Las Palmas de Gran Canaria: Die Geschichte der Amigos Canarios de la Ópera – April 2021

Eine ebenso traditions- wie erfolgreiche Opernorganisation

54.Temporada 2020/21 der ACO

54.Temporada 2020/21 der ACO

In dieser 54. Saison der Amigos Canarios de la Ópera – ACO war ich zu drei Aufführungen in Las Palmas, Grund genug, sich einmal etwas detaillierter mit dieser offenbar von der Kunstform Oper begeisterten Gruppe von Freunden zu beschäftigen. Interessant ist, dass der unvergessene Tenor Alfredo Kraus, der in Las Palmas de Gran Canaria geboren wurde, bei der Gründung und Entwicklung der ACO eine ganz wichtige Rolle spielte.

Die Ernennung von Alfredo Kraus zum „Lieblingssohn“ der Stadt Las Palmas führte dazu, dass der Stadtrat ihn ehrte, indem er im Sommer 1967 auf Initiative des Kulturrates Gregorio De León Suárez eine Kommission mit klassischer Musik beschäftigter Bürger ins Leben rief, um eine kleine Opernsaison zu organisieren. Einerseits eine Minisaison mit drei Opern, in denen Alfredo Kraus sang, und zweitens, um zukünftige Spielzeiten zu organisieren. In der ersten Auflage wurden drei Titel gezeigt: eine Belcantista, „La favorite“, „Rigoletto“, und „Werther“, also drei große Spezialitäten des so geliebten Sängers. Diese Gesellschaft war dann auch für die Organisation von jährlichen Opern-Spielzeiten zuständig, ähnlich wie die ABAO von Bilbao.

Alfredo Kraus - der große lyrische Kanare

Alfredo Kraus - der große lyrische Kanare

Seither hat die ACO fast alle Sänger von internationalem Rang und Namen nach Gran Canaria gebracht. Bei mittlerweile 54 Spielzeiten (!) kann man unmöglich alle aufzählen. Hier nur eine größere, aber bei weitem nicht vollständige Auswahl der bekanntesten, nicht immer in der Reihenfolge ihrer Auftritte. Wenn man nicht wüsste, dass es sich um die Oper in Gran Canaria handelte, könnte man leicht annehmen, es sei eine Aufzählung von Sängern and der Met oder an der Mailänder Scala über die letzten Jahrzehnte: Katia Ricciarelli, Sesto Bruscantini, Giuseppe Taddei, Giorgio Zancanaro, Paul Plishka, Ghena Dimitrova, Leo Nucci, Luis Lima, Adelaida Negri, Kurt Rydl, Matteo Manuguerra, Peter Dvorsky, Ilona Tokody, Fiorenza Cossotto, Silvano Carroli, Vincenzo La Scola, Sumi Jo, Theo Adam, Peter Schreier, Reiner Goldberg, Eva Lind, Michèle Charbonnet und Jon Fredric West („Tristan und Isolde“ 2010), Marco Stecchi, Gianni Raimondi, Gianfranco Cecchele, Maria Chiara, Mario del Mónaco (Samson, Otello), Elena Obraztsova (Carmen), María Orán, Andrés Turp, Eduardo Giménez, Luciano Pavarotti, Piero Cappuccilli, Carlo Bergonzi, Giampiero Mastromei, Vincente Sardinero, Jaime Aragall, José Carreras, Florence Quivar, Nino Carta, Giovanni Foiani, Tito Capobianco, Joan Sutherland, Birgit Nilsson, Ingvar Vixel, Samuel Ramey, Robert Hale, Richard Cassilly, Paul Plischka, Louis Quilico, Galina Vishnevskaya, Montserrat Caballé, Lucia Valentini Terrani, Juan Pons, Placido Domingo (Tosca 1978, Carmen 1979), Cesare Siepi, Peter Schreier, Reiner Goldberg, Renata Scotto, Renato Bruson, Ferruccio Furlanetto, Nicola Martinucci, Fiorenza Cossotto, Simon Estes, Doris Soffel, José Bros, Barbara Fritoli, Juan Diego Florez, Roberto Alagna, Emilio Sagi, Yolanta Auyanet, Peter Dvorsky et. al. Hervorheben möchte ich noch, dass Alfredo Kraus 1986 und 87 den Hoffmann in “Hoffmanns Erzählungen“ sang.

Alfredo Kraus vor dem Auditorio

Alfredo Kraus vor dem Auditorio

1980 wurde auf Initiative des Cabildo das Orquesta Filarmónica de Gran Canaria mit dem Ziel gegründet, ein ständiges Orchester von hoher Qualität zu haben, dem Publikum eine Saison von Sinfoniekonzerten auf Gran Canaria anzubieten und einen musikalischen Grundpfeiler für die Oper zu gewährleisten. Der qualitative Sprung auf musikalischer Ebene war sehr wichtig und grundlegend für den Fortschritt der ACO Temporadas.

Im Jahre 1988 wurde Maestro Jorge Rubio künstlerischer Leiter. Das bewirkte einen intelligenten Austausch von Produktionen mit anderen spanischen Festivals wie Bilbao, Oviedo oder Palma de Mallorca. Mit dem Auftreten von Compagnien aus osteuropäischen Ländern wurde eine Änderung des Repertoires angestrebt. Und schließlich wurden junge Künstler eingestellt, die eine gute Gelegenheit hatten, sich zu beweisen.

Teatro Pérez Galdós in Las Palmas

Teatro Pérez Galdós in Las Palmas

Natürlich spielte das italienische und französische Fach eine vornehmliche Rolle. Eine Erneuerung und Erweiterung des Repertoires gab es aber schon unter Jorge Rubio mit „Salome“ in der Produktion der Chemnitzer Oper (1993), dem „Fliegenden Holländer“ (1994) oder im Folgejahr mit der Inszenierung von Mussorgskys „Boris Godunov“ und Tschaikowskis „Eugen Onegin“ mit Bühnenmontage, Orchester, Chor und Sängern der Kiewer Oper im Jahre 1995. Besonders hervorzuheben sind die beiden erfolgreichen Produktionen der Bonner Oper, „Der Freischütz“ und „Fidelio“ mit einem jungen Mann (!) namens Michael Volle! Rubios deutscher Zyklus wurde 1998 mit „Lohengrin“ mit Paul Frey in der Titeltrolle abgeschlossen, der diese Rolle bekanntlich auch in der Werner Herzog-Produktion in Bayreuth gesungen hat.

Maestro Roger Rossel *übernahm im Juli 1998 die künstlerische Leitung. Rossel hatte langjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Oper und kam von der Opéra Royal de Wallonie. Seine innovativste Arbeit war die Schaffung eines neuen ACO-Workshops, den er mit der französischen Bühnenbildnerin *Marie Claire Van Vuchelen betrieb. All dies führte zu einer Verbesserung des künstlerischen Ergebnisses, reduzierte die Investitionskosten und ermöglichte es, die Produktionen rentabler zu machen. Der ACO-Workshop bestand aus fünfzehn Personen, die meisten aus den Kanaren, die sich auf das Entwerfen, Bauen und Herstellen von Bühnenbildern und Kostümen spezialisiert hatten.

Auditorio Alfredo Kraus de Gran Canaria

Auditorio Alfredo Kraus de Gran Canaria

Das bedeutendste Ereignis dieser Jahre war die Feier von zwei Konzerten des Gran Canaria -Tenors Alfredo Kraus am 17. und 21. März 1999. Trotz seiner Krankheit und weil er den ACO und der Öffentlichkeit auf Gran Canaria nicht absagen wollte, unternahm er außerordentliche Anstrengungen und sang seine letzten beiden Konzerte. Bei dieser denkwürdigen Gelegenheit ehrte ihn der Präsident von ACO, Juan de León Suárez, mit der ersten Gold-Medaille der ACO. Nach seinem Tod beschloss der Verwaltungsrat mit Zustimmung seiner Familie, seinen Namen in die Opernsaison aufzunehmen. Von diesem Moment an heißen sie „Festival de Ópera de Las Palmas de Gran Canaria – Alfredo Kraus“.

Mario Pontiggia, ein junges argentinisches Talent, Architekt und Regisseur, arbeitete in den 1990er Jahren mit der Opéra de Monte-Carlo zusammen, als er 1999 zum ersten Mal nach Las Palmas eingeladen wurde (mit „L'Italiana in Algeri“) und 2001 zurückkehrte (mit „La Cenerentola“) und im Jahr 2002, in dem er seine erste Produktion für ACO („Die Zauberflöte“) machte. Ab dieser Saison übernahm Pontiggia die Rolle des künstlerischen Leiters und verlieh der ACO-Saison endgültig eine professionelle Struktur. Zu seiner Arbeit als künstlerischer Leiter gesellte sich seine Rolle als Regisseur, Bühnenbildner und Kostümbildner sowie Leiter des Workshops, der die Realisierung von mehr als zwanzig Produktionen übernahm, von denen viele erfolgreich nach Opern-Compagnien auf der spanischen Halbinsel, nach Monaco und Frankreich exportiert wurden.

Pontiggia suchte die Balance zwischen Stimmen, musikalischer Leitung und Produktionen, eine Neuerung im Konzept der ACO. Bedeutende Dirigenten waren und sind: Marco Armiliato, Pier Giorgio Morandi, Fabrizio Ma. Carminati, Paolo Arrivabeni, Yves Abel, Stefano Ranzani, Miquel Ortega, Riccardo Frizza, Marco Zambelli, Daniele Callegari, Eric Hull, Michele Mariotti, Alessandro Vitiello o José Miguel Pérez-Sierra, Sergio Alapont, Karel Mark Chichon, Francesco Ivan Ciampa, Juan Luis Martínez, Marzio Conti, Giuseppe Sabbatini y Ramón Tebar, sowie immer wieder Erik Hull und Miquel Ortega.

Zu 40-Jahr-Feier der ACO in der Saison 2007 wirkten Mitglieder des Balletts der Wiener Staatsoper unter ihrem Chef Renato Zanella bei einer „Fledermaus“ mit.

Ulises Jaén

Ulises Jaén

Ulises Jaén, bereits seit vielen Jahren mit den ACO verbunden, ist seit der Saison 2015 für die künstlerische Leitung verantwortlich, um den schweren Zeiten, die die Krise mit sich gebracht hatte, mit einem neuen Modell von Produktionen zu begegnen. Ein Interview mit ihm habe ich im Merker 03/2021 veröffentlicht. Eine herausragende Elina Garanca bot ein unvergessliches Konzert im Auditorium Alfredo Kraus, und man bewunderte die imposante Gesangs- und Bühnenpräsenz von Ambrogio Maestri als Boccanegra.

Spielorte waren von Beginn an das Teatro Pérez Galdós` und ab 1997 das neu entstandene *Auditorio Alfredo Kraus am Strand von Las Palmas auf der anderen Seite der Stadt, zumal das Teatro Pérez Galdós von 2001 bis 2007 wegen umfangreicher Renovierungs- und Erweiterungsarbeiten geschlossen war.

Was mich aber besonders beeindruckte, ist die signifikante Präsentation von sehr guten Sängern aus den Kanarischen Inseln. Gerade auch wieder in der laufenden 54. Temporada, die diesmal ausschließlich italienische Opern bringt. Alfredo Kraus ist zwar ein legendärer Sänger der Kanaren, aber wohl kein Einzelfall. In der kürzlichen „Cenerentola“ war unter anderen der kanarische Tenors Xabier Anduaga zu hören, eine Stimme von Weltformat! Ich denke, das ist unter den Opernfreunden in Mittel- und Nordeuropa möglicherweise zu wenig bekannt. Damit hat Alfredo Kraus durch seine elementare Rolle bei der Gründung der ACO seiner Heimat ein bedeutendes Vermächtnis hinterlassen. Die ACO hat es gewürdigt und sich auf diesem Gebiet besonders verdient gemacht.

Fotos: Klaus Billand 1-5; ACO 6

Klaus Billand

Informationen u.a. aus dem Buch zum 50. Jahrestag der Amigos Canarios de la Ópera, 1967-2017 (Spanisch).

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