BAYREUTH/Festspiele: Festspiel-Premiere „Lohengrin“ - 31. Juli 2014
Mythos Festspielhaus...
Nach einer auch technisch verpatzten Festspiel-Premiere mit dem ohnehin szenisch/dramaturgisch weitgehend undiskutablen und dieses Jahr vorzeitig vom Spielplan genommenen „Tannhäuser“ von Sebastian Baumgarten und seinem Dramaturgen Carl Hegemann mit dem Systemterror in der Biogasanlage auf der Wartburg; dem sich mit Beginn des 2. Aktes auf durchaus löbliches Stadttheater- (aber eben nicht Festspielniveau!) bewegenden „Fliegenden Holländer“ von Jan Philipp Gloger; und dem auch in diesem Jahr bis auf einige Kostümdetails nahezu unveränderten und unverändert fast völlig an der herrlichen „Ring“-Musik vorbei schrammenden, ja sich gegen sie auflehnenden „Ring des Nibelungen“ (bis zum „Siegfried“ vorgedrungen) von Frank Castorf mit den vordergründig opulenten Bühnenbildern von Aleksandar Denic, erlebte das Festspielpublikum am gestrigen Abend mit der Wiederaufnahme des „Lohengrin“ durch den wirklichen Kenner eindrucksvollen und – bei aller Regie-Exotik – „wasserdichten“, da dramaturgisch stimmigen Opernhandwerks Hans Neuenfels zum ersten Mal in diesen Tagen das, was Richard Wagner mit seinem Begriff des „Gesamtkunstwerks“ gemeint haben könnte. Dabei war der „Lohengin“ nur der letzte der ersten Schritte auf seiner langen Wanderung zur Perfektion dieser damals völlig neuen Darstellungsform der Kunstform Oper… Wenn man sich recht zurück erinnert, baute der Bayreuther Meister nicht zuletzt auch sein eigenes Festspielhaus, um sich in seinem Sinne und unbeeinflusst von den ihm damals leidigen höfischen Theaterdirektoren dieser neuen Darstellungsform zu widmen. Sollte das Wagnersche Konzept des Gesamtkunstwerks also nicht gerade auf dem Bayreuther Grünen Hügel gepflegt werden…?! Wenn man insbesondere Castorfs „Ring“ erlebt, liegt die Vermutung nahe, dass es momentan nicht mehr darum geht. Damit scheint das legendäre Bayreuther Festspielhaus auch etwas, wenn nicht seinen ganzen in so langer Zeit aufgebauten Mythos zu verlieren. Bayreuth war eben immer auch Mythos, der Mythos ultimativen Wagner-Theaters, der Sänger zu relativ unbedeutenden Gagen anzog. Schon heute scheint auch das ein Problem zu sein, wie Festspiel-Berater Christian Thielemann auf der Jahresversammlung der Gesellschaft der Freunde am 27. Juli sagte: „Bei den Sängern ist noch Luft nach oben…“ – nicht gerade ermunternd für die, die diesen Sommer an Bord sind.
Schlussapplaus
Da bildete der „Lohengrin“ in vielfacher Hinsicht eine Ausnahme und zeigte, zu welch packendem, ja sogar zu mehr als dem von Festspielleiterin Katharina Wagner immer wieder zitierten „spannenden“ Operntheater die Bayreuther Festspiele fähig sind (sein können). Hier stimmte einmal wirklich alles: Die Aktionen der mittlerweile von allen geliebten Ratten und Ratten-freien Akteure auf der Bühne harmonierten in nahezu unglaublicher Weise mit der dynamischen und eloquent von Andris Nelsons vorgetragenen „Lohengrin“-Musik aus dem weiterhin mystischen Graben. Dazu kamen erstklassige bis exzellente sängerische Leistungen. Allen voran der nun sicher weltbeste Lohengrin unserer Tage, Klaus Florian Vogt, der sich in allen sängerischen und emotionalen Facetten fast die Seele aus dem Leib sang und einen umwerfenden Schlussapplaus erhielt; die für Anette Dasch eingesprungene Edith Haller als einnehmende, wenn auch nicht so akzentuiert wie die Dasch spielende Edith Haller als Elsa mit leichter Anstrengung in dramatischen Höhen; der bestens artikulierende und mit blendenden Höhen aufwartende Telramund von Thomas J. Mayer; die weiterhin sängerisch wie mimisch beängstigend Gift speiende Petra Lang als Ortrud, und der prägnant formulierende Heerufer von Samuel Youn. Lediglich der gekonnt debil dargestellte König Heinrich von Wilhelm Schwinghammer hätte mit etwas mehr Volumen und Tiefe auskommen können. Der Bayreuther Festspielchor unter Leitung von Eberhard Friedrich hatte auch wieder einen ganz großen Abend.
Petra Lang als Ortrud
Das war ein Abend nach der eigentlichen Vorgabe und ursprünglichen Intention des Schöpfers der Bayreuther Festspiele – ein Hauch von Einzigartigkeit wehte durch den Saal, und das Publikum hatte ihn bemerkt: Der Applaus war diesmal viel beherzter und authentisch überschwänglicher als sonst dieser Tage und Jahre. Ganz anders bei den bisherigen Abenden der „Ring“ Tetralogie von Frank Castorf: An allen drei Abenden ging unmittelbar auch den letzten Takten ein signifikantes Buhgeschrei los gegen den (unsichtbaren) Regisseur, der sich natürlich – wenn überhaupt – erst nach der „Götterdämmerung“ zeigen wird. Natürlich endeten diese Buhrufe in dem Moment, als die Sänger vor den Vorhang traten und schlugen meist in Jubel um. So kam es zu der falschen Interpretation in manchen Teilen der Presse und im Rundfunk, dass der Castorf-„Ring“ schon im 2. Jahr nun bejubelt würde. Man kann gespannt sein auf heute Abend. Vieles spricht dagegen.
Bilder: Klaus Billand
Klaus Billand