Leipzig: Der Ring an einem Abend - Stream - 17. April 2021
Orchestral gut, stimmlich teilweise enttäuschend
Die Rheintöchter mit Alberich - "Das Rheingold"
Eigentlich hatte man an der Oper Leipzig, wo im kommenden Jahr im Juni/Juli bei „Wagner 22“ alle 13 Wagner-Werke anstehen, in diesen Tagen zwei komplette „Ring“-Zyklen von Richard Wagner aufführen wollen. Dies ging leider wegen der anhalten Corona-Krise und der mit ihr verbundenen – meines Erachtens, was die Theater und Opernhäuser angeht, übertriebenen – behördlichen Auflagen nicht möglich. So entschied sich Intendant und Generalmusikdirektor Ulf Schirmer dazu, den berühmten „Ring an einem Abend“ des noch viel berühmteren, ja legendären deutschen Humoristen und Wagner-Liebhabers Vicco von Bülow, alias „Loriot“, zu geben. In einem erklärenden Vorwort zu dieser durchaus reizvollen Alternative im stream hob Ulf Schirmer den „unnachahmlichen Humor“ Loriots bei seiner speziellen Sicht auf den „Ring“ hervor.
Sprecher Axel Bulthaupt
Gerade damit haperte es aber gleich von Beginn an. Um diesen Humor wirklich herüberzubringen, hätte es eines auf diesem Gebiete profilierten Schauspielers in der Rolle des Erzählers bedurft. Axel Bulthaupt, sicher ein hochqualifizierter Moderator in TV und Radio sowie Reiseberichterstatter, war trotz allen Bemühens nicht in der Lage, den Feinheiten in Loriots Texten, in denen sich gerade der Schalk und der sprichwörtlich Loriotsche und meist subtile Humor verbirgt, auch nur annähernd Leben einzuhauchen. Es war ein langweiliger Vortrag, der die einzelnen Szenen miteinander zu verbinden suchte.
Wotan mit dem Ring - "Das Rheingold"
Ganz anders sah es da mit der Leistung des Leipziger Gewandhausorchsters unter der Stabführung von Ulf Schirmer aus. Es offenbarte sich die ganze große Erfahrung dieses Ensembles mit der Musik des Bayreuther Meisters und der stets richtigen Akzentsetzung ihres langjährigen GMD. Schon das „Rheingold“-Vorspiel erklang dynamisch dräuend und dennoch filigran in der Herausarbeitung der Flöten auf dem dichten Streicherteppich. Das Vorspiel zur „Walküre“ geriet dramatisch packend, und Wotans Abschienb ließ viel an musikalischer Emotion erklingen. Im „Siegfried“ kam die ganze Dramatik bei Brünnhildes Stimmungsumschwung zugunsten des Titelhelden zur Wirkung, während in der „Götterdämmerung“ die Steigerung vom Prolog zum Vorspiel nichts an musikalischer Dynamik vermissen ließ. Der Trauermarsch war einer der stärksten Momente des immerhin dreistündigen Abends, inklusive einiger kurzer Sänger-Statements in einer Pause.
Siegmund und Sieglinde - "Die Walküre"
Natürlich ließ sich Schirmer nicht nehmen, das Finale der „Götterdämmerung“ von den letzten Takten der Brünnhilde durchzuspielen und damit einen starken Schlusspunkt zu setzen. Nach Ende des „Götterdämmerung“-Motivs und dem folgenden Mutterliebe-Motiv der Sieglinde machte er fast eine Generalpause. Das ist ja unter „Ring“-Maestros umstritten, die wie Daniel Barenboim und Franz Welser-Möst diese Stelle im forte durchspielen. Es scheint sich mittlerweile ein Konsens zu einem „Absetzen“ gebildet zu haben – ein interessantes Beispiel für die Interpretierbarkeit von Partituren. Phantastisch wäre es, wenn sich herausfinden ließe, wie Wagner selbst diese Stelle dirigierte… Allerdings muss man sagen, dass die technische Aufnahme-Qualität etwas besser hätte sein können.
Brünnhilde und Siegmund - "Die Walküre"
Man traf in diesem „Ring“ in Kurzfassung eine Reihe der bekannten und bekannt guten Wagner-Sänger wieder auf der Leipziger Bühne, auch wenn es ja immer nur kurze Nummern waren. Elisabet Strid bestach einmal mehr mit einer beherzt und vokal farbenreich gesungenen Sieglinde. Thomas Mohr war eine Luxusbestzung des Loge und Olga Jelinková eine klangvolle Woglinde mit perfektem Stimmsitz. Iain Paterson, weltweit bekannt als guter Wotan und Sachs, war auch hier wieder ein persönlichkeits- und stimmstarker Wotan in der „Walküre“ und als Wanderer. Lise Lindstrom sang die „Walküre“-Brünnhilde zwar gut, aber ihre Stimme lässt an Farbe vermissen und wirkt bisweilen etwas flach. Daniela Köhler konnte hingegen als „Siegfried“-Brünnhilde überzeugen, die ihr wegen der höheren Lage recht gut liegt. Iréne Theorin war einmal mehr die bewährte Brünnhilde in der „Götterdämmerung“. Nun muss man allerdings dazusagen, dass alle Protagonisten nur kleine Teile ihrer jeweiligen Rollen sangen. Dan Karlström war ein guter Mime, und auch die „kleinen“ Walküren Ines Lex, Magdalena Hinterdobler, die auch die Gutrune sang, Sylvia Rena Ziegler, Jessey-Joy Spronk, Marta Herman und Christian Döcker sangen ansprechend. Weniger vokale Intensität war bei Sandra Maxheimer als Wellgunde, die auch die Siegrune sang, Sandra Jahnke, die auch die Schwertleite gab und Karin Lovelius als Fricka zu hören. Michael Weinius sang den jungen Siegfried, und man glaubte, ihn an der Grenze seiner stimmlichen Möglichkeiten zu hören. Jonathan Stoughton als Siegfried der „Götterdämmerung“ konnte tenoral und vom vokalen Aplomb her beeindrucken.
Siegfried - "Siegfried"
Leider war ich diesmal von Tuomas Pursio als „Rheingold“-Wotan enttäuscht, der es an stimmlicher Substanz für die Rolle missen ließ. Vielleicht war es eine Frage der Tagesform, denn ich hörte ihn 2018 in Leipzig und 2019 in Helsinki viel besser. Nahezu als Fehlbesetzung ist aber Kay Stiefermann als Alberich einzuordnen, der dieser doch weit schwierigeren Rolle als der Donner, den er 2018 in Leipzig gut sang, nicht gewachsen schien. Das gleiche ist von Magnus Vigilius als Siegmund zu sagen, der nicht die erforderliche tenorale Substanz für diese auch für ihn zu schwere Rolle hören ließ. Schon 2019 konnte mich der junge Sebastian Pilgrim als König Marke nicht überzeugen. Das wiederholte sich nun beim Hagen. Die Stimme klingt stark abgedeckt und fast verquollen. Für den Hagen lässt sie jede Gefährlichkeit vermissen. Vielleicht kommen diese Rollen für den Sänger zu früh. Es wäre wünschenswert, wenn sich die Oper Leipzig für „Wagner 22“ im kommenden Jahr auf diesen Rollen noch verbessern könnte.
Fotos: Oper Leipzig/Tom Schulze
Klaus Billand