Oldenburg/Staatstheater: Siegfried - 14. September 2022

Ungewöhnliche menschliche Intensität

RING in Oldenburg

RING in Oldenburg

Der bereits im Jahre 2017 begonnene und wegen der Pandemie mehrfach aufgehaltene neue „Ring des Nibelungen“ am Oldenburgischen Staatstheater wird in diesen Tagen dreimal zyklisch aufgeführt. Die zweite Runde ist bei „Siegfried“ angelangt, der gestern Abend vor völlig ausverkauftem Haus – wie schon „Das Rheingold“ am 9. und „Die Walküre“ am 11. September – mit großer Begeisterung des oldenburgischen Publikums und auch weit angereister Gäste eine überaus lebhafte, völlig stimmige und dennoch phantasievolle Interpretation erlebte.

Siegfried schmiedet hier noch sein Schwert...

Siegfried schmiedet hier noch sein Schwert...

Der österreichische Regisseur Paul Esterházy, mit dem Intendanten Christian Firmbach schon länger von gemeinsamer Arbeit an einem anderen Hause bekannt, wählte mit seinem kongenialen Bühnen- und Kostümbildner Mathis Neidhardt ein rustikal-bäuerliches Ambiente in einem immer wieder rotierenden Bühnenbild aus Scheunenholz. Das erwies sich als eine für ein kleines Haus nahezu ideale Lösung, Wagners „Ring“ in einer menschlich intensiven und emotional fokussierten Ästhetik zu erzählen. Dabei ergab sich der Eindruck einer gewissen Familien-Saga ganz beiläufig, wie sie nun in Bayreuth von Valentin Schwarz so bemüht und lautstark postuliert und dann doch so verfehlt wurde. Dieser „Ring“ spielt vollkommen den immer verrückter werdenden regietheatralischen Bemühungen unserer Wagner-Tage entgegengesetzt ganz bodenständig irgendwo in einem kleinen Dorf in den Bergen, in denen Richard Wagner so gern wanderte. Man denke nur an seine legendären Ausflüge auf das Schweizer Faulhorn.

Siegfried schlägt den Wanderer

Siegfried schlägt den Wanderer

Indem das Stück derart konsequent auf eine Mikro-Ebene heruntergebrochen wird, zeigt sich die enorme Potenz und Suggestivkraft der Wagnerschen Werkaussage und der ihr entsprechenden Partitur mit einer dazu bestens passenden Personenregie umso intensiver. Und diese Musik weiß der oldenburgische GMD Hendrik Vestmann mit dem Oldenburgischen Staatsorchester ebenso intensiv und packend umzusetzen. Man meint bisweilen, auch aufgrund der guten Akustik im relativ keinen Haus, mitten im musikalischen Geschehen zu sitzen.

Siegfried erweckt Brünnhilde

Siegfried erweckt Brünnhilde

Zoltán Nyari, der schon als kämpferischer Siegmund mit beeindruckender tenoraler Potenz aufwartete, war nun ein ebenso agiler und stimmstarker Siegfried, dessen großartiges vokales Potenzial nur noch eines gewissen Feinschliffs bedarf. Dann wird er ganz weit kommen. Die in dieser Rolle schon weithin bekannte Nancy Weißbach (auch in Klagenfurt in der „Walküre“) gab eine emphatische und stimmschöne Brünnhilde. Sie gestaltete das Finale mit Nyári sehr musikalisch und ergreifend. Die Koreaner Kihun Yoon als Wanderer und Leonardo Lee als Alberich, die im „Rheingold“ die Rollen getauscht hatten, schienen sich gegenseitig überbieten zu wollen, wer der Sänger mit der größten Stimmkraft ist. Beide haben mit einer perfekten Diktion und Phrasierung, und vor allem Yoon mit einem immer wieder bestechenden Legato internationales Format.

Schlussapplaus

Schlussapplaus

Edna Prochnik gab eine geheimnisvolle, tiefgründige und urmütterhafte souveräne Erda mit einen klangvollen tiefen Mezzo, die gleichwohl immer noch erotische Anziehung ausübt. Der Wanderer konnte verständlicherweise kaum von ihr lassen. Die Nornen in Weiß woben unterdessen weiter am Schicksalsfaden… KS Matthias Wohlbrecht sang und spielte einen persönlichkeitsstarken Alberich, immer wieder mit kraftvollen Höhen und emotionalen Ausbrüchen seines Charaktertenors begeisternd. Er wurde geschickt von Peter Brownbill gedoubelt, um ihm etwas die Last, auf Knien gehen zu müssen, abzunehmen. So waren also beide tatsächlich Zwerge.

Das Orchester

Das Orchester

Andreas Hörl war ein in der Tat riesiger Riese Fafner, auf Stelzen gehend, was Erinnerungen an die Riesen in Patrice Chéreaus „Rheingold“ von Bayreuth 1976 aufkommen ließ. Hörls Bass ist noch tiefer und klangvoller geworden als ich mich von seinem Hagen vor Jahren in Meinigen erinnern kann. Martha Eason zwitscherte einen hellen Waldvogel mit dem ebenso an Chéreau erinnernden Vogel im Käfig, den Sieglinde einst mit Siegmund aus Hundings Hütte rettete. Auch im Vogelbauer sitzt ein Pärchen!
(Detaillierte Rezension nach der „Götterdämmerung“ am 1.10.).

Fotos: Stefan Walzl 2-4; K. Billand 1, 5-6

Klaus Billand

Der Ring des Nibelungen

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