BARI: GÖTTERDÄMMERUNG – Neuinszenierung am 25. Oktober 2011

Teatro Petruzzelli Bari

Teatro Petruzzelli Bari

Es lohnt sich für den auf der Suche nach Wagner-Neuinszenierungen befindlichen Liebhaber der Musik des Bayreuther Meisters gelegentlich auch in die südlichen Gefilde Italiens zu reisen. Hier gibt es nicht nur das wunderschöne und traditionsreiche Teatro di San Carlo in Neapel, welches schon durch seine Pracht jede Inszenierung adelt. In Bari, einer Hafenstadt weiter südlich, wurde das ebenfalls traditionsreiche Teatro Petruzzelli nach einem verheerenden Theaterbrand 1991 in altem Glanz wieder aufgebaut. Es gehört der einflussreichen Fondazione Lirico Sinfonica Petruzzelli e Teatri di Bari, die 2003 ins Leben gerufen wurde und das Theater zu Opern-, Ballett- und Konzertaufführungen bereitstellt. Vor einigen Jahren hatte der Intendant die Idee, in Bari den gesamten „Ring des Nibelungen“ in Szene zu setzen. Da war das Theater noch im Wiederaufbau. Also spielte man „Das Rheingold“ konzertant, „Die Walküre“ noch in einem Ausweichquartier, und den „Siegfried“ 2010 erstmals im neuen Teatro Petruzzelli.

Prolog - Die Nornen

Prolog - Die Nornen

Hier fand nun auch die „Götterdämmerung“ statt, in der Regie von Walter Pagliaro, der damit nach Triest bereits seine zweite „Ring“-Interpretation vorlegte. Es wurde wie damals eine weitgehend gelungene Produktion. Sie bewegt sich eng an der Werkaussage, sieht von regietheatralischen Verfremdungserscheinungen ab, ist aber durch die gute Personenregie, welche die menschlichen Schicksale der Protagonisten in den Vordergrund rückt, stets spannend. Dabei prunkt sie mit farblich eindringlichen, opulenten Bildern, wenngleich die Farbenfreude manchmal etwas überhand nimmt.

Die dramaturgisch zielsicher eingesetzte, facettenreichen Lichtregie von Luigi Saccomandi spielt in der optischen Gesamtwirkung eine wesentliche Rolle. Mit den meist beweglichen und modern stilisierten Bühnenbildern sowie den dazu passenden, geschmackvoll geschnittenen Kostümen von Luigi Perego wird bei aller Gegenwärtigkeit der Handlungsstränge auch Mythisches angesprochen.

Vorspiel - Brünnhilde

Vorspiel - Brünnhilde

So finden die Nornen unter einer großen, hohlen Stele zueinander, in der langsam roter Sand herunterrieselt – das Ende ist nahe. Zuvor wird das Publikum auf die Relevanz des Kommenden aufmerksam gemacht und geschickt einbezogen, indem aus dem Dunkel einige Männer in modernem grauem Outfit langsam auf den Orchestergraben zuschreiten und fast unbemerkt wieder im Dunkel verschwinden. Sie werden am Schluss wieder zusehen sein, womit sich der Kreis dieser „Götterdämmerung“, die oft wie Theater im Theater wirkt, geschlossen haben wird. Auch die Nornen sprechen das Publikum direkt an. Die Erste, Deborah Humble, geht auf einem Seitensteg weit in den Zuschauerraum hinein und verkündet ihre Botschaft mit einem warm timbrierten Mezzo nachdrücklich.

Jessie Raven gibt eine hochkarätige Zweite Norn, während Marta Calcaterra als Dritte mit einer kleineren Stimme etwas abfällt. Alle singen mit bester Wortdeutlichkeit. An der Stele spinnen sie ihr Seil, das sich wie der sprichwörtliche rote Faden durch das gesamte Stück zieht, wie schon in Pagliaros erster „Götterdämmerung“ in Triest.

Brudereid  1. Aufzug

Brudereid 1. Aufzug

Mythisch eschatologisch wirken auch die Reste der Mauern des abgebrannten Teatro Petruzzelli, die den Rahmen für Siegfrieds und Brünnhildes Gemach im Vorspiel bilden, ein passender Verweis auf die Geschichte dieses Theaters. Später wird Siegfried seine Braut als Gunther aus dem 2. Rang erobern, mit dem Nornenseil voraus. Ian Storey wacht etwas gelangweilt barbrüstig als Siegfried auf, nicht gerade ein Astralkörper. Aber noch mehr enttäuscht wieder einmal seine stimmliche Leistung. Storeys bisweilen heldischer Tenor klingt verquollen, als sei er indisponiert. Zwar singt er im 3. Aufzug das berüchtigte hohe „C“ auf „Hoihe“. Die Stimme verfestigt sich aber immer mehr und ist in den Waldvogelerzählungen kaum noch modulationsfähig. In der Mittellage klingt das Timbre oft unschön.

Nach den Erfahrungen mit seinem „Götterdämmerung“-Siegfried im Juni in San Francisco scheint ihm zumindest diese Wagner-Partie nicht zu liegen, wohl auch andere nicht. Er wirkt auch darstellerisch zu uninspiriert und uncharismatisch. Ganz anders da seine Partnerin Nina Warren als Brünnhilde. Die ihr vom Regisseur im Vorspiel zugedachten Zärtlichkeiten stellt sie glaubhaft und die gesamte Partie mit viel Empathie dar. Ihr heller Sopran meistert bis auf leichte Schärfen bei einigen Höhen alle dramatischen Momente. In der Mittellage kann Warren gut phrasieren und Stimmungen ausdrücken. Sie ist die große Persönlichkeit des Abends und schließt eine bemerkenswerte Leistung mit einem ergreifenden Schlussgesang ab.

2. Aufzug

2. Aufzug

Pagliaro setzt das Gibichungenpaar grell von Siegfried und Brünnhilde in einem nüchternen, seelenlosen, und – in Abgrenzung zur Ruine des Theaters – auch geschichtslosen Ambiente ab. Selbstgefällig und narzistisch verplempern Gunther und Gutrune ein irrelevantes Leben zwischen Drinks und Tatenlosigkeit, zu allem Überfluss auch noch von einem Kameramann aufgenommen. Dieser ist ebenso entbehrlich wie das allzu handwerkliche Plastikpferd Grane, das Brünnhilde zuvor noch kurz aus dem Bühnenvorhang zauberte. Thomas Gazheli singt den Gunther zwar kräftig, aber mit zu starker Betonung auf Lautstärke, wobei die Phrasierung zu kurz kommt.

Maria Grazia Pani lässt sich als Gutrune ansagen, macht ihre Sache aber bis zum Schluss auch stimmlich recht gut. Jessie Raven hat einen ganz starken Auftritt als Waltraute mit Bronze-Kampfhelm. Mit ihrem farbigen Mezzo singt sie den Hauptteil ihrer Erzählung seitlich im Publikum. Ihr „ … erlöst wär’ Gott und Welt“, wobei sie Brünnhildes Hand hält, ist tief bewegend. Bei intensiver Darstellung verfügt sie ebenso über gute Attacke wie feine Piani. Kein Wunder, dass Brünnhilde tief betroffen zurück bleibt…

Ein mythisches Kuriosum ist Alberich im 2. Aufzug, der mit einer etwa sechs Meter langen Haarschleppe und übergroßen Händen nur noch am Boden kriechen kann – ein durchaus einfallsreicher Kontrapunkt zu der profanen Machtgier der „Heutigen“. Johmi Steinberg ist ein expressiver Nibelungenfürst mit guter Höhe, Diktion und überzeugender Mimik.

Rheintöchter 3. Aufzug

Rheintöchter 3. Aufzug

Die Mannen werden auf zwei beweglichen Treppenpodesten von Daniela Schiavone wirkungsvoll choreographiert. In der Einstudierung von Franco Sebastiani singen sie stimmstark, wenn auch nicht allzu facettenreich. Die Speereide lassen dramaturgisch etwas von ihrer sonstigen Dramatik vermissen. Bjarni Thor Kristinsson ist auch nicht der Hagen, der den 2. Aufzug gestalten könnte. Eher ein Hagen light, ist sein Bass – bei einem in der Höhe bisweilen nasal klingenden Timbre – zu hell und nicht voluminös genug, um die gewünschte Autorität zu entfalten.

Die Szene am Rhein im 3. Aufzug wird von einem Weihstein dominiert, wobei es unter den Mannen bis zu Siegfrieds Tod recht rustikal zugeht. Die Rheintöchter Valentina Farcas (Woglinde), Sara Allegretta (Wellgunde) und Hannah Esther Minutillo (Flosshilde) singen bestens und agieren anmutig in ihren wogenden blauen Tuchbergen, mit dem der Bühnenbildner zwar unkompliziert, aber mit einer gewissen Poesie überzeugend die Rheinwellen symbolisiert, auch schon zu „Siegfrieds Rheinfahrt“. Sie beherrschen auch das Finale, bei dem Wotan mit seinen Speerstücken kopfunter vom Bühnenboden herabkommt und die Männer des Beginns in der Ruhe des verklingenden Mutterliebemotivs Sieglindes aus der „Walküre“, diesmal in hellem Licht, dem Licht der Hoffnung, wieder langsam auf das Publikum zugehen – ein intensives Finale einer optisch und dramaturgisch bemerkenswerten Produktion.

Brünnhildes Schlussgesang 3. Aufzug

Brünnhildes Schlussgesang 3. Aufzug

An ihrem Erfolg hatte aber der in Italien im Wagnerfach vielbeschäftigte und versierte Stefan Anton Reck mit dem Orchester der Fondazione Petruzzelli elementaren Anteil. Schon die wunderbar weichen Auftaktakkorde in den Holzbläsern ließen einen guten musikalischen Abend erwarten. Im Prolog wählte Reck getragene Tempi, die zum schicksalhaften Rückblick der Nornen passten.

Umso intensiver erklang dann die von feinem Piano zu einer dynamisch mitreißend aufgebauten Steigerung zum Vorspiel. „Siegfrieds Rheinfahrt“ war musika-lisch sehr geschlossen, wobei die Bläser ihre gute Qualität unter Beweis stellten.

Wotan Finale 3. Aufzug

Wotan Finale 3. Aufzug

Siegfrieds Hornrufe gelangen gut. Aber auch das Streicherensemble ließ kaum Wünsche offen. Immer wieder setzte Reck dynamische Akzente und hielt so die Spannung den ganzen

Abend aufrecht, beispielsweise bei Siegfrieds Auftritt in der Schlussszene des 1. Aufzugs, bei den Speereiden und natürlich im Finale. Leider sprangen die nicht nur vom Orchester ausgehenden Funken während des Abends nicht auf das Publikum über. Erst am Ende gab es größeren Beifall, wobei sich Stefan Anton Reck und Nina Waren zu Recht über den stärksten freuen konnten.

Szenenfotos: Carlo Cofano
Theater Petruzzelli: Klaus Billand

Klaus Billand

Der Ring des Nibelungen

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