Mögliche positive Folgen der Corona-Krise auf die Opernregie im Allgemeinen und die Wagner-Rezeption im Besonderen - Juni 2020

K. Billand, Autor

K. Billand, Autor

Einführung

Die Corona-Krise führte mit ihrer Auswirkung auf den Opernbetrieb – und auf den möchte ich mich hier konzentrieren – zu einer äußerst schmerzhaften kulturellen Enthaltung, deren Länge, de facto, noch nicht ganz absehbar ist und die fast alle Aufführungen seit über zwei Monaten und nahezu alle Opernfestspiele des Sommers 2020 getroffen hat. Danach werden wir besser oder gar erst nach längerer Zeit wieder so richtig wissen, wie bedeutend die Kultur für unsere westliche Gesellschaft und ihre Ausprägung in der klassischen Musik ist. Das war vielleicht auch einmal überfällig – für mein Dafürhalten sogar tatsächlich. Es könnten durchaus auch positive Lehren bzw. Entwicklungen aus der Corona-Krise für die Opernregie im Allgemeinen und die Rezeption des Wagnerschen Werkes im Besonderen gewonnen werden.

Die freischaffenden Sänger und ihre finanziellen Ansprüche

Zunächst einmal zu den freischaffenden Sängern, also den Menschen, Individuen wie Du und ich, die wie selbstverständlich stets bereitgestanden haben und bereitstehen müssen, wenn man schon ein Jahr im Voraus seine Saison- oder Festspielkarten bestellen muss, weil ja die Nachfrage nach bestimmten Aufführungen so groß ist etc. Hat jemals einer daran gedacht, dass etwas abgesagt würde, weil einer oder mehrere Sänger einfach nicht auftreten würden, aus welchen Gründen auch immer?! Es wäre gerade bei den Stars, obwohl diese die Corona-Krise am wenigsten trifft, fast immer ein Skandal. Das Fehlen der Freischaffenden würde manche Festspielaufführung unmöglich machen, denn schon lange werden wichtige Partien aus Kostengründen nicht immer gecovert – ein Spiel im vollen Vertrauen auf die absolute Disponibilität der Künstler ohne Netz und doppelten Boden!

Aus der Sicht der freischaffenden Sänger ist es aber nun genau umgekehrt: Nachdem ihnen Auftritte schon vor langer Zeit vertraglich zugesagt wurden, auf die sie sich oft mit viel Aufwand, zumal mit der Einstudierung neuer Rollen, vorbereitet haben, werden sie nun im Regen stehen gelassen, weil eine – eh viel früher als nun zugegeben sich abzeichnende – Pandemie daher kommt, mit der niemand gerechnet hat bzw. haben will. Diese Künstler haben, wie man leider in den vergangenen Wochen bedauerlicherweise feststellen musste, nicht das Recht, wegen pandemiebedingter Absagen eine Zahlung ihrer Gage und Spesen zu verlangen. Wenn sie etwas bekamen und noch bekommen, ist es dem Entgegenkommen des jeweiligen Theaters zu verdanken. Eine rechtliche Grundlage wie die Rückerstattung des Kartenpreises an die Besucher bei Ausfall der Vorstellung gibt es nicht. Ja, lange hat sich die Politik in Deutschland und Österreich gar nicht um diese so wichtige aber relativ wehrlose Arbeitnehmergruppe, denn das sind sie profan formuliert nun einmal, gekümmert. Mir schien es lange so, als schwebten die so bedeutenden Freischaffenden, ohne die kein Festival laufen kann – schon ganz einfach weil Festivals kein festes Ensemble haben (können) – im rechtsfreien Raum. Und das tun sie im Prinzip immer noch!

Nicht zuletzt unter dem Druck der interessierten Öffentlichkeit und Kulturinteressierten wird nun seit kurzem dieser Künstlergruppe auch mit gewissen finanziellen Zuwendungen gedacht, die allerdings bei weitem nicht den Schaden ersetzen, der ihnen durch die Absage ihrer Auftritte wegen Covid-19 entstanden ist und noch entstehen wird, mit all den sich für sie daraus ergebenden Konsequenzen. Was Österreich betrifft, so scheint sich mit der überfälligen Neubestellung der Kulturstaatssekretärin nun etwas zu tun. Auch in Deutschland ist man mittlerweile draufgekommen, wie bedeutend die Kultur für das Land ist, unter anderem auch, nachdem sich einige mutige und bekannte Opernsänger hinsichtlich ihrer Lage überregional artikuliert haben und weiter nach Mitstreitern suchen.

So löblich das ist, es kann nur der erste Schritt zur Formulierung einer gesetzlichen Grundlage für Ausfalls- und Entschädigungszahlungen sein, wenn ein solcher Fall eintritt, und zwar mit genau demselben Argument, wie auch die betroffenen Opernbesucher ihre bereits gezahlten Karten zurückerstattet bekommen. Denn eines ist hier zu beachten: Erst eine gesetzliche Grundlage würde einem nicht zu den Stars gehörenden Sänger die Sicherheit für eine Zahlung bei nicht selbstverschuldeter Absage geben, ganz einfach, weil eine persönliche Auseinandersetzung mit dem Theater – mit oder ohne Erfolg – ein erneutes Engagement gefährden würde und sie oder er schnell in der Szene als problem maker bekannt würde, mit möglicherweise fatalen beruflichen Folgen.

—> Dass eine solche gesetzliche Grundlage formuliert und beschlossen wird, wäre eine erste positive Folge der Corona-Krise. Wir sollten uns endlich einmal klar darüber werden, dass es ohne Sänger keine Oper gibt und sie das Herz dieser Kunstform sind!

Festspielhaus Bayreuth

Festspielhaus Bayreuth

Die künstlerischen Aspekte

a) Finanzierung und Rolle der Agenturen

Nun aber zu den künstlerischen Aspekten. Die Opernszene wird sich nach der Corona-Krise ganz sicher auf reduzierte öffentliche Budgets und wahrscheinlich auch Sponsorengelder für neue Produktionen einrichten müssen. Alle werden weniger Geld haben, und die Kultur wird leider wieder einmal Gefahr laufen, auf einem der letzten Plätze der politischen Prioritäten angesichts anderer publikumswirksamerer und damit stimmenrelevanterer Notwendigkeiten zu landen. Daraus kann – grosso modo – die Szene durchaus etwas machen, wenn man nur will. Denn bei genauerem Betrachten des Geschehens konnte sich bisher durchaus der Eindruck einstellen, dass die Bestrebungen auch angesichts der sicheren Finanzierung durch die öffentliche Hand und private Unterstützung sowie insbesondere bei Festspielen allzu hoher und weiter steigender (mehr als signifikant kürzlich in Bayreuth) Eintrittsgelder nicht immer „der Kunst gelten“, wie Richard Wagner es in seinen „Meistersingern von Nürnberg“ fordert. Wagner war es auch, der sagte, dass die Eintrittspreise so gestaltet sein müssten, dass jeder in der Lage ist, seine Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“ einmal in seinem Leben in Bayreuth zu erleben.

Stattdessen scheinen allzu oft materielle Interessen mächtiger Agenturen und manchmal auch Regisseure im Vordergrund zu stehen, die mit der Bereitstellung eines oder mehrerer erstklassiger Sänger bzw. ihrer Regieleistung eine Neuinszenierung nahezu im Alleingang besetzen und dabei Sänger bringen, ohne dass sie immer über die dazu nötige fachlich-musikalische Kompetenz verfügen. Dabei bleiben allzu oft viel bessere, nicht so gut vernetzte und/oder von weniger mächtigen Agenturen vertretene Sänger außen vor.

—> Um in diesem Zusammenhang Kostenreduzierungen und eine größere Bandbreite bei der Auswahl mittlerer und kleiner Rollen sowie damit eine größere Unabhängigkeit der Intendanten bei ihrer Besetzungspolitik zu ermöglichen, müsste angesichts knapper werdender Mittel bei den Intendanten ein intensiveres Analysieren möglicher Agenturen sowie eine vertragsbezogene Trennung zwischen den Regisseuren und möglicherweise bindenden Sängervorschlägen ihrerseits erwogen werden.

b) Zur Rolle der Intendanten und Inszenierungsstile

Auch hier, auf der Seite des Opern-Managements, scheint es bemerkenswerte Defizite im Hinblick auf das prioritäre Erzielen eines größtmöglichen künstlerischen Ergebnisses unter den gegebenen Bedingungen zu geben. Es gibt Beispiele in der jüngeren Vergangenheit, wo persönliche und politische Ansprüche und Begehrlichkeiten vor das Bemühen um künstlerische Leistung gesetzt wurden.

In Zeiten geringer fließender Mittel in der Nach-Corona-Zeit wäre zu hoffen, dass die Ressourcen ergebnisorientierter und effektiver eingesetzt werden, um das maximal mögliche künstlerische Ergebnis zu erreichen.

Ähnlich verhält es sich auch mit einer nicht unbedeutenden Reihe von Intendanten, die in einem gut etablierten Machtsystem innerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches Regieaufträge quasi nach Gutsherrenart vergeben (können) und sich dabei nicht darum zu kümmern scheinen, dass ihre Häuser immer leerer werden und in zunehmendem Maße Abonnements zurückgegeben werden. Das betrifft vor allem die mittleren Häuser, die B- und C-Häuser, die weitaus meisten also. Die Entstehung einer emsigen privaten Bürgerinitiative in Hannover ist nur ein Beispiel für die Reaktion eines Opernpublikums, das sich durch Inszenierungen nicht mehr angesprochen fühlt, die in der Regel durch einen über das Ziel hinausschießenden und damit unverständlichen Regietheater-Stil gekennzeichnet sind.

—> Eine Möglichkeit, in Zeiten knapper werdender Mittel nach Corona gleichbleibende oder gar verbesserte Qualität von Inszenierungen zu erreichen, könnte eine Art zeitlich begrenzter Wettbewerb unter mehreren Regisseuren um ansprechende Regiekonzepte sein, dabei auch jüngeren, die sich dann aber mit Wagner schon auseinandergesetzt haben sollten. Über die verschiedenen Vorschläge könnte gegebenenfalls ein fliegendes Fachteam dem Intendanten beratend zur Seite stehen.

c) Regietheater und Fachkompetenz

Damit sei gar nichts gegen eine betonte Vorrangstellung der Regie und Werkinterpretation gegenüber Musik und Gesang gesagt. Meiner Meinung muss auch die Oper mit ihren Universal-Kunstwerken aktuelle Themen aufgreifen, und sie kann das auch – eine Musealisierung wäre sicher tödlich. Die Konzipierung des sog. Wagnerschen Regietheaters in den 1970er Jahren mit wegweisenden Inszenierungen des „Ring des Nibelungen“ durch Joachim Herz in Leipzig, Ulrich Melchinger in Kassel und schließlich Patrice Chéreau mit seinem sog. „Jahrhundert-Ring“ 1976 in Bayreuth – der er vom künstlerischen Anspruch her tatsächlich wurde – waren in diesem Sinne epochemachend. Gutes und im besten Sinne des Ausdrucks „wasserdichtes“ Regietheater ist allerdings anspruchsvoll und verlangt eine profunde Kenntnis des Opernhandwerks, der Stücke sowie der entsprechenden Musik, wobei nicht notwendigerweise das Notenlesen gemeint ist. Der schweizerische Bühnenbildner und Regisseur Roland Aeschlimann sagte in einem Interview, das ich mit ihm 2008 in Chamonix machte, passend dazu: „Heute ist alles in Tüten verpackt. Die Hühner haben keine Köpfe mehr, auch keine Füße, die Fische keine Köpfe und meist auch keine Flossen mehr. Die Losung muss aber heißen: Zurück zum Handwerk!“

—> In Zukunft sollte also in höherem Maße auf die fachliche Eignung und inszenatorische Erfahrung von Opernregisseuren oder solchen in spe geachtet werden, um Betriebsverluste durch eine später wegen Nachfragemangels eventuell notwendig werdende vorzeitige Absetzung der entsprechenden Produktion vom Spielplan und die zunächst nicht geplante Einstellung einer neuen zu vermeiden.

Opéra nacional du Rhin Strasboug: Premierenfeier "Parsifal" im Januar 2020

Opéra nacional du Rhin Strasboug: Premierenfeier "Parsifal" im Januar 2020

d) Zur Rolle des Publikums – und damit auch der Steuerzahler

Der Regisseur sollte ein Werk des sog. Musiktheaters auch als musiktheatralisches Werk begreifen und nicht als Theater nach seinem – oftmals allzu beliebigen – individuellen Gusto mit musikalischer Untermalung. So könnte er gleich Theater machen… Dann geht auch das Publikum verloren. In manchen deutschen Häusern wird der oberste Rang schon gar nicht mehr geöffnet, weil die „normalen“ Abonnenten, von denen die Oper aber lebt, die Werke nicht mehr verstehen, das Gesehen nicht mehr nachvollziehen können, zumal wenn sie zum ersten Mal mit dem Stück in Berührung kommen, und somit das Interesse verlieren. Da reicht es dann manchmal auch nicht, wenn ein bis dato relativ unbekannter Regisseur für ein Festival bestellt wird, das dann als „spannend“ begründet wird und das Stück schließlich vor der Zeit aus dem Spielplan genommen werden muss – verbunden mit entsprechend höheren Kosten. Dazu noch einmal Roland Aeschlimann: „Das Publikum muss freien Raum haben – das ist entscheidend. Die Oper ist schon selbst surrealistisch – die Menschen sprechen singend zueinander. Das ist nicht gerade natürlich, eröffnet aber neue und interessante künstlerische Perspektiven. Die Opernarbeit ist stets so zu machen, dass sie beim Publikum ankommt. Es muss aber verstehen, was es sieht und hört, und dabei nimmt die Lichtregie eine sehr wichtige Rolle ein.“

Eine Rechtfertigung für einen solchen Publikumsschwund kann keinesfalls mit der Verständnislosigkeit des Publikums für das Programm und die Art seiner Ausführung gerechtfertigt werden. Hier sind in erster Linie öffentliche Mittel im Spiel, die Häuser haben im Rahmen einer weiter gesteckten Kulturpolitik in Ländern mit großer Kulturtradition wie Deutschland und Österreich die Aufgabe, möglichst viele Interessierte in ihre Säle zu locken. Mit einer derart weitreichenden Verfehlung der Publikumsinteresses gerät dann auch der bildungspolitische Auftrag der Opernhäuser in Frage, auf dessen Basis nicht zuletzt die öffentliche Finanzierung erfolgt. Ausgerechnet die oft als so spektakulär und vermeintlich aufregenden Regietheater-Produktionen sind ja genau die, die auch besonders teuer sind.

Wir sollten in diesem Zusammenhang nicht außer Acht lassen, dass die deutsche Opernwelt in der Saison 2017/18 signifikant Besucher verloren hat und man damit auf dem gleichen Niveau wie vor sieben Jahren war. Der Publikumszuspruch in Deutschland ist klar abnehmend. Die rasante Zunahme der Bedeutung der sozialen Medien ist gerade für junge Menschen kaum ein Grund, öfter in die Oper zu gehen. Und diese wird die Oper auf lange Sicht brauchen. Ein zentrales Problem sind in diesem Zusammenhang die vermeintlichen Kultur-Eliten (sowohl bei den Kulturmachern als auch bei den Kritikern), die sich in gewissem Ausmaß selbst genügen und denen das breite Publikum egal ist. Das geht zumindest gut in Deutschland, weil der Kulturbetrieb im Vergleich zum Ausland in besonders hohem Maße öffentlich subventioniert wird. Diese Meinungsmacher arbeiten oft mehr im eigenen Saft anstatt im Dienst des Werkes und des Publikums.

—> Es ist zu hoffen, dass in den kommenden Zeiten zunehmender Mittelknappheit eine Besinnung aller Verantwortlichen einsetzt, insbesondere der Intendanten, welche Regisseure man bestellt und was man mit deren Interpretation im besten Sinne der Opern-Kunst und nicht ohne das jeweilige Publikum und die Tradition des Hauses ganz aus dem Auge verlierend, zu erreichen beabsichtigt. Dazu könnte die Post-Corona-Zeit nun einen guten Anlass bieten.

Richard Wagner

Richard Wagner

Einige Gedanken zu einer moderateren Wagner-Rezeption

Gerade in der Rezeption des Oeuvres von Richard Wagner hat sich der mittlerweile auch schon als Wagnersches Regietheater bezeichnete Inszenierungsstil weitreichend entwickelt, obwohl man in vielen Fällen, wie beispielsweise zuletzt beim neuen „Ring“ in Nürnberg, aber auch beim vorletzten „Tannhäuser“ in Bayreuth nicht immer von Entwicklung sondern eher von Fehlentwicklung sprechen muss. Neulich sagte mir eine befreundete Wagnerkennerin auf meine Rezension des laufenden Wiener „Parsifal“ hin sinngemäß: Mittlerweile haben wir zwei Inszenierungen von Wagner-Werken, die auf einer Psychiatrie spielen, und damit zwei zu viel. Nach den Nazi-Uniformen, Business-Anzügen und Aktenkoffern sind es nun die alten Krankenhausbetten und ärztliches Personal samt medizinischer Gerätschaften, etc. die die Bühne beherrschen. Das alles wird über das Werk gestülpt, nicht nur über das von Wagner, wie eine Haube, und schon hat man eine neue Inszenierung – und dazu noch eine recht teure. Das Verhältnis der Personen zueinander ist nicht so wichtig, man müsste sich mit einer ausgefeilten und sich an der Musik orientierenden Personenregie bei einsprechender Werkkenntnis auch sehr viel Mühe geben. Und auf die Musik kommt es schon gar nicht an. Das Wiener „Parsifal“-Einheitsbühnenbild von Alvis Hermanis ist in diesem Sinne doch eindrucksvoll genug!

Solches und Ähnliches kann man heute im deutschsprachigen Raum immer mehr erleben, wenn es um Wagner geht. Ob das letztlich dem Publikum gefällt und wirklich stückbezogen und nachvollziehbar durchdacht ist, scheint zweitrangig. Dies könnte in Zukunft bei knapperen Mitteln für Neuproduktionen infolge der Corona-Krise schwieriger werden.

Nun gibt es gerade in der Wagner-Rezeption ein blendendes Beispiel, wo in der Not der Mittelknappheit sogar gleich ein ganz neuer Inszenierungsstil geboren wurde, der bis heute noch von vielen immer noch als d e r Referenz-Stil für das Wagner-Theater gesehen wird – der Neu-Bayreuther Stil von Wieland Wagner 1951 und später auch seinem Bruder Wolfgang. Man hatte damals zum Neubeginn der Festspiele schlicht und einfach kein Geld für großartige Bühnenbilder und kam auf die Bedeutung und Möglichkeiten des Lichts sowie eines reduzierten Bewegungstheaters im altgriechischen Stil.

So könnte vielleicht auch das Licht mit seinen heute viel facettenreicheren Möglichkeiten ein wesentliches dramaturgisches Element in der künftigen Wagner-Rezeption werden. Man kann das beispielsweise beim neuen „Ring“ am der Finnischen Nationaloper Helsinki bewundern. Phänomenal gelingt dort die Goldgewinnung durch Alberich im „Rheingold“: Auf seiner Hand treffen sich durch einen technischen Trick grelle goldene Strahlen punktgenau wie die Hälfte eines Sterns – das Gold hat sich zu seinem Fluch auf die Liebe virtuell in seiner Hand eingefunden! Auch im 3. Bild gelingt eine überaus eindrucksvolle chiffrenartige Goldprojektion. Die meisten Bilder, besonders jene in den Zwischenspielen, werden durch den finnischen Lichtdesigner Mikki Kunttu schemenhaft verfremdet, was Assoziationen zwar ermöglicht, aber niemals zu eng werden lässt. Eine gelungene Video-Regie!

Finnische Nationaloper Helsinki, "Das Rheingold",  1. Bild - Alberich "erzwingt" das Gold durch Licht...

Finnische Nationaloper Helsinki, "Das Rheingold", 1. Bild - Alberich "erzwingt" das Gold durch Licht...

Vielleicht ein Wink in eine Zukunft, in der auch wieder mit etwas mehr Ehrfurcht vor den Schöpfungen des Komponisten Wagner an seine Werkinterpretation herangegangen wird, bei gleichzeitiger Nutzung heute zur Verfügung stehender technischer Mittel, aber prinzipiell geleitet von der Werkaussage. Vielleicht, ja ich glaube es sogar, erleben wir dann auch wieder mehr ausverkaufte Häuser, und die Corona-Krise hätte auch eine positive Wirkung auf die künstlerisch-ästhetische Werk-Interpretation Richard Wagners gehabt.

Fotos 1-3: K. Billand; Foto 4: Internet; Foto 5: Ralph Larmann

Klaus Billand