SALZBURG/Festspiele: „A due voci“ - 29. August 2018
Anna Netrebko
Nach einer ausgedehnten Südamerika-Tournee war er also nun in Salzburg angekommen, sozusagen auf den letzten Drücker der Festspiele, der – laut unserem geschätzten Chefredakteur nicht zu Unrecht bezeichnete – „Netrebko-Zirkus“, bestehend aus den „due voci“, den zwei Stimmen von Anna Netrebko & Yusif Eyvazov. Nach dem erlebten Parforce-Ritt durch die Ohrwürmer einiger Opern von G. Verdi, G. Puccini und P. Mascagni mit einem im letzten Moment erfolgten Einschub von „Nessun dorma“ mitten in den „Butterfly“-Block, wurde nicht ganz klar, ob es dieser Darbietung nach den auch in diesem Jahr mehr noch als im letzten so anspruchsvollen und die Festspielbesucher durchaus fordernden Opern-Programm bedurft hätte. Jader Bignamini dirigierte das Mozarteumorchester Salzburg.
Eyvazov und Netrebko
Sensationell glänzte Anna Netrebko wieder einmal in all ihren Rollen, von den finistren Attacken der Lady Macbeth über eine verzweifeltes „Pace, pace, mio Dio“ aus „La forza del destino“, ein unsterbliches Verliebtsein im Liebesduett mit Otello aus dem 1. Akt; dann in einem von glaubhafter Eifersucht getriebenen Duett mit Cavaradossi aus dem 1. Akt der „Tosca“ zum flehenden „Vissi d’arte“ und dem hoffnungsvollen, aber naiven „Un bel dì vedremo“ zum „Vogliatemi bene“ aus „Madama Butterfly“. Sie sang alle Facetten ihrer ungemein ausdrucksvollen Sopranstimme aus, immer wieder durch die charaktervolle Abdunkelung in der Mittellage und die Tonfülle im tiefen Register beeindruckend. Beides gibt dieser einzigartigen Stimme so etwas wie ein Alleinstellungsmerkmal. Man hört die Netrebko aus vielen anderen Sopranstimmen mühelos heraus. Dabei kommen die Topnoten perfekt wie man sie besser derzeit wohl nicht hören kann. Auch im optischen Ausdruck ließ die Netrebko nichts zu wünschen übrig, und damit sind nicht nur die beiden prachtvollen Kleider gemeint. Etwas überraschen muss allerdings die Formulierung im Programmheft, dass Anna Netrebko Botschafterin (Ambassador) eines bedeutenden Schweizer Uhren- und Schmuckherstellers ist. Mit einem solchen Titel verbindet man normalerweise andere Vorstellungen…
Anna Netrebko beim Schlussapplaus
Leider konnte ihr Ehemann Yusif Eyvazov auf diesem sängerischen Niveau nicht mithalten, was ohnehin im Prinzip schon bekannt war. Er hat zwar einen technisch sehr gut geführten und alle Noten, inklusive der dramatischen Höhen, nahezu perfekt aussingenden Tenor. Die Stimme hat seit seinem Gewinn des 1. Preises beim „Byulbyul Internationalen Gesangswettbewerb“ in Baku, Aserbaidschan, seiner Heimat, im November 2012 an Qualität gewonnen (siehe Rubrik Gesangswettbewerbe), nicht zuletzt wohl auch durch die Unterstützung seiner Frau. Aber es ist und bleibt mehr als eine Geschmackssache, dass sein Timbre einfach nicht das leisten kann, was diese italienischen Komponisten sich für die jeweiligen Tenorrollen – zumal unter dem Eindruck der Tenöre ihrer Zeit – vorgestellt haben werden. Es fehlt nahezu völlig an Italianità und mangelt an Klangfülle bzw. Resonanz, sowie an stimmlicher Geschmeidigkeit. Die Stimme klingt eher hart und herb, bisweilen metallisch, und deshalb besitzt sie durchaus eine Durchschlagskraft, die mühelos über das Orchester hinweg kommt. Aber das allein kann es nicht sein, wie auch nicht das fast sportlich angegangene Meistern des hohen C in der „Stretta“ oder des H bei „Nessun dorma“. Solche auch optisch mit entsprechender Mimik vollzogene „Tonakrobatik“ legte manchmal den Eindruck nahe, dass es hier vornehmlich um das Meistern von allgemein als äußerst schwierig geltenden Klippen ginge. Dabei sollte doch die homogene, auf eine durchgängige Ausstrahlung bedachte und dabei gerade auch bei Puccini auf einen hohen Grad an Emotionalität zurück greifende Stimmkultur Wert gelegt werden. Vielleicht entwickelt sich Eyvazov noch ein Stück weiter in diese Richtung. Sofort abstellen könnte er ein des Öfteren stereotyp wirkendes Gehabe in seiner Gestik.
Schlussapplaus
Das Publikum spendete starken Applaus mit vielen Bravi nach den einzelnen Nummern und am Ende. Es kam aber nicht zu spontanen standing ovations wie bei den konzertanten „Pecheurs des perles“ mit Placido Domingo oder dem ersten Konzert von Kirill Petrenko mit den Berliner Philharmonikern. Der Jubel hielt sich also in Grenzen, und der Applaus währte, wenn man bedenkt, dass die wohl schönste und beliebteste Sopranstimme unserer Zeit auf der Bühne stand, nicht allzu lange. Keine Zugaben.
Fotos: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli
Klaus Billand