Santa Cruz de Tenerife: Florencia en el Amazonas NI – 24. März 2022

Amazonisch-musikalischer Farbenreichtum à la Puccini und Debussy

Aufführungs-Poster

Aufführungs-Poster

Eine Premiere der ganz besonderen Art! Die Ópera de Tenerife in der Hauptstadt Santa Cruz führte in einer Produktion des Auditorio de Tenerife zum ersten Mal eine lateinamerikanische Oper auf. Und es wurde gleich eine spanische Erstaufführung! „Florencia en el Amazonas“ des Mexikaners Daniel Catán wurde in Europa bisher nur in Deutschland und der Schweiz aufgeführt, während das Werk in der westlichen Hemisphäre schon über viele Bühnen gewandert ist.

Der Dampfer "El Dorado"

Der Dampfer "El Dorado"

Nach dieser Premiere der Catán-Oper mit dem Libretto von Marcela Fuentes-Berain, die aus dem magischen Realismus von Gabriel García Márquez in seinem Roman „Die Liebe in den Zeiten der Cholera“ schöpfte, fällt es einem schwer zu verstehen, warum das Werk erst nun in Spanien zu erleben ist, und dazu noch auf den vom Festland weit entfernten Kanarischen Inseln, die dem Amazonas aber immerhin etwas näher sind. Aber bis auf zwei Länder also war es bisher noch unbekannt in Europa!

Forencia mit Rosalba

Forencia mit Rosalba

Die „Florencia“, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts angelegt ist, wurde 1996 am Wortham Theater Center der Houston Grand Opera uraufgeführt und erzählt die Geschichte der bekannten Opernsängerin Florencia Grimaldi, die aus Amazonien stammt, es aber vor 20 Jahren verlassen hatte, um in Europa eine Gesangskarriere zu machen, die ihr auch gelang. Dafür ließ sie ihren damaligen Geliebten Cristóbal zurück, einen Schmetterlingsfänger. Sie wurde nach all dem Ruhm, dessen Bedeutung ihr immer zweifelhafter wurde, nun vom Wunsch befallen, Cristóbal in Manaus am Amazonas (de facto am Rio Negro) wiederzutreffen und am Opernhaus von Manaus für ihn zu singen. So schifft sie sich inkognito im kolumbianischen Leticia ein. Dafür sagte sie sogar einen Auftritt an der Mailänder Scala ab!

Der Kapitän mit dem Maschinisten

Der Kapitän mit dem Maschinisten

Die mit ihr Reisenden an Bord des Dampfers „El Dorado“ haben mehr oder weniger alle den einen Wunsch, in Manaus die berühmte Grimaldi zu hören. Dabei wird die Reise nach Manaus unter dem Einfluss des Dschungels mit seinen eigenen Gesetzen zu einer Reise in ihr Inneres. Während Florencia über das Wiedersehen mit dem früheren Geliebten eigentlich nur ihr eigenes authentisches Ich sucht, findet das zerstrittene Ehepaar Álvaro und Paula auf Umwegen wieder zusammen. Der Neffe des Kapitäns und Maschinist, Arcadio, entdeckt seinen Wunsch zum Ausbruch aus der Tristesse des Schiffes in die weite Welt und findet sogar eine flüchtige Liebe zur jungen Schriftstellerin Rosalba, die an einer Biographie über Florencia schreibt, aber schließlich feststellen muss, dass das meiste gar nicht stimmt. Der Kapitän muss einsehen, dass seine Welt, das Schiff, auch nicht die endgültige Basis für ein Leben darstellt. Auf der Fahrt werden einige Lebensweisheiten nachvollziehbar offenbart.

Riolobo mit seinem Volk

Riolobo mit seinem Volk

Und alle werden immer wieder beherrscht vom amazonischen Riolobo, einer mythischen Gestalt zwischen Mensch und Dschungel, der über eine Reihe von Pantomimen verfügt, die eindrucksvoll und bizarr kostümiert immer wieder in die Szene treten. Die ekuadorianische Regisseurin Chía Patiño hat diese von Alejandra Prieto einstudierten Fabelwesen der immer häufiger werdenden Videoberieselung vorgezogen und damit gut getan. Denn zusammen mit den dramaturgisch intensiv gestalteten Auftritten des wie ein Amazonas-Häuptling bemalten Riolobo lassen sie die besondere Fluss-Atmosphäre viel besser erahnen. Patiño wollte magische Momente aus der Realität auf die Bühne hohen und auf die Situation der Menschen abstellen und schaffte es dabei auch, die gegenseitige Beeinflussung von Mensch und Natur darzustellen. Die Bühnenbilder von Izmir Ickbal, die im Wesentlichen auf ein sich in drei Teilen bewegendes Schiff aus Holz setzen und damit immer wieder spannende Szenen schaffen, die Kostüme von Felype de Lima und das oft geheimnisvolle Licht von Erin Earle Fleming tragen dazu erheblich bei.

Der Sturm naht und schweißt alle zusammen

Der Sturm naht und schweißt alle zusammen

So ist viel von dem magischen Realismus zu spüren, den das Libretto offenbart und noch mehr von der Magie in der Musik Catáns, die einen schier unglaublichen Farbenreichtum und auch eine feine Melodienbildung aufweist, dabei immer wieder an Puccini und Debussy erinnernd. Man kann den tropischen Farbenreichtum des Amazonas in der Musik regelrecht hören! Pedro Halffter, der auch die Aufführungen in der Schweiz dirigierte, vermag am Pult des Symphonischen Orchesters von Teneriffa all diese Farben und Facetten zum Leuchten zu bringen. Es gibt auch einige klangvolle symphonische Zwischenspiele. Der Chor kann ebenfalls mit Stimmkraft und Transparenz überzeugen und besticht auch durch seine phantasievollen korallenroten Kostüme.

Florencia mit den Schmetterlingen am Ziel

Florencia mit den Schmetterlingen am Ziel

Die US-Amerikanerin mit lateinamerikanischen Wurzeln, Sandra López, debutiert in der Titelrolle der Florencia mit einem klangschönen, insgesamt aber vom Volumen her nicht ganz ausreichenden Sopran. Lina Mendes ist eine jugendlich lyrische Rosalba, der auf Teneriffa gebürtige Airam Hernández ein stimmstarker Arcadio, der sicher auch schon einen Erik singen kann, und Àngel Òdena sowohl ein stimmgewaltiger Bariton als auch unheimlich präsenter Riolobo, unheimlich im wahrsten Sinne des Wortes…

Schlussapplaus mit Maestro Halffter

Schlussapplaus mit Maestro Halffter

Am Ende kommt man in Manaus an, kann aber wegen der Cholera nicht an Land gehen. Särge treiben schon im Fluss. Florencia singt ihre Arie allein im dunklen Wald. Ein Moment großer Poesie, denn die Schmetterlinge kommen in Schwärmen zu ihr. Sie wird eins mit ihnen und so mit dem verschollenen Cristóbal, eine Ende fast wie bei „Tristan und Isolde“… Die Inszenierung erreicht hier einen wahrlich ultimativen Höhepunkt.

Fotos: Auditorio de Tenerife/Miguel Barreto 2-7; K. Billand 1, 8

Klaus Billand

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