Lech am Arlberg / Classic Festival - Special Edition: Camilla Nylund und Piotr Beczala - 8. und 9. August 2020

Zwei absolute Weltstars der Oper

Das Festival am Sportpark von Lech

Das Festival am Sportpark von Lech

Das edle kleine, aber hochfeine Lech Classic Festival wartete am 8. und 9. August mit einem absoluten Höhepunkt als Schlusspunkt auf. Die Veranstalterin Marlies Wagner hatte es vollbracht, das „hohe Paar“ des „Lohengrin“ der Bayreuther Richard Wagner Festspiele, die ja Corona-bedingt abgesagt worden waren, vom Roten Main an den jungen Lech zu holen – wahre Superstars ihres Fachs, die Finnin Camilla Nylund und den Polen Piotr Beczala. Mit dem großartig und beherzt aufspielenden Lech Festival Orchester unter der kompetenten Stabführung von Michael Güttler konnten die beiden bei toller Stimmung unter den Musikern und im Publikum im akustisch guten und fast vollbesetzten Sportpark von Lech alle Facetten ihres Könnens dokumentieren, dabei auch einiges, was man nicht ohne Weiteres von ihnen zu hören bekommt.

Camilla Nylund in Lech

Camilla Nylund in Lech

Camilla Nylund sang zum Thema „Glück, das mir verblieb“ aus W. Korngolds „Die tote Stadt“, und es war in der Tat der erste hohe Ton dieser Arie, den sie mit solcher Verve, Klangintensität und herrlich ausschwingend sang, dass damit allein schon das Thema gerechtfertigt schien. Als „Figaro“-Gräfin bestach sie gleich zu Beginn mit ihrem perfekten Tonansatz, bester Diktion und farbenreicher lyrischer Klanggebung auf jeder Note. Hier beeindruckte auch ihr flüssiger Übergang von der lyrischen Weise in die dramatischeren Phrasen. Es ergab sich eine nahezu perfekte Gesangslinie, und die finnische Sopranistin dokumentierte so schon gleich zu Beginn mit der „Figaro“-Gräfin aus „Le nozze di Figaro“ von Wolfgang Amadeus Mozart die Höhe ihrer Gesangskunst. Mit der „Teuren Halle“ aus Richard Wagners „Tannhäuser“ setzte sie einen strahlenden Akzent ihrer großen Wagner-Erfahrung, besser geht es wohl nicht! Hier war großer Ausdruck mit wortgetreuer Wiedergabe zu erleben, die mit einem sicher sitzenden Spitzenton endete. Mit emotionaler Dramatik der Sieglinde fügte sie mit „Der Männer Sippe saß hier im Saal“ aus der „Walküre“ noch einige Facetten ihrer Kunst hinzu – all das immer mit starkem Ausdruck und entsprechender Mimik, je nach Thema des Stücks. Hier wurde sogar die allgemein gefürchtete Klippe „…sühnte denn alles“ mit schöner Farbgebung voll ausgesungen.

Beim Applaus

Beim Applaus

Mit dem Tenor Anton Saris gab Nylund sodann ein von Matthias Fletzberger arrangiertes munteres Medley aus der „Fledermaus“ von J. Strauss und zeigte die komödiantische Seite ihres Könnens, die man nicht so oft zu hören bekommt. Das kam beim Publikum besonders gut an, zumal Saris gut mit ihr mithalten konnte. Ihr Programm endete mit dem herrlich intonierten Lied aus der „Toten Stadt“ „Glück, das mir verblieb“, mit Saris als Paul.

Schlussapplaus mit Anton Saris und den Instrumentalsolisten

Schlussapplaus mit Anton Saris und den Instrumentalsolisten

Zwischen Ihre Opernarien streute Camilla Nylund ein paar Lieder von Franz Schubert und Richard Strauss ein, von Schubert „Der Hirt auf dem Felsen“ (Orchesterfassung: Thomas Pernes) und von Strauss „Morgen!“ und „Zueignung“. Hierbei ließ sie ihre hohe Versatilität und Lyrik auch im Liedgesang hören. Bei Schubert konnte sie auch wieder mit der Leichtigkeit des Übergangs von zarter Lyrik zu dramatischer Aussage, immer bei bester Wortdeutlichkeit beeindrucken. Richard Wagner hätte an Nylund wohl seine wahre Freude gehabt, als er sinngemäß schrieb: „Text, Text und wieder Text! Bleibt mir gewogen, Ihr Lieben“…

Dalibor Karvay

Dalibor Karvay

Der Geiger Dalibor Karvay, seit kurzem Konzertmeister der Wiener Symphoniker, spielte zwischendurch das Rondeau. Allegro aus dem Violinkonzert Nr. 3 in G-Dur von W. A. Mozart und die Introduction et Rondo Capriccioso in a-moll für Violine und Orchester von Camille Saint-Saens. Die Solo-Flötistin der Wiener Volksoper Birgit Ramsl-Gaal brillierte mit dem Rondo Russo aus dem Concerto in e-moll für Flöte und Streicher von Saverio Mercadante – alles instrumentale Glanzpunkte! Der Klarinettist Bernhard Mitmesser begleitete C. Nylund bei dem Schubert-Lied.

Piotr Beczala beim Applaus

Piotr Beczala beim Applaus

Piotr Beczala sang am Tag darauf unter dem Thema „Vincerò!“ des „Nessun dorma“ aus „Turandot“, mit dem er nach einem wahren Arien-Marathon durch das deutsche, italienische, französische und russische Fach das Publikum zu einem Jubelsturm und standing ovations hinriss. Vorher hatte er sage und schreibe die acht bedeutendsten Tenor-Arien aus „Lohengrin“, „Roméo et Juliette“, „Werther“, „Carmen“, „Eugen Onegin“, „Aida“, „Rigoletto“ und „Turandot“ gesungen, mit einem nahezu märchenhaft perfekt geführten und klingenden Terror, der den Künstler mit seinen strahlenden und topsicheren Höhen sowie viriler Tiefe im Zenit seiner Kunst zeigte. Besonders besticht seine feine, nie zu dick aufgetragene Italianità.

Piotr Beczala mit Michael Güttler

Piotr Beczala mit Michael Güttler

Er begann gleich mit der Gralserzählung „In fernem Land…“ aus Wagners „Lohengrin“. Mit feiner Lyrik begann er die Preisgabe der Identität des Gralsritters und sang natürlich „… eine Taube“ in bestechendem Piano, derzeit wohl unerreicht, um dann zu einer strahlenden und kernigen Höhe überzugehen, das alles bei perfekter Wortdeutlichkeit – eben, wie Wagner es von seinen „Lieben“ wollte. Es folgte die Cavatine „L’amour, L’amour“ des Roméo aus „Roméo et Juliette“ von Charles Gounod. In akzentfreiem Französisch ließ er auch hier beste Lyrik erklingen. Dem „Pourquoi me réveiller“ des Werther aus der gleichnamigen Oper von Jules Masenet kann man getrost das Prädikat „Phantastisch“ vergeben, obwohl ich damit sehr vorsichtig bin. Wie er hier mit gebündelter, aber unangestrengter Kraft die beiden Spitzentöne setzt und dazu noch mit einer leichten Italianità, das war schon etwas von der ganz anderen Art! Danach gab es mit der Blumenarie des Don José aus „Carmen“ „La fleur que tu m’avais jetée“ eine leichte Entspannung, wobei Beczala hier mit viel tenoralem Schmelz in der Stimme und einer virilen Tiefe beeindruckte. In die Arie des Lenski „Kuda, kuda“ aus „Eugen Onegin“ legte er sodann die ganze Traurigkeit in Stimme und Mimik seiner Darbietung. Man merkte Lenskis totale Verzweiflung, die bekanntlich kurz darauf im Tode durch das Duell mit Onegin gipfelt. Das Publikum spendete nach jeder Nummer begeisterten Applaus.

Die Zugabe

Die Zugabe

Zum Abschluss sang Beczala unglaublicherweise noch drei Arien hintereinander. Es ging los mit dem „Celeste Aida“ aus der gleichnamigen Oper von Giuseppe Verdi, die er mit einem kräftigen Forte begann. Eine kleine und wohl nur der Überbeanspruchung zuzuschreibende Unebenheit am Schluss der Arie war mit einem Schluck Wasser weggespült und führte zu glanzvollen Vorträgen von „La donna è mobile“, der Kanzone des Herzogs von Mantua aus „Rigoletto“ von Giuseppe Verdi mit großer gesanglicher Lockerheit und toller Höhe, sowie eben mit dem finalen „Nessun dorma“ des Calaf aus „Turandot“ von Giacomo Puccini. Hier beeindruckte seine klangvolle, baritonal timbrierte Tiefe und natürlich der alle mitreißende Schluss auf „H“, der beim Publikum einen Beifallssturm und heftiges Trampeln entfachte. Beczala sang als Zugabe mit dem Geiger Dalibor Karvay und dem Pianisten noch „Lippen schweigen…“ aus der „Lustigen Witwe“, wobei er gar nicht mehr um die Zuneigung des Publikums („…hab‘ mich lieb“) bitten musste. Die war ihm so sicher! Ich bin mir hingegen sicher, dass Piotr Beczala momentan der weltbeste Tenor in seinem Fach ist.

Schlussapplaus

Schlussapplaus

Auch sein Recital mit seinen acht großen Arien – wo kann man so etwas schonmal hören, nicht mal im Musikverein in Wien oder der Carnegie-Hall in New York – wurde ebenfalls durch einige gute Instrumentalnummern aufgelockert. So spielte der Cellist Sebastian Bru ein Stück aus der Oper „Jocelyn“ von Benjamin Godard und Variationen über ein Rokoko-Thema von P. I. Tschaikowski. Dalibor Kalvay glänzte wieder an der Violine mit der „Carmen Fantasie“ für Violine und Orchester von Franz Waxmann.

Camilla Nylund und Piotr Beczala wollen wieder an den Lech kommen – dem Festival wäre es zu wünschen, und es hätte es auch verdient, ebenso wie sein Publikum!

Fotos: Klaus Billand

Klaus Billand

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