Zu vermeintlichen Gendergerechtigkeit der deutschen Sprache - 2021-2022

Zur vermeintlichen Gendergerechtigkeit der deutschen Sprache – 2021-2022

1. Einführung

Zur Verteidigung einer vermeintlich gendergerechten Sprache im Deutschen wird oft ins Feld geführt, dass Sprachen sich im Laufe der Zeit verändern. Solche Veränderungen kommen aber nur über längere Zeiträume zustande, über mehrere Jahre und gar Jahrzehnte, und zwar von innen heraus, also von jenen, die diese Sprachen sprechen, von unten nach oben. Meist werden neue Worte oder Wortbedeutungen durch die Jugend eingeführt, auch neue Wortschöpfungen durch die anlässlich der wachsenden Bedeutung des Internets zunehmenden Anglizismen. Sogar die Orthographiereform hat die deutsche Sprache nicht verändert und gilt als gescheitert. Im Gegensatz zum Wortschatz, der sehr aufnahmefähig ist, sind grammatikalische und syntaktische Strukturen extrem stabil.

In der Belletristik und der Fachliteratur hat sich ebenfalls nichts geändert. Hier hat die vermeintlich gendergerechte Sprache keinen Einzug gehalten. Man findet sie in kaum einem in Deutschland, Österreich oder in der Schweiz verlegten Buch, nicht einmal in guten Zeitschriften und bedeutenden überregionalen deutschsprachigen Zeitrungen.

2. Ideologische Zielsetzung des Versuchs einer oktroyierten Veränderung der deutschen Sprache

Die eigentlich nur mit einer Aufsetzung zu vergleichende vermeintlich gendergerechte Sprache ist Ausfluss eines politischen Willens mit Ideologiekomponente, der seit relativ kurzer Zeit um sich greift. Er kommt im Wesentlichen durch das Betreiben der Gleichstellungsbeauftragten in Landes- und Stadtregierungen zustande, die den Auftrag zum Gendern durch Verordnungen und Vorschriften durchsetzen und an alle Landes- und städtischen Einrichtungen weitergeben und bisweilen sogar schriftliche Leitfäden dazu veröffentlichen. Ähnliches geschieht mittlerweile auch schon bei großen privaten Firmen mit Gleichstellungsbeauftragten, wohl auch aus einer Besorgnis heraus, dass ein Nichtmitmachen Umsatzeinbußen zur Folge haben könnte. Des Weiteren wird das Gendern vornehmlich von Moderatoren von TV-Sendungen betrieben (siehe Absatz 3).

Es ist letztlich ein politisch-bürokratisches Oktroyieren von Änderungen auf die deutsche Sprache, die somit nur von einer Minderheit als wünschenswert gesehen wird. Also eine diskretionäre Sprachänderung von „oben“ statt von unten. Und dabei entspricht das Gendern durchaus nicht dem Wunsch der Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland. Dort ergab eine Infratest Dimap Studie 2020, dass 56 Prozent der Befragten gegen das Gendern sind. Und dabei waren auch Frauen, die sicher auch Bücher lesen oder sich TV-Programme ansehen. Mittlerweile haben weitere Studien ergeben, dass die Ablehnung des Genderns in der deutschen Bevölkerung schon über drei Viertel, also 75% Prozent, liegt.

Ganz wichtig ist, hier Folgendes festzustellen: Da das Deutsche wie alle indoeuropäischen Sprachen funktioniert, und das ist die größte Sprachfamilie der Welt, ist das Gendern ein Angriff auf diese Sprachfamilie insgesamt, die sich ebenso wie das Deutsche die generische Form erhalten haben. Selbst im Arabischen ist sie ohne jeden Widerspruch die Normalform des sprachlichen Umgangs. Es kommt aber ein weiterer Faktor hinzu: Die Leichtigkeit des Genderns im Deutschen durch das einfache Anhängen der Suffixe „in“ und „innen“ ohne Einfluss der substantivischen Deklination. Das ist so einfach nur im Deutschen möglich. In den gesamten slawischen Sprachen ginge das Gendern überhaupt nicht, weil mit der Deklination der Substantive ständig signifikant andere Wörter entstehen.

3. Moderatoren in Presse und Fernsehen, Funktionäre in Landes- und Stadtverwaltungen, sowie Theater- und Opernintendanten und ihre Pressereferenten und Dramaturginnen

Moderatoren gendern vornehmlich in den Nachrichtensendungen, aber auch jene in Talkshows und TV-Interviews, immer nur die Moderatoren und Interviewer. Interessant ist nämlich, dass ihre jeweiligen Gesprächspartner sowie die in Dokumentationen und Interviews Befragten, und seien sie auch aus der noch so avantgardistischen Kulturszene, de facto nie gendern. Man hat oft das Gefühl, Moderator und Interviewter sprechen verschiedene Sprachen – so wie es Zerbinetta von Ariadne in der Oper „Ariadne auf Naxos“ von Richard Strauss vermutet… Man könnte aber auch meinen, es handele sich um ein Moderatoren- und Interviewer-Kartell zu Gunsten der vermeintlich sprachlichen Gendergerechtigkeit gegen den sprachlichen Mainstream und zur letztlichen Umerziehung des ach so ahnungslosen Sprachvolkes, welches aber allein über lange Zeiträume Sprachveränderungen bewirkt!

Leider muss man nun auch immer häufiger feststellen, dass auch Theater- und Opernintendanten sowie ihre Pressevertreter zu bisweilen intensivem Gendern übergehen. Da kann es dann einem wie an der Staatsoper Hannover passieren, dass auf der Eintrittskarte „Besucher*in“ steht, obwohl völlig klar ist, dass der Karteninhaber ein Mann ist. In den Programmheften wird es dann oft mit dem Verfälschen und der Unlesbarmachung des an sich kristallklaren Deutschen regelrecht abenteuerlich – nur um das Gendern gegen jedes rationale Bedenken und grammatikalische Sachverhalte durchzuziehen.

Man muss sich fragen, woher die Verantwortlichen das Recht nehmen, in einer fast völlig von der öffentlichen Hand, also vom Steuerzahler, der in seiner Mehrheit zudem die Theater überhaupt nicht besucht, in ihren Texten bedenkenlos zu gendern. Gerade sie müssten sich aufgrund der Öffentlichkeit ihrer Institution an die Empfehlungen des Deutschen Rechtschreibrats vom 26. März 2021 halten, in dem Deutschland eine sehr hohe Stimmenzahl hat und also bedeutsam mitentscheidet. Sie sollten sich unbedingt mit den Details jener Empfehlungen auseinandersetzen, insbesondere mit der Definition der nicht norm-gerechten Formulierungen.

Ein Lösung könnte eine Publikumsbefragung zum Gendern in den Theater- und Operntexten des jeweiligen Hauses sein. Das gäbe schnell ein klares Bild. Hat man davor etwa Angst?! Oder nimmt man das Publikum in seiner Entscheidung über das Gendern nicht für voll? Wo bleibt da das Demokratieverständnis der Theaterintendanten und Dramaturgen?! Wo man in den Stücken doch immer mehr auf den demokratischen Diskurs und seine Sichtbarmachung in den Regiekonzepten pocht!

4. Verfälschung der sprachlichen Aussage durch Nutzung des Partizip Präsens

Die Sprache wird durch das Gendern auch in ihrer Aussage verfälscht, was gravierend, aber im Fall der deutschen Sprache auch leicht belegbar ist.

Eine Ausflucht aus der auch von Moderatoren, Intendanten und Dramaturgen erkannten Problematik bis zur sprachlichen Undurchführbarkeit des wortgetreuen Genderns, welches selbst die Chefin des Dudens zugibt, nicht zu beherrschen, wird nun immer häufiger durch das Partizip Präsens versucht.

Um einer nur vermeintlichen geschlechtlichen Festlegjung auszuweichen, wie in „Studenten“ oder „Forscher“, bei der die Gender-Befürworter fälschlicherweise eine maskuline Exklusivität orten, während es sich nur um eine sexusindifferent generische Form handelt (Merke: Im sprachlichen Deutsch fallen biologisches und semantisches Geschlecht, mit der Besonderheit der Markiertheit des Weiblichen, auseinander). Dabei handelt es sich um eine klare Verfälschung oder grobe Ungenauigkeit der solchermaßen gegenderten deutschen Sprache. Der Student oder die Studenten, ob Mann oder Frau, hat/haben die Eigenschaft, immer zu studieren, solange das Studium anhält, bis es beendet ist. Der/die Studierende muss noch nie eine Universität von innen gesehen haben, um in einem eng begrenzten Zeitraum etwas zu studieren, z.B. die Stellanzeigen in der Zeitung. Der Forscher tut dies als Beruf, jedenfalls ist er ständig mit der Forschung befasst. Der/die Forschende hingegen forscht gerade mal nach einer Sache, ist aber bald damit fertig und im Grunde etwas ganz anderes, z. B. ein Busfahrer. Hier liegt also ein eklatanter Verstoß gegen die Klarheit der deutschen Sprache vor, allein um des Genderns Willen. Und hier wird auch klar, dass das Gendern nicht durchzuhalten ist, will man sich korrekt und genau ausdrücken, wie es von jeder Sprache nun einmal erwartet wird.

5. Verfälschung der sprachlichen Aussage durch Konfusion beim nicht gesprochenen Glottisschlag und Genderstern

Immer wieder stellt man nun fest, dass Moderatoren einer Nachrichtensendung oder Doku ein Substativ, das sowohl Frauen wie Männer umfasst, mit der Endung „-innen“ gebrauchen, ohne den an sich vorgesehenen sog. Glottisschlag zu berücksichtigen, also eine kurze Sprechpause zu machen. Damit wird ein gravierender Verständnisfehler produziert. Es wird gar nicht mehr versucht, den sog. Genderstern, das „Binnen I“, den Doppelpunkt, den Schrägstrich oder den Unterstrich (alles nicht norm-gerechte Formen nach dem Deutschen Rechtschreibrat) auszusprechen, was phonetisch nicht geht, womit das auf „-innen“ endende Substantiv wie ein durchgehendes Wort gesprochen wird. Damit sagt der Moderator grammatikalisch automatisch, dass mit der Aussage nur Frauen gemeint sind. Es ist aber aus dem Zusammenhang offensichtlich, dass Frauen und Männer gemeint sind (was im Schriftbild durch den Genderstern, das „Binnen I“, den Doppelpunkt, den Unterstrich oder den Schrägstrich im Prinzip sichtbar wäre). Diese Formulierung ist also eine ernstzunehmende Verfälschung der Sprache und ihrer Ausdrucksfunktion.

Obwohl das Weibliche im Deutschen markiert ist (siehe Absatz 9) werfen diese Leute die weibliche Form, die ausschließlich Weibliches meinen kann, mit dem Männlichen durcheinander. Meist mit der äußerst fragwürdigen Begründung, dass die Männer durch das vermeintlich generische Maskulinum, was aber, de facto, nur eine generische Form ist, also sexusindifferent, ohnehin zu oft genannt würden. So müssten nun auch die Frauen in einem demokratischen Sprachverständnis zu ihrem Recht kommen, nicht nur mitgenannt, sondern ausdrücklich genannt zu werden, auch wenn dadurch die Sprache in ihrer Aussage verfälscht wird. Im österreichischen ORF feiert diese klare Fehlformulierung derzeit fröhliche Urständ auf höchster Ebene, in der „Zeit im Bild 1“ und „ZIB 2“, die sehr viele Österreicher sehen. Da geht es aber wie „mit Kraut und Rüben“ weiter. Kurz darauf heißt es dann die „Mitarbeiter“ (womit richtigerweise auch Frauen gemeint sein können, aber genauso wie Frauen auch Männer mitgemeint sein können, da die Form geschlechtsneutral ist) und schließlich die „Demonstranten und Demonstrantinnen“ – also von allem etwas, völlig willkürlich! Die deutsche Sprache bleibt dabei in ihrer bisherigen Klarheit auf der Strecke und wird durch die letztgenannte Doppel-Form sprachlich unerträglich, wenn sie oft hintereinander gebracht wird, sowie unnötig aufgebläht. Unkontrolliert und ungestraft, bisher jedenfalls… All das findet sich derweil in der deutschen Belletristik und in Fachbüchern überhaupt nicht.

Ganz nebenbei wird übersehen, dass mit dem Durchsprechen von z.B. „Teilnehmerinnen“ alle nicht-binären Geschlechterformen, eine Mikrominderheit allemal, ausgeschlossen werden. Denn nun sind, de facto, in der richtigen Interpretation des Gesagten, ausschließlich Frauen gemeint… Wo bleibt der Protest der BQIT-Gruppe, der Männer ohnehin?! Wenn das weiter um sich greift, muss man annehmen, dass Dinge oder Sachverhalte nur noch Frauen betreffen und die Männer völlig ausgeschlossen sind… Was hätte das für juristische Konfusionen, beispielsweise vor Gericht, zur Folge!

6. Gegenargument gegen den Genderstern und den gesprochenen Glottisschlag

Genderstern und Glottisschlag führen nicht etwa zusammen und sind auch nicht inklusiv! Ganz im Gegenteil, sie trennen zwei Silben, wie z.B. in Spiegel:ei, der Glottisschlag trennt hier Spiegel von Ei. Ohne ihn würde man Spiegelei sagen, was etwas ganz anderes bedeutet (z.B. in Eulenspiegelei).
Auch im Sinne der Inklusion ist der Genderstern bzw. Glottisschlag also kontraproduktiv und bewirkt exakt das Gegenteil des Intendierten, nämlich eine Trennung. Dies ist auch die einzige Funktion, die der Glottisschlag hat.
Indem man einfach den gegenderten bzw. gesprochenen Glottisschlag, also die im Deutschen überhaupt nicht bekannte kurze Sprechpause (im Arabischen ist sie normal) an der vermeintlich alle Geschlechter umfassenden Form, auch die nicht binären, wie in „Teilnehmer*innen“, weglässt, also das Wort „Teilnehmerinnen“ ausspricht, meint man aber trotzdem auch Männer mit. Das ist der vorläufige Höhepunkt der genderbedingten Sprachverfälschung!

7. Sachverstand einschlägiger Fachleute

Der bekannte Linguist Peter Eisenberg schrieb nach einer Reihe von relevanten Artikeln zum Thema seit 2017 am 8. Januar 2021 in Renovatio – Institut für kulturelle Resilienz einen Aufsatz zum Thema “Die Zerstörung der Sprache durch Gender-Ideologie”, der höchst lesenswert ist:

https://renovatio.org/2021/01/peter-eisenberg-die-zerstoerung-der-sprache-durch-die-gender-ideologie/

Am 9. Juni 2018 schrieb Dichter Reiner Kunze in der Passauer Neuen Presse den Aufsatz „Der Sprachgenderismus ist eine aggressive Ideologie“:

https://www.pnp.de/nachrichten/kultur/Dichter-Reiner-Kunze-Sprachgenderismus-ist-eine-aggressive-Ideologie-2971049.html

Am 10. April 2019 schrieb Josef Bayer, emeritierter Professor für allgemeine und germanistische Linguistik an der Universität Konstanz, in der Neuen Zürcher Zeitung folgenden erhellenden Artikel zum Thema „Die geschlechtergerechte Sprache macht linguistische Denkfehler“:

https://www.nzz.ch/feuilleton/die-geschlechtergerechte-sprache-macht-linguistische-denkfehler-ld.1472991

Interessant ist auch der zufällig fast genau an dem Tag, an dem der Rat für deutsche Rechtschreibung seine Empfehlungen zum normgerechten Schreiben verkündete, erschienene Aufsatz von Nikolaus Lohse „Warum „Bäcker“ auch Frauen sein können und der Bohrer kein Mann ist“ vom 27.3.2021 in der „Welt“:

https://www.welt.de/kultur/plus229044189/Streit-ums-Gendern-Warum-Baecker-sehr-wohl-auch-Frauen-sein-koennen.html

In diesen Artikeln wird eigentlich alles erklärt und auf die Konsequenzen hingewiesen, die das Gendern in der deutschen Sprache bewirken wird: Ihre Verarmung und Fehlerhaftigkeit. Ich würde sogar sagen, ihre Verhunzung! Ein mechanistischer Eingriff in die deutsche Sprache, in Form eines Automatismus‘ – und nichts Anderes ist das Gendern mit Formen wie „Teilnehmer*innen“ oder „Steuerzahler*innenbund“ – ist eben nicht möglich. Das gibt die deutsche Sprache einfach nicht her – und wahrscheinlich keine Sprache. Es können sich allenfalls Silben in ganzen Worten ändern, Begriffe ganz verschwinden (wie das „Fräulein“), oder Worte können ihren Sinn verändern, über sehr lange Zeiträume, aber nicht
ihre schriftliche Darstellung. Man denke nur, wie lange es gedauert hat, bis man filharmonisch satt philharmonisch, Frisör statt Friseur o.Ä. gesagt hat, und immer noch laufen beide Formen nebeneinanderher. Manche Medien haben die letzte Rechtschreibreform sogar nicht einmal mitgemacht. Aber die ist mit dem Gendern nicht im geringsten zu vergleichen. Und die deutschsprachige Belletristik und die Fachbuchliteratur machen das Ganze überhaupt nicht mit!

8. Universität Leipzig: Männer auch „Professorinnen“!

An der Universität Leipzig hat man offenbar beschlossen, dass die Professoren in der weiblichen Form, also als Professorinnen, angesprochen werden, auch wenn es sich um Männer handelt. Ein weiterer Fall, der zu ernstem Nachdenken anregt: „Die Soldatinnen wurden auf der ganzen Front zurückgeschlagen.“ Offenbar eine Fehlinformation, denn es waren gerade in diesem Fall sicher auch Männer dabei…

9. Begriff der Markiertheit des Weiblichen in der deutschen Sprache

Dabei ist es doch ganz einfach. Im Gegensatz zu anderen Sprachen kennt die deutsche die sog. markierte Form bei der weiblichen Ausdrucksweise. Der Linguist Roman Jakobson (1896–1982) kreierte den Begriff der Markiertheit. Diese wird dadurch dokumentiert, dass bei der weiblichen Form des Substantivs immer ein „-in“ oder im Plural ein „-innen“ als Suffix anhängt. Die männliche Form hat eine solche Markierung nicht. Bei: Ich gehe zum „Arzt“ oder „die Ministerpräsidenten“ kann es sich sowohl um Männer wie um Frauen handeln; es wäre reiner Zufall, wären es nur Männer. Angesichts dieser Nichtmarkierung des Männlichen könnte man sogar sagen, dass das männliche Geschlecht in der deutschen Sprache gegenüber dem weiblichen benachteiligt ist.

10. Generische Form statt generisches Maskulin (Sexusindifferenz)

Nun wird aber in der Un-Markiertheit des männlichen Geschlechts fälschlicherweise das sog. „generische Maskulin“ geortet. In Wahrheit handelt es sich aber um eine generische Form, die zwar das Männliche, aber auch das Weibliche und weitere Geschlechterformen, die sich derzeit herauszubilden bzw. stark zu artikulieren scheinen, umfasst, aber neben den Homosexuellen nur eine Mikrominderheit ausmachen. Die generische Form ist sexusindifferent oder geschlechtsneutral. Sie macht damit auch den ohnehin kontraproduktiven Genderstern (siehe auch Absätze 5 und 6) überflüssig, welcher den Anspruch erhebt, im Gegensatz zum vermeintlich generischen Maskulin alle nur denkbaren Geschlechterformen zu inkludieren (Stichwort „Inklusion“).

11. Generisches Feminin (Sexusindifferenz)

Es gibt auch ein „generisches Feminin“, z.B. die Person, die Leiche, die Majestät, die Exzellenz, die Geisel etc. Allerdings ist das generische Feminin wesentlich seltener, und alle Berufsbezeichnungen, um die es ja im Wesentlichen beim Betreiben um Gendergerechtigkeit in der Sprache geht, sind ein vermeintlich generisches Maskulin, de facto aber die generische Form. Diese Regel gilt praktisch für alle indoeuropäischen Sprachen (romanisch, slawisch etc.), wobei das moderne Englisch in gewisser Weise eine Ausnahme bildet, weil das Feminin weitestgehend verschwunden (bis auf wenige Worte französischen Ursprungs wie actress, mistress et al.; siehe auch Absatz 17) und ausschließlich maskulin ist.

Besser wäre markierte Form (Feminin) und nichtmarkierte Form (Maskulin) zu sagen, aber dieser Begriff wird von den meisten nicht verstanden und sich deshalb leider kaum durchsetzen.

12. Mangelndes Sprachverständnis der Genderbefürworter

Wer also unbedingt das „-in“ und „-innen“ anhängen will, oder Binnen I oder Ähnliches wie den Genderstern einbringt, um vermeintlich „gendergerecht“ zu formulieren, beweist vielmehr, dass er die deutsche Sprache und ihre lange gewachsenen Strukturen nicht vollumfänglich versteht oder aufgrund einer ideologischen Mission oder kognitiver Wahrnehmungen auf dieses Verständnis bewusst verzichtet. Interessanterweise negiert nun auch der deutsche Duden diese Realitäten und bringt entsprechende Vorschläge zum Gendern heraus – obwohl dessen Chefredakteurin zugibt: „Wie man richtig gendert, kann ich nicht so einfach beantworten.“ Ob damit der Duden seine bisherige Qualität als ultimative Referenz für die deutsche Sprache behält, darf zumindest mittelfristig bezweifelt werden!

13. Das weibliche „-in“ und „-innen“ nur Anhängsel des Männlichen

Wenn man es etwas überspitzt formulieren wollte, wäre sogar zu sagen, dass sich jene, die auf sprachliche Gendergerechtigkeit pochen, mit dem zwanghaften Anhängen von „-in“ und
„-innen“ an die von ihnen vermeintlich für biologisch maskulin gehaltene Form – von zumeist Berufsbezeichnungen – auf „-er“ (die aber de facto eine generische ist) gar keinen Gefallen tun. Denn sie formulieren wieder nicht gendergerecht: Das Weibliche wird lediglich zum semantischen Anhängsel des (vermeintlich) Männlichen, also einem Suffix…

Im oben zitierten Aufsatz von Nikolaus Lohse erscheint folgender Satz von zentraler Bedeutung:

„Aber sollte nicht gerade umgekehrt die Öffnung hin zu diversen Identitäten, für deren Einbindung die Sprache keine Kategorien bereithält, ein Argument sein, mit dem einzig generisch-integrativen Genus – dessen Benennung als „Maskulinum“ man aus heutiger Sicht für einen terminologischen Betriebsunfall halten kann – etwas pfleglicher umzugehen?! Überhaupt: Hätte man in der historischen Grammatik nicht ausgerechnet diese aus der Biologie entlehnten Begriffe gewählt, um Substantive zu klassifizieren, müssten wir die ganze heutige Diskussion nicht führen!“

Es ist in diesem Zusammenhang auch festzustellen, dass es den Genderbefürworterinnen und -befürworten einzig um eine vermeintliche gendergerechte tägliche Berufsbezeichnung und auch in der Kultur geht, also Bäcker*innen, Schreiner*innen, Friseur*innen sowie Künstler*innen, Sänger*innen, Schauspieler*innen etc. Eine systematische Konsequenz des Genderns, die man ja erwarten müsste, findet aber nicht statt: Wenn es darum geht, Personensubjekte wie Mörder, Delinquent, Verbrecher, Ehebrecher, Einbrecher, Straftäter etc. mit dem Suffix „-innen“ enden zu lassen, also zu gendern, versagt offenbar regelmäßig die Genderphantasie…

14. Option der Nennung beider Geschlechter und ihre semantische Grenze

Es gäbe einen Vorschlag zur Güte: Man könnte bei der ersten Gelegenheit oder einmal im Text einfach „-innen“ und „-er“ bei einem relevanten Substantiv sagen. Also „die Teilnehmerinnen und Teilnehmer“. Aber bitte ohne den Glottisschlag, der ohnehin mit der Zeit wieder verschwinden wird, weil niemand eine solch mechanistische Sprachkonstruktion auf die Dauer aushält und sprechen wird, nicht einmal die TV-Moderatoren. Hier wird die Sprachökonomie mit ihrer Erosion von Ungereimtheiten sicher ihre Wirkung zeigen. Im Rest des Beitrags bleibt man dann bei der bisher üblichen, auch in der Belletristik und Fachbuch-Literatur maßgebenden generischen bzw. unmarkierten Form. Tagtäglich ist festzustellen, dass dies ohnehin schon so gemacht wird. Denn ein ständiges, gewissermaßen durchkomponiertes Enden auf „-in“ oder „-innen“ würde Zuhörer und Leser in den sprachlichen Wahnsinn treiben und mehr Text und damit Platz kosten, ohne dass Substanz hinzukäme. Eine unnötige Aufblähung von Texten wäre die Folge.

15. Völlig unterschätzte Rolle der Sprachökonomie beim Genderversuch

Womit wir bei einer weiteren Regel wären, gegen die die vermeintlich gendergerechte Sprache ebenfalls verstößt, der Sprachökonomie. Sprachen entwickeln sich nach der Regel, so ökonomisch wie möglich zu sein. Das Gendern mit in der Regel erhöhter Wortzahl spreizt den Text signifikant auf, ja bläht ihn auf, ohne inhaltliche Substanz hinzuzugewinnen. Das wird auch einer der Gründe sein, warum es in der Belletristik und Fachbuch-Literatur nicht vollzogen wird. Allein von daher wird das Gendern insgesamt auf lange Sicht im allgemeinen Sprachgebrauch wohl wieder erodieren zugunsten einer ökonomischeren Sprache – einfach durch den täglichen Sprachgebrauch. Am Ende könnte man dann frei nach Shakespeare sagen: „Viel Lärm um nichts.“

16. Und wer denkt an die Deutsch-Studenten?!

Und haben sich die Befürworter des Genderns einmal gefragt, wie ein Ausländer dann die deutsche Sprache lernen soll?! Wir leben in der Staatengemeinschaft der EU und sollten auch darauf erpicht sein, dass die deutsche Sprache erlernbar bleibt. Deutsche und Österreicher führen in der EU meist die Touristenstatistiken an…

17. Es gibt aber noch etwas ganz Verblüffendes:

Das alte Englisch, das wesentlich komplexer war, hatte drei Geschlechter wie heute das Deutsche.

Die altenglische Endung -ere für jemanden, der etwas macht, war maskulin. Daraus wurde später -er (teacher, singer, lover etc.) oder Deutsch: Lehrer, Sänger, Liebhaber. Die altenglische Feminin-Endung dazu war -estre.
Die Feminin-Endung -estre verschwand später fast komplett, abgesehen von wenigen Ausnahmen wie z.B.“seamstress”, so dass im heutigen Englisch nur noch die Maskulin-Endung -er existiert oder -or bei Wörtern, die aus dem Französischen bzw. Lateinischen kommen (professor, actor, doctor etc.).
Das moderne Englisch hat also bei Berufsbezeichnungen, (um die es ja im Genderdeutsch im Wesentlichen geht), nur noch eine Maskulin-Endung, die für alle gilt und auch generell akzeptiert ist.

Andererseits legen die englischen Schauspielerinnen Wert darauf, als “actor” angeredet zu werden und nicht als “actress”, was als abwertend gilt.

Es ist also nicht so, wie vielfach positiv herausgestellt wird, dass das moderne Englisch kein Gender hätte und damit gerechter wäre, ganz im Gegenteil, es hat nur das Maskulinum!

Im Deutschen ist das Weibliche mit einer eigenen Feminin-Endung („-in“ und „-innen“), mit der sog. Markierung privilegiert. Auch in den romanischen und slawischen Sprachen haben sie diesen Vorzug. Siehe auch: https://en.wikipedia.org/wiki/Old_English_grammar

18. Schlusswort

Es geht mir bei dieser Thematik um etwas ganz Wesentliches: Die Beibehaltung der Schönheit und Klarheit der deutschen Sprache, so wie sie sich über einen langen Zeitraum entwickelt hat. Und da wirkt die Oktroyierung einer vermeintlichen Gendergerechtigkeit, die de facto gar keine ist, sowie ihre verschiedenen Erscheinungsformen, wie Genderstern und andere Sonderzeichen, wie ein krasser Fremdkörper an der Sprache.

Ich möchte in dem Zusammenhang noch an den Turmbau zu Babel im Alten Testament erinnern, eine traurige aber schöne und hier durchaus passende Geschichte. Die Menschen wollten im Stile einer Selbstüberhöhung mit einem immer höheren Bau des Turms Gott gleichkommen. Bekanntlich strafte er sie durch die babylonische Sprachverwirrung, die dazu führte, dass sie sich nicht mehr verständigen konnten….

Klaus Billand

Wien, März 2021, aktualisiert Januar 2022