Koblenz: Parsifal - Premiere 15. April 2022

Die oft unterschätzten Qualitäten „kleiner Häuser“

Die "Zaubermädchen"

Die "Zaubermädchen"

Während man in Wien zu Ostern statt Richard Wagners „Parsifal“ sein opus summum „Tristan und Isolde“ geboten bekommt und so mit einer langen und liebgewordenen Tradition bricht, stehen kleinere Häuser weiterhin zu dieser Tradition und machen – wie nun das Theater Koblenz – damit sehr guten Eindruck. Der Intendant des Hauses, Markus Dietze, führt selbst Regie. Er beweist nicht nur großes Verständnis für Wagners Intentionen sondern brachte mit Bühnenbildner Bodo Demelius, Kostümbildner Bernhard Hülfenhaus, den Videos von Georg Lendorff bei dramaturgischer Unterstützung von Maria Kross eine phantasievolle, gar nicht regiethetralische aber dennoch intensivst auf die Charaktere mit ihren Nöten, Zwängen und Schicksalen fokussierende Produktion auf die Bühne des schmucken kleinen Hauses mit etwa 500 Plätzen am Deutschen Eck.

Marcus Merkel

Marcus Merkel

Das größte Ereignis fand dennoch auf der Hinterbühne statt. Denn der neue Koblenzer Chefdirigent ab der Spielzeit 2022/23 Marcus Merkel dirigierte dort mit ruhiger Hand souverän – als hätte er nie etwas anderes als „Parsifal“ dirigiert – das Staatsorchester Rheinische Philharmonie, dessen Musiker ihm offenbar jeden Wunsch von den Lippen ablasen. Große Klarheit und Prägnanz im Vorspiel, sorgsam aufgebaute Crescendi in den Verwandlungsszenen der Randakte, ein ergreifender Karfreitagszauber und einiges mehr, mit fülligem Streichersatz und viel Substanz und Harmonie in Holz und Blech. Auch der Opernchor trug zum großartigen musikalischen Gelingen bei. Großen Wert legte man auf die von der Oper Nürnberg ausgeliehenen Gralsglocken, die in Bayreuth-bekannter Manier mystisch erklangen.

Parsifal gewinnt den Speer

Parsifal gewinnt den Speer

Das Bühnenbild wird von einer Hüpfburg dominiert, die sich wie eine riesige Gralskuppel stimmig über das Geschehen legt und Projektionsfläche für wohldosiert auf die jeweiligen Szenen abgestimmte Videos gibt, meist sehr phantasievoll. Weniger Phantasie hätte der Bespielung des Vorspiels auf der Vorderbühne gut getan. Da werden in störender Weise ständig Leuchtstoffröhren umplatziert oder Planzen von allzu vielen Gralsrittern, die zudem wie Motorradfahrer aussehen, hinein- und hinausgerollt, nicht ganz geräuschfrei. Gerade das „Parsifal“-Vorspiel sollte man doch aus sich heraus wirken lassen!

Gurnemanz im Karfreitagszauber

Gurnemanz im Karfreitagszauber

Gurnemanz wird sehr aktiv, fast schon als Strippenzieher, gezeigt, mit diversen Logos auf der Brust, metaphorisch seine gesellschaftlichen Verflechtungen dokumentierend. Das sieht man unter anderen den Judenstern mit dem siebenarmigen Leuchter, eine Assoziation der Algerischen Nationalflagge, ein Kreuz (Christentum), ein orthodoxes Kreuz, eine Buddha-Darstellung, eine Atomenergie-Darstellung und ein Vereinswappen.

Amfortas mit dem toten Titurel

Amfortas mit dem toten Titurel

Auch Klingsor ist viel intensiver als sonst in seiner Auseinandersetzung mit Kundry, starkes Detail einer sehr guten Personenregie. Warum die Zaubermädchen und Kundry vom Mutter Theresa-Gewand lediglich auf lange rote Kostüme frei jeglicher erotischen Note umsteigen müssen, bleibt im Ungewissen. Von Erotik im 2. Aufzug wird in diesem „Parsifal“ vollkommen abstrahiert. Am Ende wird der Gral, ein weißer, aus dem Boden aufsteigender Lichtbalken, durch Parsifal wiederhergestellt – heute nahezu unbekannt. Eine Friedenstaube gleitet schemenhaft und hochaktuell über die Kuppel – ein ergreifender Schluss!

Schlussapplaus

Schlussapplaus

Jongmin Lim gibt einen sehr aktiven Gurnemanz mit fülligem Bass, Hansung Yoo beeindruckt stimmlich ebenso als Amfortas. Tobias Haaks ist ein stimmstarker Parsifal ohne tenoralen Ganz, Nico Wouterse ein zwar kraftvoller, aber zu sehr deklamierender Klingsor. Monika Mascus singt eine sehr musikalische Kundry mit schönem Mezzotimbre. An einer besseren Abstimmung der Balance zwischen den meist zu lauten Sängern vorn und dem Orchester hinten sollte man im Hinblick auf die kommenden Aufführungen arbeiten. Insgesamt jedoch ein stimmiger und musikalisch hervorragender „Parsifal“ am Theater Koblenz.

Fotos: Matthias Baus für das Theater Koblenz 1, 3, 4-5; K. Billand 2, 6

Klaus Billand

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