Zum Neubau des Berliner Stadtschlosses/Humboldt-Forum - ein Kommentar - November 2013
Berliner Schloss - Entwurf Braunfels
Es ist völlig unverständlich, warum die Stiftung Berliner Schloss-Humboldtforum, die den höchst relevanten Vorschlag des Architekten Stephan Braunfels sogar als Scharlatanerie bezeichnet, und Wilhelm von Boddien, Chef des Fördervereins für den Wiederaufbau des Berliner Schlosses, sich dermaßen gegen eine Diskussion der Öffnung des Schlosses zum Osten unter Weglassung des modernistischen Ostflügels von Franco Stella stemmen. Dieser wird im bekannt berüchtigten Berliner Volksmund auch schon „Kasernenwand“ oder „Allerwelts-Schießscharten-Riegel“ genannt. Hat man denn bereits völlig vergessen, dass es schon nahezu ein Wunder war, dass sich der Wiederaufbau des Berliner Schlosses politisch überhaupt durchsetzen ließ?! Hat man vergessen, wie gespalten gerade im Osten der Stadt die öffentliche Meinung zum Abriss des „Palastes der Republik“ war, mit dem Ostberliner Bürger auch positive Erinnerungen verbanden, u.a. bedeutende Freizeitaktivitäten?!
Berliner Schloss - Entwurf Stella
Als hätte all das nicht statt gefunden, oder wäre – unglaublicherweise – bereits in Vergessenheit geraten, würde man nun mit der modernen Ostfassade genau diesem alten Berlin, Ost-Berlin, in dem die Bedenken gegen das Schloss am größten waren, sozusagen den „Hintern“ zeigen. Braunfels’ Entwurf für die Öffnung des Schlosses mit dem Schlüterhof nach Osten ist also auch ideell und sogar politisch viel besser, ganz abgesehen von seiner besseren Optik und Harmonie, denn er breitet offen die Arme des Westens nach Osten aus und symbolisiert so metaphorisch die Wiedervereinigung auch im Rahmen des alten Stadtschlosses. Das ist doch ein ganz wichtiges Symbol, ein in Stein gehauenes und Generationen überdauerndes Symbol der Öffnung nach Osten, der Gemeinsamkeit der Hauptstadt für alle Berliner und Berlinerinnen, eine Botschaft der Versöhnung und Wiedervereinigung! Es wäre ähnlich dem Petersplatz in Rom, wo der Petersdom mit seinen Flügelgalerien räumlich die (Welt-)Gemeinde umschließt und sich ihr öffnet, ganz im Sinne von Verständigung und Gemeinschaftsgefühl. Die am Ende des Petersplatzes beginnende Strasse – was bei Braunfels die den Pariser Tuilerien ähnliche räumlich erschlossene Achse zwischen Schloss und Fernsehturm wäre – heißt nicht nur zufällig Via della Conciliazione… Beim Entwurf von Franco Stella gibt es hingegen nur ein Drinnen oder Draußen. Die sich nach Osten öffnende U-Form von Braunfels wäre auch ein Pendant zum Kanzleramt und zum Paul Loebe Haus über die Spree. Beide Gebäude sind an ihrem östlichen Ende auch offen und laden damit zum Eintritt ein – ebenfalls mit großer Symbolkraft.
Schlüterhof - Entwurf Braunfels
Wenn man nun bürokratisch und politisch starrsinnig, und mit fragwürdigen logistischen und finanziellen Argumenten, auf dem modernistischen Ostflügel besteht, könnten und werden wahrscheinlich Spötter später sagen, dass die Westberliner mal wieder die Schokoladenseite für sich behalten haben, mit einem Billigbau nach Osten, mit dem sie sich auch optisch noch nach Osten abschotten. Solche polit-symbolischen Argumente sollte man in ihrer Bedeutung nicht unterschätzen. Das kann später zu einer Ablehnung des Schlosses führen, die an die alte Zeit des Widerstands gegen den Weideraufbau an sich erinnern, ohne dass dann der Schaden reparabel wäre. Über 90 Prozent Zustimmung für den Braunfels-Entwurf in einer Demokratie wie einer in Berlin verstandenen sind nicht einfach wegzuleugnen. Damit muss man sich nun mit offenem Ausgang befassen. Es ist seit der Beschlussfassung auch sehr viel Zeit vergangen, und Dinge ändern sich bekanntlich mit der Zeit – Glück für jene, die sich (noch) darauf einstellen können. Das neue alte Berliner Schloss wird an erster Stelle ein Schloss der Berliner sein. Sie müssen es mögen, sie müssen dazu gehört werden – auch heute noch und erst recht angesichts einer so bemerkenswerten Alternative.
Sichtachse nach Osten - Entwurf Braunfels
Mögliche Mehrkosten durch Vertragsänderungen etc. sind sicher mit den Kostenersparnissen des Braunfels-Entwurfs zu decken. Dieses Argument ist einfach zu billig. Und in den bereits gebauten Keller des Ostflügels kann man dann eine Garage einbauen, oder – besser noch – eine Bowling-Bahn…
Fotos: Archiv Stephan Braunfels
Klaus Billand