Budapest/Palast der Künste - Müpa: Das Rheingold und Die Walküre - „A Nibelung gyürüje“ - 15.-16. Juni 2023

Eine erstklassige und gereifte halb-szenische Inszenierung!

Der MÜPA

Der MÜPA

Während der alljährlichen Budapest Wagner-Tage am Palast der Künste – Müpa, die der künstlerische Direktor und Dirigent Ádám Fischer einst nach seinem Bayreuth-Engagement zu einer Alternative zu Wagner an der Budapester Staatsoper im damals neu entstandenen Müpa ins Leben rief, fand im Juni wieder der halb-szenische „Ring des Nibelungen“ in der Regie von Hartmut Schörghofer statt. Es ist die bereits dritte Auflage, aber der Regisseur sieht den „Ring“ als „Work in progress“, womit er fraglos Recht hat. Er hat seine Arbeit weiter verfeinert, auch mit neueren technischen Mitteln, was die Visualität unter Einsatz der zwölfflächigen beweglichen Plastikscheiben hinter der Szene betrifft. Auf ihnen laufen stets zur Szenenaussage passende und diese somit noch akzentuierende Videos des Szupermodern Filmstúdió Budapest ab. Ihre Wirkung wird durch die exzellente Lichtregie von Máté Vajda noch verstärkt. Als ein Beispiel möge die Erscheinung der Erda im 4. Bild des „Rheingold“ stehen. Ihr Gesicht wird wie aus weiter Ferne in einem ständig sich vorwärts bewegenden Wirbel um sie herum gezeigt, in dem schemenhaft die drei Nornen treiben – eine sowohl technisch beeindruckende wie phantasievolle Lösung – ebenso wie die intensiven Feuerdarstellungen in der „Walküre“ die – ach – ja so gut zur gleichzeitig erklingenden Musik passen…

Günther Groissböck als Wotan

Günther Groissböck als Wotan

Davor spielt sich eine Handlung ab, die es in ihrer Intensität und Personenregie mit jeder szenischen Aufführung aufnehmen kann und diesen halb-szenischen „Ring“ wohl zum derzeit besten weltweit macht. Durch den Wegfall jeglicher überfrachteter Interpretationsbemühungen und -verrenkungen vermeintlich avantgardistischer bzw. „moderner“ Wagnerregisseure konzentriert man sich auf das Wesentliche der Tetralogie, setzt auch ganz bewusst wichtige Requisiten ein, wie Speer, Schwert und den Ring selbst, von denen diese „Ring“-Regisseure meist so gern absehen. Und siehe da: es passt alles bestens zusammen, das große Werk des Bayreuther Meisters eröffnet sich dem jeden Abend ausverkauften Haus mit stets begeisterter Reaktion am Ende in ganz natürlicher und unmittelbar nachvollziehbarer Form. Die Kostüme von Corinna Crome, bei den Protagonisten weitestgehend schwarze Abendrobe und Frack, stehen der unmittelbaren Überzeugungskraft der Handlung kaum im Wege.

Rheingold alle

Rheingold alle

Den Löwenanteil am Erfolg hat aber Ádám Fischer mit dem wahrlich festspielreif aufspielenden Hungarian Radio Symphony Orchestra, das seiner langjährige Wagner-Erfahrung unter seinem Baton lustvoll Raum gibt. Herrlich die Bläser, aber auch ein kraftvoller transparenter Streichersatz mit guten Soli. Der Klang im akustisch hervorragenden Béla Bartók-Saal des Müpa scheint manchmal wie im Raum zu schweben, so im „Rheingold“-Vorspiel, als die Hörner einsetzen. Fischer bekommt jedes Mal frenetischen Auftrittsapplaus! Musikalisch steht dieser „Ring“ Bayreuth in nichts nach, wenn man von dem Bayreuth-spezifischen mystischen Mischklang auf Mono abstrahiert. Im Müpa kommt dafür alles in gutem Stereo!

Die Rheintöchter

Die Rheintöchter

Aber auch das Sängerensemble hat weitestgehend Weltklasse-Niveau. Günther Groissböck debutiert mit dem „Rheingold“ – Wotan, wobei in erster Linie sein kraft- und klangvoller Bass zu hören ist. Aris Argiris, der erste griechische Wotan, zudem mit seinem Müpa-Debut, mit einem perfekten Deutsch und entsprechender Diktion sowie einem bestens geführten prägnanten Bass-Bariton mit prononcierten Höhen singt den „Walküre“-Wotan. Er hinterlässt einen hervorragenden Eindruck, vokal wie darstellerisch, nicht zuletzt mit einem sehr guten Wotan-Monolog und ebenso emotionalen Abschied.

Walküre-Applaus

Walküre-Applaus

Christian Franz bringt noch einmal Klänge aus seiner großen Zeit als Loge zu Gehör, mit einem abgedunkelten Timbre und bisweilen etwas zu viel Deklamation, die aber zur rollenspezifischen Intensität passt. Péter Kálmán verkörpert einen erstklassigen Alberich mit enormer Ausdrucks- und Stimmkraft. Er kann mit dieser Leistung an jedem großen Haus der Welt singen. Stuart Skelton singt seinen bewährt guten Siegmund bei körperlich etwas eingeschränktem Spielvermögen. Seine Wälsungen-Erzählung und die Wälse-Rufe waren Höhepunkte der „Walküre“. Und Simone Schneider glänzt wieder als Sieglinde mit ihrem betörenden Timbre, perfekter Intonation und Diktion sowie einer emphatischen Gestaltung. Albert Dohmen ist ein weiterhin Respekt gebietender Hunding, sowohl darstellerisch mit seinem beiden Wölfen wie auch wie stimmlich.

Aris Argiris und Iréne Theorin

Aris Argiris und Iréne Theorin

Iréne Theorin agiert hier glücklicher als letztes Jahr in Bayreuth als „Walküre“-Brünnhilde mit zeitweise schön leuchtenden Tönen, wenn auch einigen grellen Spitzen, bei emphatischem Spiel. Die Todesverkündigung gelingt ihr eindrucksvoll. Erika Gál ist wieder die bewährte Budapester Erda, ebenso wie Atala Schöck die Fricka. Jürgen Sacher ist ein guter, aber vielleicht etwas zu schön singender Mime, dafür aber sicher eine Option für weitere interessante Rollen. In weiteren Rollen überzeugen Lilla Horti als Freia, Zsolt Haja als Donner, Gábor Bretz als gesanglich eindrucksvoller Fasolt, Lukasz Konieczny mit kleinen vokalen Abstrichen als Fafner, Dániel Pataky als guter Froh, Eszter Zemlényi als Waldvogel und die erstklassigen Rheintöchter Orsolya Sáfár als Wellgunde, Gabriella Fodor als Woglinde und Zsófia Kálnay als Flosshilde. Auch das Walküren-Oktett war auf Festspielniveau.

Schlussapplaus mit Ádám Fischer

Schlussapplaus mit Ádám Fischer

Eine von Gábor Vida interessant choreografierte Tanzgruppe von etwa zehn Akteuren nimmt vielfältige, die Handlung weiter interpretierende Aufgaben wahr, wie die Hunde und die beiden Wehr-Wölfe von Hunding, oder die Pferde – als Köpfe – im Walküren-Ritt, sowie Grane als junge Tänzerin. Dazu tritt immer wieder der knallrote Loge auf, der dann das stets äußerst intensive Feuer entfacht. Auf der transparenten Projektionswand werden meist Landschaften bzw. Natur gezeigt, mal der bereits allzu trübe Rhein mit den darin schwimmenden Rheintöchtern, mal unwirtlich vereiste Gebirgs-Landschaften wie bei der Flucht Siegmunds und Sieglindes, oder ein hochherrschaftliches, in der Sonne strahlendes Felsengebirge, wenn es zu den Göttern geht.

Meine Wagner-Plakate-Ausstellung im Müpa

Meine Wagner-Plakate-Ausstellung im Müpa

Freilich verändert sich nach Wotans Eid an Fricka diese herrschaftliche Landschaft in eine vom Krieg völlig ruinierte Stadt-Silhouette. Auf diese Weise, aber auch mit der Ästhetik und den Aktionen der Tänzer wird erfreulicherweise eine Verbindung der Produktion zum Wagnerschen Mythos hergestellt, der selbst in dieser „nur“ halbszenischen Production nie zu kurz kommt. Ein weiter Wurf im Müpa!

Fotos: Klaus Billand

Klaus Billand

Der Ring des Nibelungen

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