eine intimere Atmosphäre für die Interpretation der Werke von Jean Sibelius (1865-1957), Gustav Mahler (1860-1911) und Richard Strauss (1864-1949) geschaffen. Und diese intime Wirkung stellte sich unmittelbar ein, nicht zuletzt durch das exzellente Verständnis zwischen Sängerin und Begleiter.
Nylund beginnt mit einer Serie von Jean Sibelius-Liedern auf Finnisch, die kaum über skandinavische Grenzen hinaus bekannt sind. Es beginnt mit dem kontemplativen „The Echo Nymph“, op. 72, No. 4, geht über „Reed, Reed, Rustle“, op. 36, No.4, mit seiner großen Ruhe und schönen Piani weiter mit „The Diamond on the March Snow“, op. 36, No. 6 mit von Nylund wunderbar warm und klangvoll angesungenen Höhen bei großer Wortdeutlichkeit, auch für den des Finnischen nicht Mächtigen. Es folgt „What is a Dream?“, op. 37, No. 4, mit eindrucksvollen Tiefen, in denen die Sängerin ihren warmen und bestens geführten Sopran zunächst mit großer Ruhe und am Ende steigender Dramatik hören lässt. Es folgt „Arioso“, op. 3 mit gut gelungenen Registersprüngen, sowie „The Girl Returned from Meeting her Lover“, op. 37, No. 5, schon schneller im Tempo und dynamischer im Ausdruck. Die Serie schließt mit den „Black Roses“, op. 36, No. 1, in denen Nylund bei hoher Dramatik ihre Top-Höhe unter Beweis stellt und damit einen spektakulären Schlusspunkt setzt.
Camilla Nylund
Dann kommt eine Lied-Serie aus „Des Knaben Wunderhorn“ von Gustav Mahler (zusammen gestellt von Arnim und Brentano). Mit „Wo die schönen Trompeten blasen“ zeigt Nylund ihre perfekte Liedstimme mit bester Diktion. Im dynamisch voranschreitenden „Das irdische Leben“ lässt Nylund am Ende eine beeindruckende Tiefe hören. In „Wer hat dies Liedel erdacht?“ singt sie nach dem langen Klaviervorspiel lyrisch, Ruhe ausstrahlend und schließlich gar kontemplativ. In „Urlicht“ kann sie schöne lange Bögen spannen, und in „Verlorne Müh!“ große Dynamik und ihre perfekte Diktion unter Beweis stellen. Im abschließenden „Trost im Unglück“ kommen rhythmische Züge zum Tragen. Auch hier zeigt Camilla Nylund ihre dramatische Sicherheit.
Nach der Pause geht es mit den Wesendonck-Liedern von Richard Wagner weiter, in denen Nylund großen stimmlichen Variationsreichtum und Gefühl für Emphase zeigt. Auch wird hier besonders offenbar – man kennt es halt auch besser – welch ausgezeichneter Begleiter Helmut Deutsch ist, besonders bei der Einleitung zu „Schmerzen“. Bei „Im Treibhaus“, der Studie zu „Tristan und Isolde“, erleben wir Nylunds herrliche Phrasierung bei sorgsam strukturierten Höhen und großer Kontemplation. Auch beeindrucken hier wieder ihre wundervollen Piani. In „Schmerzen“ spürt man gesanglich den Drang Mathildes zu Wagner zu kommen, von der Villa ins Asyl… Im abschließenden „Träume“ zeigt Nylund ihren langen Atem und die Leuchtkraft ihres Soprans. Wenn sie die Träume gesanglich „in die Gruft“ sinken lässt, meint man in der Tiefe ihrer Stimme die ewige Ruhe zu gewahren…
Schließlich kommt sie zu ihrem geschätzten Richard Strauss, mit einer Reihe von Liedern, die im Programmheft als „perfekte Mini-Dramen“ charakterisiert werden, die des Komponisten brillantes Opernwerk anklingen lassen. In „Heimliche Aufforderung“ klingt wieder Nylunds Potenzial für dynamischen Ausdruck durch. In „Die Georgine“ sind schöne dunkle Schattierungen zu hören, die den guten Übergang vom hohen Sopran in eine dunkle Mittellage dokumentieren. In „Die Verschwiegenen“ ist Energie und Erratik zu hörten. In „Freundliche Vision“ singt Nylund sehr sublim und kontemplativ. In „Ich liebe dich“ ist dramatische Energie angesagt, mit großer Mimik und auch extremer Tiefe. Am Schluss setzt Nylund eine fast Brünnhilde-artige Höhe oben drauf! Im abschließenden „Cäcilie“ beweist die Sängerin auch ihr exzellentes Legato.
Drei Zugaben muss sie dem begeisterten Publikum gewähren, und sie und Helmut Deutsch machen es gern: Auf Sibelius: „Varen Hyktar hastig“, op 13. No 4., folgen Richard Strauss‘ „Zueignung“, op 10. No 1. und Hugo Wolfs „Auch kleine Dinge können uns entzücken“.
Es war ein ganz besonderer Abend zu Richard Wagner und seinen (späteren) Zeitgenossen!
Fotos: János Posztós, Müpa Budapest
Klaus Billand