Heidenheim/Festspiele: I due Foscari Premiere – 21. Juli 2022

Unkonventionelle, aber ausdrucksstarke Interpretation eines jungen unbekannten Verdi

Julia Rutigliano mit Robert Pomakov

Julia Rutigliano mit Robert Pomakov

Die*Opernfestspiele Heidenheim (OH) setzen in diesem Jahr ihre Serie der Aufführungen der Werke des jungen Verdi mit „I due Foscari“ fort, 1844 in Rom uraufgeführt. Regisseur Phillip Westerbarkei inszeniert die kaum noch für relevant gehaltene Oper aus dem Venedig des 13. Jahrhunderts im kargen Bühnenbild von Tassilo Tesche im Heidenheimer Festspielhaus als Menetekel auf das Phänomen der kaum noch Grenzen kennenden Korruption zur Erreichung politischer Ziele. Ein paar Pfähle im vermeintlichen Wasser und die Holz-Gehsteige der ominösen Überschwemmungen deuten an, dass wir in Venedig sind.

Luca Grassi als Doge

Luca Grassi als Doge

Hier ist es der Senator Loredano, gegen dessen Vater Francesco Foscari vor 34 Jahren den Dogenthron gewonnen hatte und gegen den er nun Rache üben will. Foscari, der in den kriegerischen Auseinandersetzungen der Serenissima in seiner Amtszeit schon drei seiner vier Söhne verloren hat, soll nun durch Intrigen und Korruption auch noch seinen letzten Sohn Jacopo erst in der Verbannung und schließlich sterben sehen. Allein dessen Frau Lucrezia Contarini bringt einen Hauch von – allerdings erfolgloser – Menschlichkeit und Liebe in dieses finstere Stück, das den späteren „Simon Boccanegra“ bei ähnlicher Thematik weit in den Schatten stellt.

Julia Rutigliano mit Musa Nkuna

Julia Rutigliano mit Musa Nkuna

Im Lichtdesign von Hartmut Litzinger geht das leading team das Thema äußerst, vielleicht zu plakativ an, indem es kübelweise vor der anstehenden Sitzung der Zehn Geldscheine unter Räten und Volk verteilen lässt, bis diese schon gar nicht mehr nachzählen können. Später langweilt die ständig weitergehende Geldverteilung nur noch und verliert somit ihre Ausdruckskraft, wie auch manch anderer Regieeinfall.

Héctor Sandoval und Robert Pomakov

Héctor Sandoval und Robert Pomakov

Die Frage, die sich jedoch stellt, lautet: Wieviel Korruption ist im politischen Kontext nötig, um seine Ziele zu erreichen?! Loredano lässt hier nichts unversucht und spannt sogar die Vertraute Lucrezias, Pisana, zur Manipulation für sein Vorhaben ein, die zwei Foscari zu Fall zu bringen. Als erotisch in Gold glitzerndes Glamourgirl muss sie auf Pappkarton schreiben, wie es gerade weitergeht, ob als Commedia oder als Tragedia. Die Mezzosopranistin Julia Rutigliano singt und spielt diese facettenreiche Rolle ausgezeichnet.

Sophie Gordeladze und Héctor Sandoval

Sophie Gordeladze und Héctor Sandoval

Luca Grassi ist ein beeindruckender Doge mit glänzendem Heldenbariton und viel Ausdruck. Héctor Sandoval singt den Jacopo mit einem besonders in der hohen Lage eng werdenden Tenor und einem Timbre, das, wenn es schöner wäre, vielleicht nicht so recht zu dieser gequälten Figur passte.

Schlussapplaus

Schlussapplaus

Sophie Gordeladze singt eine ausgezeichnete Lucrezia mit sehr nuancenreichem Sopran. Musa Nkuna als Senator Barbarigo versucht sie mit guter Stimme zu unterstützen, das Recht durchzusetzen. Robert Pomakov ist ein kalt und emotionslos agierender Loredano mit gutem Bass. Kurz: Ein Sujet, das heute relevanter ist denn je – leider…

Entspannt im Foyer danach

Entspannt im Foyer danach

Marcus Bosch, seit 2010 künstlerischer Leiter der Opernfestspiele Heidenheim, dirigiert die bestens aufgelegte Capella Aquileia und den ebenso stimmstarken wie großen Tschechischen Philharmonischen Chor Brünn akzentuiert und hebt die Dramatik der relativ geringen Handlung der noch stark auf Nummern setzenden Partitur hervor.

Fotos: HDH Presse Foscari 1-5; K. Billand 5-7

Klaus Billand

Giuseppe Verdi

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