Madrid/Teatros del Canal: Dido and Aeneas – 22. Januar 2023

Barockoper in tänzerischer Abstraktion

Chor mit den drei Protagonisten

Chor mit den drei Protagonisten

Mit Spannung wurde der Besuch des Doyens der Barockmusik mit historischer Aufführungspraxis, William Christie, mit seinem Ensemble Les Arts Florissants in den Teatros del Canal in Madrid erwartet, wo er mit fünf eindrucksvollen Aufführungen der Barockoper „Dido and Aeneas“ von Henry Purcell das Publikum im restlos ausverkauften Haus begeisterte.

Solotanz

Solotanz

Blanca Li aus Granada, Künstlerische Direktorin der Teatros del Canal und Choreografin, Tänzerin, Schauspielerin sowie Cineastin in einer Person, zeichnete mit den Tänzern ihrer Compañía Blanca Li für Regie und Choreografie verantwortlich. In einer Koproduktion mit drei weiteren Theatern wollte man eine dezidiert zeitgenössische, leichte, gleichwohl aber mit den traditionellen Wurzeln behaftete Version dieser Oper aus dem Jahre 1689 produzieren. Und das ist weitestgehend gelungen.

Lea Desandre als Dido

Lea Desandre als Dido

In einem äußerst düsteren Bühnenbild mit einem in verschiedenen Goldtönen changierenden Bühnenparavent im Hintergrund sind die drei Protagonisten des Stücks, Dido, Aeneas und Belinda, auf hohen Säulen postiert und mit einer Art in bronzegoldfarbenen Toga umhüllt, sodass sie sich nur mit Köpfen und Armen bewegen können. Sie wirken wie Statuen und werden von Bühnenarbeitern je nach dramaturgischer Notwendigkeit in das stets subtil gestaltete Licht von Caty Olive nach vorn geschoben.

Ballett mit den Protagonisten

Ballett mit den Protagonisten

Evi Keller wirkte bei der Gestaltung dieser „Statuen“ ebenso wie bei der Matière-Lumière mit. Somit war eine völlige Konzentration auf den vokalen Part ihrer Aktion gewährleistet, was sich auch in großer Harmonie mit dem links um William Christie sitzenden Ensemble der Arts Florissants manifestierte.

Chor und Ballett mit den Protagonisten

Chor und Ballett mit den Protagonisten

Der präzis singende Chor, der immer wieder aus dem Dunkel des Hintergrunds tritt, ist wie die Tänzer in schwarze Kostüme von Laurent Mercier gehüllt. So kam die Hauptaufgabe der dramatischen Interpretation den sechs Tänzerinnen und Tänzern der Tanzkompagnie Blanca Li zu. Mit zeitweise akrobatisch intensivem modernem Tanz auf der mit einem dünnen Wasserfilm versehenen Bühne interpretieren sie die Stimmungen unter den Protagonisten und die dramaturgischen Entwicklungen mit enormer Vielseitigkeit in phantasievoller Bewegungsregie.

William Christie und Blanca Li

William Christie und Blanca Li

Die sichere Hand der Choreografen Li war in jedem Moment zu spüren, wenn auch hier und da einiges in die Nähe bloßer Gymnastik geriet. Der Mix aus intensiver tänzerischer Interpretation und gesanglicher Darstellung aus einer fast starren Haltung heraus erwies sich als spannend und abwechslungsreich in einer stets neue Assoziationen eröffnenden Regie.

Ensemble Les Arts Florissants

Ensemble Les Arts Florissants

Lea Desandre sang mit ihrem wohlklingenden und schön schattierten Mezzo eine wunderbare Dido. Nach ihrem herrlichen „When I am laid in earth…“ entglitten ihr wohl vor Rührung einige Tränen beim Schlussapplaus. Renato Dolcini war ein ausdrucksstarker Aeneas mit ebenso beachtlichem Wohlklang seines gut geführten Baritons. Ana Vieira Leite gestaltete die Belinda mit ihrem prachtvollen lyrischen Sopran und, ebenso wie Desandre, mit einnehmender Mimik. William Christie sorgte mit seinem achtköpfigen Ensemble und seinen Originalinstrumenten für den typischen, oft rhythmischen Sound der Arts Florissants. Ein Abend nahe der Perfektion!

Fotos: Pablo Lorente 1-5; K. Billand 6-7

Klaus Billand