BAKU/Aserbaidschan: DER BAJAZZO – 3. November 2012

Akhundov Opern- und Ballett-Theater  Baku

Akhundov Opern- und Ballett-Theater Baku

Das war ein Opernabend der besonderen Art, und das Bedeutendste war eigentlich, dass er überhaupt stattfand. Selbst anlässlich des Internationalen Byul Byul Gesangswettbewerbs in Baku war nur unter größten Schwierigkeiten in Erfahrung zu bringen, dass das imposante, aber recht vernachlässigt wirkende Staatliche Akademische Akhundov Opern- und Ballett-Theater von Aserbaidschan an diesem Abend eine „Bajazzo“-Aufführung bringen würde. Nicht mal ein Anschlag auf der Litfasssäule direkt vor dem Theater! Aber die Jury des Gesangswettbewerbs fand sich fast geschlossen ein und machte einen signifikanten Teil des Publikums aus. Denn nicht viel mehr als etwa 120 Besucher verloren sich in dem relativ großflächigen Parkett des wohl um die 1.000 Plätze bietenden Hauses aus dem Jahre 1911, welches ganz offensichtlich schon große Tage erlebt hat.

Lobby

Lobby

Dabei gibt es eine schöne Geschichte um seine Entstehung, zu der in Wikipedia Details zu erfahren sind. Der Auftraggeber zum Bau des Hauses, der Millionär Daniel Mailov, und sein Bruder waren nicht zum Einweihungs-Ball des damals architektonisch bedeutsamen Privathauses eines berühmten Opernsängers in Baku eingeladen worden. Sie beschlossen daher, selbst ein neues Gebäude zu errichten, was den taktlosen Opernsänger düpieren sollte. Den entscheidenden Anlass dazu lieferte schließlich die berühmte russische Sopranistin Antonina Nezhdanova, die 1910 einige Clubs und Aufführungsstätten in Baku besuchte. Auf die Frage, ob sie einmal wieder kommen würde, drückte sie ihr Unverständnis darüber aus, dass in einer so reichen Stadt niemand den Bau eines standesgemäßen Opernhauses finanzieren wolle, in welchem Opernsänger sich in einem würdigen Rahmen vorstellen könnten. Ihr Bewunderer Daniel Mailov bot ihr daraufhin an, in einem Jahr zur Eröffnung eines neuen Opernhauses in Baku wieder zu kommen, welches er zu ihrer Ehre bauen lassen wolle. Der armenische Architekt und Ingenieur Nikolai Bayev entwarf den Bau und setzte alles daran, ihn auch gegen den Widerstand des unter anderem auf Sicherheitsmaßnahmen pochenden Stadtrates in einem Jahr fertig zu stellen. Als der Millionär Zeynalabdin Taghiyev, der schon ein anderes Theater in Baku finanziert hatte, Zweifel an der bis dahin unbekannten Kürze der Bauzeit äußerte, bot ihm Mailov eine Wette an: Wenn er es schaffe, in einem Jahr fertig zu sein, solle er, Taghiyev, die Baukosten übernehmen, andernfalls würde er sie selbst tragen. Die Arbeiten waren in weniger als 10 Monaten abgeschlossen und das Gebäude vor Ablauf des Jahres abgenommen. Taghiyev übernahm alle Kosten von über 250.000 Rubeln. Das Theater der Mailovs wurde am 28. Februar 1911 eröffnet, und Antonina Nezhdanova war die erste Sängerin, die hier auftrat. Der größte Teil der gesellschaftlichen Elite von Baku war anwesend, nur nicht der Opernsänger, der damals die Mailovs nicht zu seinem Ball eingeladen hatte…

Auditorium

Auditorium

Ab 1916 arbeitete das Theater, welches durch seine eklektische Fassade im Empire-Stil beeindruckt, auf regulärer Basis mit einem festen Ensemble, 1920 wurde es zum Staatstheater ernannt, und 1927 erhielt es den Namen des Schriftstellers Mirza Fatali Akhundov. 1959 wurde es in den Status eines Akademischen Theaters erhoben. 1985 brannte das gerade renovierte Haus aus ungeklärten Gründen nieder. Aber ähnlich schnell wie sein Bau verliefen die Reparaturarbeiten – schon 1987 öffnete es wieder seine Pforten. Es ist bedauerlich, dass es heute, da Aserbaidschan einen nie da gewesenen Ölboom verzeichnet und alle größeren Gebäude in Baku nachts sogar hell erleuchtet sind, in einem Dornröschenschlaf dahin dümpelt. Bei Nacht kann man das im Dunkel liegende Theater kaum erkennen. Großzügige Foyer-Flure mit fein ziselierten und goldgetönten Säulenstrukturen, sowie edle Holzarbeiten an Türen und Böden zeugen ebenso von ehemaliger Liebe zu elegantem Detail, wie der weite Zuschauerraum mit zwei ausladenden Rängen und detaillierten Verzierungen in weiß-gold, das alles bei bester Sicht von allen Plätzen. Dazu ist das Bühnenportal recht weit und würde auch größeren Opern Raum bieten. Aus diesem sprichwörtlichen Kleinod könnte man viel machen, und in gewisser Weise fühlte man sich an den Kommentar von Antonina Nezhdanova vor fast genau 100 Jahren erinnert, als es noch gar kein Opernhaus gab…

Ränge

Ränge

Immerhin waren wir alle dankbar, dieses schöne Haus mit einer Opernaufführung zu erleben. Aber mit dem, was man an diesem Abend als Leoncavallos „Bajazzo“ anbot, blieb man ebenfalls weit hinter den Möglichkeiten zurück. Die wohl schon ältere Inszenierung von Jannet Salimova in den Bühnenbildern und Kostümen von Tair Tairov, mit dem Titel „Ehrenvoller Maler“, und Agarahim Aliyev mit dem Titel „Ehrenvoller Kunstschaffender“, war an stereotyper Konventionalität kaum noch zu überbieten. Es gab die bekannten bunt bemalten Kulissen und Vorhänge der Welt der Pagliacci in einer 1950er Jahre Ästhetik, die ebenso bekannten, aber immerhin recht phantasievollen Kostüme der klassischen Clowns, und die Choreografie der Harlekin-Szene – alles Verismo pur, und doch auch wieder ganz nett anzuschauen, im ohnehin Melancholie ausstrahlenden Ambiente. „Volkskünstler“ Azer Zeynalov sang den Canio mit einem nur streckenweise gut geführten Tenor, schaffte aber die meisten der erforderlichen Höhen und konnte insbesondere im Finale darstellerisch überzeugen. „Volkskünstler“ Avaz Abdullayev gab den Tonio mit einer ansprechenden Rollenstudie zwischen naivem Clown und bösartigem Spielverderber. Auch stimmlich konnte er mit seinem durchaus klangvollen Bariton gefallen, wenngleich es zur finalen Höhe im Prolog nicht reichte. Immerhin waren wir alle dankbar, dieses schöne Haus mit einer Opernaufführung zu erleben. Aber mit dem, was man an diesem Abend als Leoncavallos „Bajazzo“ anbot, blieb man ebenfalls weit hinter den Möglichkeiten zurück. Die wohl schon ältere Inszenierung von Jannet Salimova in den Bühnenbildern und Kostümen von Tair Tairov, mit dem Titel „Ehrenvoller Maler“, und Agarahim Aliyev mit dem Titel „Ehrenvoller Kunstschaffender“, war an stereotyper Konventionalität kaum noch zu überbieten. Es gab die bekannten bunt bemalten Kulissen und Vorhänge der Welt der Pagliacci in einer 1950er Jahre Ästhetik, die ebenso bekannten, aber immerhin recht phantasievollen Kostüme der klassischen Clowns, und die Choreografie der Harlekin-Szene – alles Verismo pur, und doch auch wieder ganz nett anzuschauen, im ohnehin Melancholie ausstrahlenden Ambiente. „Volkskünstler“ Azer Zeynalov sang den Canio mit einem nur streckenweise gut geführten Tenor, schaffte aber die meisten der erforderlichen Höhen und konnte insbesondere im Finale darstellerisch überzeugen. „Volkskünstler“ Avaz Abdullayev gab den Tonio mit einer ansprechenden Rollenstudie zwischen naivem Clown und bösartigem Spielverderber. Auch stimmlich konnte er mit seinem durchaus klangvollen Bariton gefallen, wenngleich es zur finalen Höhe im Prolog nicht reichte.

Vorhang auf!

Vorhang auf!

Am besten unter den Protagonisten konnte die auch sehr attraktive „Ehrenvolle Künstlerin der Ukraine“ Katerina Strashchenko als Nedda gefallen, die mit gekonnter Koketterie und großer Empathie im bedingungslosen Ausdruck ihrer Überzeugungen einige Dramatik in die Handlung brachte. Dazu ließ sie einen klangvollen und höhensicheren Sopran hören, dem es nur gelegentlich an klarer Linienführung fehlte. Den Harlekin sang Aliahmed Ibragimov mit ausreichenden tenoralen Klängen. Anton Fershdandt stellte den Silvio engagiert mit lyrischem Bariton dar.

Nedda und Bajazzo

Nedda und Bajazzo

Der vom „Ehrenvollen Kunstschaffenden“ Sevil Hajiyeva geleitete und auch gut choreographierte Chor sang kraft- und ausdrucksvoll und setzte ansprechende musikalische Akzente. Der „Volkskünstler“ und Professor Yalchin Adigoyalov dirigierte das Orchester mit schwungvollen Tempi sowie guter Rhythmik und konnte streckenweise auch einen recht harmonischen Klang im Graben erzeugen. Immer wieder aber geriet Manches zu laut, zu wenig koordiniert und auch etwas rustikal, sowie bei den Tutti verwaschen.

Bajazzo

Bajazzo

Wer sich gewundert hatte, dass auf den Einakter „Bajazzo“ keine zweite Oper nach der Pause folgte, sah sich nach etwa 25 Minuten mit einer Pause mitten im „Bajazzo“ konfrontiert! Immerhin ermöglichte sie, das eindrucksvolle Akhundov Opern- und Ballett-Theater etwas näher zu erkunden. Es bleibt zu hoffen, dass die Verantwortlichen für Politik und Kultur zu realisieren wissen, was gerüchteweise in Baku kursierte: Eine umfassende Renovierung und Wiederbelebung dieses bemerkenswerten und traditionsreichen Hauses.

Fotos: Klaus Billand

Klaus Billand

Giacomo Puccini und Verismo (ca. 1890 - ca. 1925)

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