LAS PALMAS de Gran Canaria: Konzert des Philharmonischen Orchesters von Gran Canaria unter Frank Beermann - 5. Dezember 2014
Hommage an die letzten (musikalischen) Helden des 19. Jahrhunderts…
Auditorio Alfredo Kraus
Das Philharmonische Orchester von Gran Canaria, unter Leitung seines Künstlerischen Direktors und Chefdirigenten Pedro Halffter, bietet von September bis Juli ein interessantes und äußerst vielseitiges Konzertprogramm. Die Auftritte finden im 1997 eröffneten Auditorium Alfredo Kraus in Las Palmas de Gran Canaria statt, das aus der Ferne am Strand liegend einer Sarazenenburg ähnelt. Es beherbergt einen akustisch beeindruckenden und optisch mit warmen Holztönen attraktiv gestalteten Zuschauerraum mit 1.600 Plätzen und einer gewissen Einzigartigkeit: Man schaut von den hoch hinauf reichenden Zuschauerrängen über das Orchester hinweg auf die gemächlich und somit fast poetisch anrollenden Wellen des Atlantiks und seine Weite. Davon wird wohl so mancher Dirigent schon einmal produktive Assoziationen und – wer weiß – auch Motivation bezogen haben. Alfredo Kraus, 1927 in Las Palmas geboren, hat hier mehrmals gesungen. Seine Bronzebüste steht im Foyer.
Auditorio Alfredo Kraus Haupteingang
Das Programm der Saison 2014/15 brachte im September zwei Konzerte des Ersten Gastdirigenten Günther Herbig, u.a. mit Mendelssohn, Ravel, Brahms sowie Beethoven und Wagner, von dem man wesentliche Stücke aus dem „Meistersingern“, „Tristan und Isolde“ und „Tannhäuser“ gab. Herbig kehrt im April noch einmal mit dem Geiger Klaidi Sahatci mit dem Violinkonzert von Beethoven und der „Eroica“ zurück. Der Chef des Hauses, Pedro Halffter, tritt sieben Mal mit seinem Orchester auf, mit Programmen von Gerhard, Ullmann, Richard Strauss; Gershwin, De Falla, Adams; Webern, Schreker; Wagner, Weber, Hindemith; Mozart, Strawinsky, sowie der „Carmina Burana“ von C. Orff. Ana Ibarra sang im November unter ihm die Wesendonck-Lieder. Im Mai 2015 wird es im Auditorio Alfredo Kraus die UA einer symphonischen Chor-Fassung der „Götterdämmerung“, von Pedro Halffter selbst arrangiert, geben. Chorleiter ist Luis García Santana – sicher etwas Reizvolles für die Freunde des Wagnerschen Werkes. Weitere Gastdirigenten der Temporada 2014/15 sind Frédéric Chaslin, Xu Zhong, Eduardo López Banzo, Sebastian Lang-Lessing, Marcus Bosch mit der „Schöpfung“ von Haydn, Yaron Traub, Antoni Wit, Georg Fritzsch, Enrico Onofri und nun eben Frank Beermann. Wie man sieht, bietet das Auditorium Alfredo Kraus auch mit den von den letztgenannten Dirigenten gespielten Komponisten ein anspruchsvolles Programm, welches zudem auf äußerst ansprechende Weise dargeboten wird.
Der Saal
Das Konzert des Philharmonischen Orchesters von Gran Canaria unter der Leitung des Chemnitzer GMD Frank Beermann am 5. Dezember legte dafür ein beredtes Zeugnis ab. In einer interessanten Konstellation war es den „Últimos héroes del siglo XIX“, also den letzten (musikalischen) Helden des 19. Jahrhunderts – Richard Strauss, Richard Wagner und Alexander Scriabin gewidmet. Wie Luis García Santana im Programmheft schreibt, wollte man mit diesen drei Komponisten die Bedeutung der Neuartigkeit ihrer Kompositionsstile betonen, die auf dem Fundament der Romantik aufbauend eine „Musik der Zukunft“ – Wagner thematisierte es gar als „Das Kunstwerk der Zukunft“ – postulierten, und dabei natürlich auch des 150. Geburtstags von Richard Strauss gedenken. Für die kanarischen Programmgestalter stehen diese „drei Paladine einer Musik, die sowohl durch Romantik wie Modernität als auch durch Tradition und Rebellion gekennzeichnet ist“ für das Motto „Was kann spiritueller und humanistisch mystischer sein als die Musik?!“
Frank Beermann beim Schlussapplaus
Der Chemnitzer Chefdirigent der Robert-Schumann-Philharmonie, Frank Beermann, den der Autor erst vor kurzem mit einem „Meistersinger“-Konzert auf Schloss Neuschwanstein und mit der „Toten Stadt“ in Chemnitz erlebt hatte, wusste an diesem Abend mit zweitweise mitreißendem Schwung und großer Empathie am Pult diesen Anspruch voll einzulösen. Schon mit der Symphonischen Dichtung „Don Juan“ op. 20 von Richard Strauss zu Beginn brillierte das Philharmonische Orchester von Gran Canaria (OFGC) unter dem bestimmten Schlag Beermanns mit großartiger Dynamik, fließenden Übergängen und kristallklarer Transparenz in den einzelnen Gruppen. Beermann ließ dem Vortrag dieses Straussschen Frühwerks dabei dennoch viel Atem – bestechend nach dem initialen Höhenflug die nahezu kontemplative Ruhe vor dem Oboenthema. Die sechs Hornisten konnten mit ihrem großen Solo ebenso beeindrucken wie die Streicher mit ihrem harmonischen und kohärenten warmen Klangbild unter der Führung des exzellenten und erfahrenen israelischen Konzertmeisters Yaakov Rubinstein. Die Solostimmen kamen in diesem „Don Juan“ stets zu bester Wirkung.
Frank Beermann mit dem Orchester
Es folgte das „Siegfried-Idyll“ von Richard Wagner, welches einen passenden, zum Nachdenken anregenden Gegenpol zu den errratischen Sequenzen des „Don Juan“ bot und ebenfalls mit großer Hingabe und Detailtreue musiziert wurde. Beermann gelangen hier vor allem die zarten Feinzeichnungen der Partitur, die einen sowohl an Siegfrieds Kontemplation im 2. Aufzug zu seinen ihm unbekannten Eltern, und aber auch in das Treppenhaus von Tribschen gelangen ließen… Besonders große Harmonie strahlten hier die Holzbläser aus, wobei die Oboe mit dem Hauptthema immer wieder harmonisch in das symphonische Gewebe eingebunden wurde. Auch der Hornruf Siegfrieds gelang bestens. Nach schwelgerischer Dynamik endete das „Idyll“ mit zarter Lyrik gewissermaßen in der Unendlichkeit…
Nach dem Konzert
Nach der Pause gab es noch die Symphonie Nr. 2 in D-Moll, op. 29 von Alexander Scriabin. Seine zweite Symphonie hat noch viel von Wagner und Liszt, aber Scriabins Sinn für die Bedeutung, Melodien und Farben zusammen zu bringen, in einer unauflöslichen Assoziation des melodischen und harmonischen Duktus, sowie sein ultimatives Ziel, die Schaffung des „mystischen Akkords“, machten ihn zu einem „Vorreiter der tonalen Befreiung“, wie Luis García Santana zur 2. Symphonie anmerkt. Die fünfsätzige Symphonie, 1902 uraufgeführt, dokumentiert bereits einen radikalen Bruch mit der chopinianischen Tonsprache der Frühwerke Scriabins. Beermann arbeitete mit dem Andante – Allegro giocoso mit viel Liebe zum Detail das Hauptthema der Klarinette des ansonsten eher themenarmen Werks gefühlvoll heraus und steigerte den symphonischen Duktus eindrucksvoll zum dramatischen Satzfinale. Im Allegro legte sich die Flöte mit ihrem Solo klar und in feiner Harmonie über die symphonischen Grundlinien. Auch im weiteren Verlauf der Symphonie gelang Beermann mit dem Orchester ein sorgfältiger Aufbau der Steigerungen, bis der letzte Satz wie eine Elegie verklang – einmal mehr an Richard Wagner erinnernd.
Alfredo Kraus
Großer Applaus des zahlreich erschienen Abo-Publikums aus Las Palmas und Umgebung, welches trotz aller Begeisterung aber keine Zugabe forderte. Das soll hier so Sitte sein…
Fotos: Klaus Billand
Klaus Billand