BUENOS AIRES: ColónRing - NI 30. November 2012
Große Sängerpersönlichkeiten gefragt
Blick auf die Bühne des Colón
Die 1. Reprise des diese Woche im Teatro Colón in der argentinischen Metropole Buenos Aires aus der Taufe gehobenen ColónRing in der Kurzfassung von Cord Garben war in erster Linie ein Triumph für den Wiener Dirigenten Roberto Paternostro und das Orchesta Estable des Teatro Colón mit Verstärkung durch das ebenfalls im Colón residierende Philharmonische Orchester von Buenos Aires, aber auch für Linda Watson als Brünnhilde und Marion Ammann als Sieglinde. Die argentinische Regisseurin Valentina Carrasco, die nach der Premiere drei Tage zuvor für ihren nicht von allen goutierten Regieeinfall, das illegale Verschwinden von Säuglingen und Kleinkindern während der Militärdiktatur von 1976-83 zu thematisieren, einige starke, bei weitem aber nicht überwiegende Buhrufe bekommen hatte, kam nicht mehr vor den Vorhang.
Glasrosette über dem Eingang
Es stellte sich insbesondere mit Linda Watson heraus, dass große Persönlichkeiten auf der Bühne gerade bei dieser vor allem für Kenner des Werkes doch immer wieder mit überraschenden Strichen aufwartenden Kurzfassung eine ganz wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Aufführung sind. Watsons Charisma und die Souveränität, mit der sie auf der Bühne agierte, gepaart mit einem viel Emotion vermittelnden, wenn auch in der Höhe nicht immer ganz voll klingenden Sopran, stellte die notwendige Spannung und dramatische Intensität her, die über einige kaum nachvollziehbare Striche hinweg halfen.
Großes Pausenfoyer
Leider standen ihr dabei in Jukka Rasilainen als Wotan und – völlig marginalisiertem – Wanderer sowie Leonid Zakhozhaev als Siegfried keine ebenbürtigen Partner gegenüber. Rasilainen spielte einfach zu steif und ausdruckslos und konnte seinen durchaus prägnanten Bassbariton nur wenig modulieren und phrasieren, während Zakhozhaev dem Siegfried zu wenig Persönlichkeit gab und immer wieder mit den stimmlichen Anforderungen der Partie zu kämpfen hatte. Ein vokal intensiverer Hagen als Daniel Sumegi mit seinem recht kehligen Timbre hätte auch der „Götterdämmerung“ gut getan.
Broncebüste Richard Wagners im Hauptfoyer
Dies ist als ein Ergebnis der EA des ColónRing in Buenos Aires festzuhalten: Er braucht erfahrene und absolut souveräne Sängerdarsteller, die das Publikum so mitreißen, dass trotz der Striche anhaltende Spannung und der große Zusammenhang entstehen. Dazu hätte auch gehört, dem Wälsungenpaar Marion Ammann und Stig Andersen mehr von ihrer leidenschaftlichen Szene im 1. Aufzug der „Walküre“ und dem Monolog der Schwertgewinnung zu lassen. Kaum verkraftbar war für den Rezensenten das Wegfallen der Erda in „Rheingold“ und „Walküre“, das Waldweben und damit Siegfrieds Gedanken über seine Herkunft im 2. Aufzug „Siegfried“, das Vorspiel zum 3. Aufzug zumindest mit Teilen der Szene Wanderer-Erda, und auch Donners Gewitterzauber mit Regenbogenmusik im „Rheingold“. In der „Götterdämmerung“ sollten zumindest der wichtigere Teil der Szene Waltraute-Brünnhilde und die Speereide aufgenommen werden. Für mehr zu diesem Thema sei auf den Bericht der Premiere weiter unten verwiesen.
Bühnenportal
Das Orchester harmonierte an diesem 2. Tag schon viel besser, offenbar auch weil eine gewisse Nervosität der Premiere gewichen war. Es wurde unter dem ruhigen Schlag Paternostros, der die SängerInnen mit Textandeutungen (es fehlte der Souffleur in der Mitte) einfühlsam und mit klaren Einsätzen durch die nahezu neun Stunden „Ring“ von 14:30 Uhr bis 23:15 Uhr führte, ein guter Wagner-Sound erzielt. Da war auch viel Herz im Spiel. Das merkte man, und das wurde vom Publikum honoriert, welches in Buenos Aires vor vielen Jahren schon ganz großen Wagner gehört hatte – man denke nur an eine bis heute weltweit wohl unerreichte Serie von sechs Zyklen mit Weltklasse-SängerInnen im Jahre 1967… Das Colón war bei dieser einzigen Reprise des ColónRing mit etwa 80 Prozent wieder nicht ganz ausverkauft, was wohl in den oberen Rängen an der Unerschwinglichkeit der Karten für das dort normalerweise sitzende und stehende Publikum lag.
Schlussapplaus Paternostro, Watson et al.
Ganz sicher kann man sagen, dass der ColónRing beim Bonarenser Publikum, nicht so ganz bei der lokalen Presse, die mit teilweise wunderlich bizarren „Einsichten“ und Kommentaren „glänzte“, gut angekommen ist und Richard Wagner mit seiner großartigen Musik, die in den meisten und symphonisch relevanten Teilen zu hören war, einmal mehr für Begeisterung sorgte. Darin liegt die Chance des ColónRing für ein neues und vielleicht in Teilen auch jüngeres Publikum, denn die Kenner und Liebhaber des „Ring“ werden sich kaum umstimmen lassen. Erst dieser Tage stand im Online-Merker, dass die Wiederaufnahme des Frankfurter „Ring“ von Vera Nemirova bereits ausverkauft ist….
Fotos: Klaus Billand
Klaus Billand