Salzburg/Festspiele – Canto Lirico mit Juan Diego Flórez - 29. August 2021
Wie immer total begeisternd!
Flórez mit Scalera im Hautprogramm
Nur die letzte der vier Canto Lirico -Vorstellungen der Festspiele 2021 fand im Großen Festspielhaus statt, alle anderen im Haus für Mozart. Und das war auch nötig, denn es handelte sich wieder um den peruanischen Belcanto-Star Juan Diego Flórez. Er hat mittlerweile eine – auf Qualität – eingeschworene Gemeinde, die immerhin mal eben das Auditorium mit seinen über 2.000 Plätzen füllt. Und er ist auch dieses Jahr wohl wieder der König der Zugaben, deren er ganze sieben geben musste und auch sichtlich wollte. Flórez war wieder mit Vincenzo Scalera als Begleiter angetreten – die beiden verstehen sich offensichtlich wie im Traum.
Walter Weidringer schreibt im Programmheft Interessantes zum Thema „Eine wahre Musik muss rühren und ergötzen zugleich“ – von Franz Schubert zu Giacomo Puccini. Er fragt unter anderem, ob das deutsche Lied etwas grundlegend anderes ist als die italienische Romanze. Wer Stimme und Gesang wahrhaftig liebt, der mache da wohl keinen großen Unterschied. Und das war bei Juan Diego Flórez an diesem Nachmittag einmal mehr zu erleben.
Die ersten Zugaben
Er begann mit drei Franz Schubert-Liedern, „Gesang (An Sylvia)“, „An die Musik“ und das allzu bekannte „Ständchen“. Flórez machte mit seiner noch etwas verhaltenen Interpretation dieser Lieder deutlich, dass es beim deutschen Lied doch etwas mehr um Rührung geht. Er brachte in ihre Interpretation viel Emotion ein und legte Wert auf Zwischentöne bei großer Leichtigkeit im Duktus. Mir den drei folgenden Liedern des Belcanto-Papstes Vincenzo Bellini wurde es dann schon etwas dynamischer, und Flórez begann langsam das immer wieder betörende Spiel mit seinen unvergleichlichen Spitzentönern, die das Publikum so gern hört. Das begann schon gleich beim ersten „Malinconia, Ninfa gentile“ aus „Sei ariette da camera“, in dem er bereits einige Dramatik zeigen kann. Dann folgt „Per pietà, bell’idol mio“ aus „Sei ariette da camera“ mit einer traurigen Weise, die er mit einnehmender stimmlicher „Melancholie gestaltet und einer herrlichen und lang gehaltenen Spitze auf dem finalen „…Il mio core, il tuo lo sa“ (Mein Herz, dein Herz weiß es“) abschließt. Bewegter wird es wieder bei „Deh! Tu m’assisti, amore“ aus der Oper „Il signor Bruschino ossia Il figlio per azzardo” von Gioachino Rossini mit ebenfalls eindrucksvoller Höhe am Schluss. In Rossinis „La speranza più soave“ des Idreno aus der Oper „Semiramide“ hat Flórez dann volle Betriebstemperatur erreicht und spielt mit den variationsreichen Ausdrucksformen seiner Stimme. Hier merkt man, das er zu jener Kategorie von Interpreten gehört, die Stimme und Gesang wahrhaftig lieben und zudem das vokale Potenzial haben, dies auch einem erwartungsvollen Publikum zu vermitteln.
Die späteren Zugaben
Nach der Pause geht es mit Francesco Paolo Tosti weiter, zunächst mit dem Lied „Sogno“, das Flórez gefühlvoll engagiert vorträgt. Es folgt „Seconda mattinata“ mit besonders viel Lyrik und Piano, mit von mimisch wie vokal begleiteten Emotionen gesungen. In „Aprile“ zeigt Flórez sei Potenzial zu dramatischen Steigerungen und einem emotional vordrängenden Gesangsstil. Von Matteo Salvi und Gaetano Donizetti erklingt dann die Szene und Romanze des Marcello „Inosservato penetrava – Angelo casto e bel” aus der Oper „Il duca d’Alba“, das er auf eine erzählerische Weise vorträgt. Mit der Arie des Gaston „Je veux encore entendre ta voix“ aus der Oper „Jérusalem“ von Giuseppe Verdi wird es nun gegen Ende etwas schwerer und Flórez singt die sehnsuchtsvollen Zeilen nach Hélène mit großer Emphase in der Arie, die er schon mit opernhafter Gestik auch schauspielerisch darstellt. Hier passt einfach alles zusammen, Flórez ist immer in den Figuren, die er besingt. Diese Authentizität ist vielleicht auch ein Grund für seine so starke Sympathien erzeugende Art und Weise zu singen. Wieder begeistert er das Publikum mit der Topnote des Finales der Arie. Von *Giacomo Puccini' folgt die abschließende Romanze „Torna ai felici dì“ des Roberto aus der Oper „Le Villi“. Es handelt sich um ein Lied voller Melancholie, ion dessen Finale Flórez einen lang gehaltenen Spitzenton nach einem emotionalen Vortag intoniert. Das Publikum ist aus dem Häuschen!
Finaler Jubel!
Sein perfekt spielender Begleiter Vincenzo Scalera spielt während des Nachmittags zweimal allein, und zwar zunächst den „Danse sibérienne“ – Un rien Nr. 12 aus „Péchés de viellesse“ von Rossini und später das „Largo e tema f-Moll für Klavier von Vincenzo Bellini. Mit beiden Stücken kann Scalera seine Virtuosität am Flügel eindrucksvoll unter Beweis stellen.
Ja, und dann die Zugaben. Zur Freude des Publikums kommt gleich der Hocker herein, was signalisiert, das Flórez nun mit seiner Gitarre weitermacht. Und das begann mit der Canzone „Core N’grato“, die er mit viel Klangschönheit intonierte. Nach einem peruanischen Lied zur Gitarre spielte er mit dieser noch „Cucurrucucu Paloma“, was einen guten Teil des Publikums von den Sitzen riss. Nach einem weiteren Lied ging es dann mit dem Flügel weiter und zwar dem berühmten „Torna a Surriento“, wobei man natürlich immer an Luciano Pavarotti denken muss. Und als viele schon dachten, das sei es gewesen, kam noch „Dein ist mein ganzes Herz!“ und last but not least mit „Nessun dorma“ aus Puccinis Oper „Turandot“ die 7. Zugabe, wie im letzten Jahr. Man merkte nicht nur da, dass der Tenor von Juan Diego Flórez weiterhin seine große emotionale Strahlkraft hat. Eine außergewöhnliche Sängerpersönlichkeit und wieder ein must bei den Festspielen!
Fotos: Marco Borrelli/Salzburger Festspiele
Klaus Billand