Linz: Die Meistersinger von Nürnberg - 15. April 2023

Über das Ziel hinausgeflippert

Evas Kinderzimmer

Evas Kinderzimmer

Zum 10-jährigen Jubiläum des Musiktheaters ließ das Landestheater Linz Richard Wagners „Meistersinger von Nürnberg“ neuinszenieren. Man engagierte den wenig Wagner-erfahrenen Regisseur Paul-Georg Dittrich mit seinem Bühnenbildner Sebastian Hannak, der Kostümbildnerin Anna Rudolph und dem Videodesigner Robi Voigt. Das Team versucht, das Stück in „bester“ Regietheater-Manier einmal mehr völlig umzukrempeln – allerdings nur mit mäßigem Erfolg. Ausgangspunkt ist Eva Pogner, aus deren Sicht die Problematik der Unvereinbarkeit des Kunstbegriffs der Meistersinger mit jenem von Stolzing gesehen wird, bzw. werden soll.

Der "Held" links mit David und Eva

Der "Held" links mit David und Eva

Es beginnt am 15. April in Evas Kinderzimmer mit einem Riesen-Teddybär und den aufziehbaren Spielzeugfiguren David und Magdalena à la Olympia, die freilich das ganze Vorspiel vertändeln. Es ist gerade bei Wagner nahezu immer der Fall, dass sich schon vor dem Vorspiel der Vorgang hebt und man sich, statt sich auf das Stück musikalisch einzustimmen, sofort mit teils hinzugedichtetem teils ohnehin später stattfindendem Theaterspiel befassen muss. So holt dann Eva ihren „Helden“ Stolzing mit anonymer weißer Maske und Ritterrüstung aus einer Spielzeugkiste, um ihn auf der Festwiese nach dem Preislied wieder in einen solchen zu verpuppen und mit ihren Worten „Nicht Meister! – Nein! Will ohne Meister selig sein!“ zu verschwinden. Man will also die Frage stellen, ob die Frau nach heutigen Maßstäben noch so auf der Opernbühne gezeigt werden kann, wie Eva hier von Wagner konzipiert wurde.

Grenzen des Kitsches

Grenzen des Kitsches

Leider verliert dieser an sich löbliche Ansatz schnell an dramaturgischer und darstellerischer Wirkung, wenn die Meistersinger schon im 1. Akt als offenbar jeden Ernstes verlustig gegangene uniforme Clown-Gruppe gezeigt werden – obwohl sie doch über eine lange Zeit viel für die Kunst getan haben – und Eva im 2. Akt fast wie ein Flittchen durch die Männerwelt lichtert. Hier rückt nun ein riesiger Flipper (pinball) mit entsprechendem Video-Spektakel ins Zentrum des Geschehens, hinter dem das Regieteam eine Art Reise anhand einer filmischen „Zoom-out-Bewegung“ sieht. Dazu streift das Bühnenbild mit übertrieben bunten, kirmesartigen Elementen die Grenzen des Kitsches. Da dürfen zwei riesige Nürnberger Rostbratwürste ebenso wie grelle Farbeffekte, auch in den Kostümen, nicht fehlen.

Eva mit Sachs

Eva mit Sachs

Jedenfalls verläuft sich spätestens im 3. Akt das nur durch konzentriertes Lesen eines Programmaufsatzes noch in Grenzen verständliche kopfbetonte Regiekonzept, wenn in einem Bunker Sachs mit einem einzigen Flipper befasst ist, zu dem nach und nach ein Gabelstapler weitere elf Flipper hinzufügt. Nachdem die Festwiesengesellschaft verschwunden ist, flippern Nürnberger Kinder wie entfesselt auf ihnen, die immerhin noch jeweils für einen bekannten Komponisten stehen, herum. Die großen Charaktere wie Sachs, Pogner, Beckmesser, aber insbesondere auch Stolzing mit ihren musikalischen Motiven kommen indes in diesem Konzept viel zu kurz. Die Kernaussage der „Meistersinger“ wird nicht erkennbar getroffen.

Beckmesser mit einem Flipper

Beckmesser mit einem Flipper

Musikalischer Lichtblick war Chefdirigent Markus Poschner mit dem Bruckner Orchester Linz, das bei stets passenden Tempi seine große Wagner-Kompetenz ausspielte und in allen Instrumentengruppen bestens besetzt war. Die von Elena Pierini und Martin Zeller geleiteten Chöre agierten eindrucksvoll. Claudio Otelli sang einen guten, wenn auch – teilweise regiebedingt – nicht allzu persönlichkeitsstarken Sachs. Dominik Nekel war ein klangvoller Pogner, der eingesprungene Ralf Lukas ein exzellenter Beckmesser, Erica Eloff eine vielseitige Eva mit kraftvollem Sopran und Heiko Börner ein vokal wenig überzeugender Stolzing.

Fotos: Reinhard Winkler

Klaus Billand

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