PARIS/Opéra de la Bastille: Götterdämmerung - WA 30. Mai 2013

Petra Lang

Petra Lang

Fast genau auf den Tag vor zwei Jahren hatte der Rezensent die Gelegenheit, die Premiere dieser „Götterdämmerung“ in der Inszenierung von Günter Krämer zum ersten Mal zu erleben und war angesichts des beim „Rheingold“ noch recht interessant beginnenden Regiekonzepts von der Weiterentwicklung der Produktion arg enttäuscht. Von der ursprünglichen Idee, im Verhalten der Götter Wagners die Großmacht-Versessenheit der Deutschen zu demonstrieren, war nach einer dramaturgisch und optisch enttäuschenden „Walküre“ schon im „Siegfried“ fast nichts mehr zu bemerken. Bis auf die Wanderer-Erda Szene mutierte dieser zu einer Slapstick-Parodie. Die „Götterdämmerung“ in den sparsam-simplen und teilweise gar banalen Bühnenbildern von Jürgen Bäckmann, die auch durch das fast endlose Rotieren auf der Drehbühne – nur selten atmosphärisch beleuchtet von Diego Leetz – kaum an Wirkung gewannen, wurde dann zur Enttäuschung und Langeweile total. Dazu trug auch die Kostüm-Ästhetik von Falk Bauer bei, der wohl sehr viel von regenabweisenden Trenchcoats und Smokings hält, unabhängig vom Anlass, selbst wenn es auf die Jagd geht…

Petra Lang und Sophie Koch 1. Aufzug

Petra Lang und Sophie Koch 1. Aufzug

Günter Krämer schien in der „Götterdämmerung“ jede Fantasie, ja wohl auch der Glaube an sein eigenes Konzept verlassen zu haben. Er verlegte sich hier größtenteils nur noch auf Gags und vordergründige, dramaturgisch wenig zielführende bzw. konsequent eingesetzte Regieeinfälle, die in den meisten Fällen an der Oberfläche der Handlung blieben. Allein eine große gitterartige Projektionsfläche sorgte für einige interessante Video-Animationen von Stefan Bischoff, mit denen eine virtuelle Handlung suggeriert wird, die aber meist in Kontrast zur Banalität des Bühnengeschehens vor allem um die Figur des Siegfried steht. Dieser wird bei Krämer wieder einmal zum totalen Deppen degradiert, der in der Gibichungenszene wie ein Schürzenjäger und auch noch besoffen herumtorkelt und sich wie ein Rabauke kopflos an Gutrune heran macht. Kurz zuvor hatte er bereits – einen albernen Kahn wild hinter sich herziehend – den Nornen, die gleich darauf auch die Rheintöchter sind, schöne Augen gemacht. Bei Siegfrieds Rheinfahrt saust eine Truppe von rotberockten Transvestiten über die Bühne und baut ein paar Heurigen-Bänke auf, auf die bunte Papierschlangen wie etwa auf der Festwiese der „Meistersinger“ niedergehen. Entscheidende Szenen finden im 2. Aufzug dann in diesem „Meistersinger“-Ambiente auf drei Metern Bühnentiefe vor einem schwarzen Vorhang statt, weil dahinter wieder die Riesentreppe aufgebaut wird, auf der die Mannen fast regnungslos ihren allerdings von Patrick Marie Aubert bestens einstudierten Chorgesang erklingen lassen. Von einer im Besetzungszettel Otto Pichler zugeordneten Choreographie kann kaum die Rede sein. Rampensingen war angesagt. Selten hat der Rezensent die Mannenszene langweiliger erlebt als hier…

T. Kerl und K. Dalayman 1. Aufzug

T. Kerl und K. Dalayman 1. Aufzug

Der wohl sonderbarste Einfall Krämers war allerdings Hagens Fesselung an einen Rollstuhl, wohl um die totale Abhängigkeit von seinem Vater Alberich und seine Manipulation durch diesen – allzu plakativ – zu zeigen. Der Nibelung fährt seinen Sohn, der eine Art Nivea-Erdball zur Demonstration seines Weltmacht-Anspruchs in Händen hält, als dunkler Kapuzenmann von Beginn an über die Bühne, was später auch von Gutrune erledigt wird. Man kann das fast als Affront gegen die große, dynamische Hagen-Musik ansehen, die Wagner ihm vor allem im 2. Aufzug komponiert hat. Wie man unter solchen Umstanden „Auf muntres Jagen…“ gehen kann, mag sich wohl allein dem Regisseur erschließen. Er hat hier praktisch den zentralen Strippenzieher der „Götterdämmerung“ weginszeniert! Krämer ist offenbar auf die Demonstration menschlicher Kälte und Indifferenz, ja auf einen nahezu zum Exzess getriebenen Minimalismus aus, der von der Musik der „Götterdämmerung“ weitgehend abstrahiert.

Mannenchor mit Hagen

Mannenchor mit Hagen

Der alleinige Grund, sich das also noch einmal anzusehen, war die Tatsache, dass die international renommierte Wagner-Sängerin Petra Lang an der Bastille, und eben in dieser „Götterdämmerung“-Serie, ihre erste szenische Brünnhilde sang. Vorausgegangen waren konzertante Darbietungen in Berlin mit „Die Walküre“, in Stuttgart mit „Siegfried“ und in Bamberg und Berlin mit „Götterdämmerung“. Dieses szenische Rollendebut ist Petra Lang in Paris eindrucksvoll gelungen. Sie geht die Partie mit ihrer stets überzeugenden gesanglichen Note an, mit einer klangvoll farbigen, abgedunkelten und damit umso ausdrucksvolleren Mittellage, auf die sie mit einer bemerkenswerten Technik die dramatischen Höhen strukturell aufbaut und auch lange halten kann. Ihre stärksten Momente hat sie in der Dramatik der Speereide des 2. Aufzugs, wo sie explosionsartig auf den Betrug gegen sie reagiert und darstellerisch mit ihrer ohnehin stets intensiven Mimik wichtige persönliche Akzente in der ansonsten recht beliebigen Personenregie Krämers setzt. Dabei achtet Lang stets auf eine perfekte Diktion. Sie bekam dementsprechend unter den SängerInnen den meisten Applaus. Man kann nun gespannt sein auf ihre szenischen Brünnhilden im neuen Genfer „Ring“. Ihr Partner Torsten Kerl kann als Siegfried zu keinem Zeitpunkt auf diesem Niveau mithalten. Seine Stimme scheint letztlich nicht groß genug für diese Partie, hat bei einer zu starken Kopflastigkeit auch nicht genügend Resonanz. Sie wird in der Höhe bei bisweilen nasalem Timbre immer wieder eng, bleibt unbeweglich und verliert an Klangfülle. Bei den schwierigen Waldvogelerzählungen im 3. Aufzug kommt es wie schon in der Premiere vor zwei Jahren fast wieder zum stimmlichen Einbruch. Darstellerisch hat Kerl mit dem undankbaren Rollenkonzept Krämers keine Probleme.

Ein Krieger, Finale 3. Aufzug

Ein Krieger, Finale 3. Aufzug

Hans-Peter König ist wie immer ein stimmgewaltiger Hagen und wegen der Fesselung an den Rollstuhl jeder darstellerischen Möglichkeit beraubt, von der er in der Regel ohnehin stets wenig Gebrauch macht. Immerhin hätte er hier etwas mehr mit der Mimik arbeiten können, davon war aber auch kaum etwas zu sehen. So blieb es bei einem stimmlich erstklassigen, aber darstellerisch blassen Rollenbild – zu wenig für den Dramaturgen der „Götterdämmerung“. Ausgezeichnet ist das Gibichungenpaar mit dem klangvollen Evgeny Nikitin als Gunther mit heldenbaritonalem Aplomb und starkem Ausdruck, sowie der stimmlich erstklassigen und Sieglinde-erprobten Edith Haller, die auch die Dritte Norn singt. Leider bleibt Sophie Koch der Waltraute einiges schuldig. Bei den dramatischeren Phrasen der Rolle kommt es zu einem leichten Vibrato und Intonationstrübungen, in der Tiefe auch zu einem allzu auffälligen Deklamieren. Weit besser singt sie auch die Zweite Norn. Wiebke Lehmkuhl ist mit ihrem farbigen Mezzo eine klangvolle Erste Norn und Flosshilde. Caroline Stein singt eine gute Woglinde und Louise Callinan eine ansprechende Wellgunde. Allein Peter Sidhom als Alberich klingt nun doch schon recht abgesungen, farblos in der Höhe, und er neigt zu starker Deklamation. Darstellerisch macht er aber etwas vom stimmlichen Manko wett.

Der Pariser GMD Philippe Jordan dirigierte das Orchestre de L´Opéra nationale de Paris und hat mit seiner musikalischen Umsetzung der „Götterdämmerung“, die er auch schon in der Premieren-Serie als musikalisch besten der vier Abende gestaltete, mittlerweile große Fortschritte gemacht. Allerdings kam es wieder zu starken Dehnungen im 1. Aufzug, zumal in der Waltraute-Szene. Einiges geriet in den großen symphonischen Zwischenspielen zu laut, wie dem Trauermarsch, auch aufgrund des offenbar recht unbändigen Schlagwerks. Ganz klar ist zu konstatieren, dass Jordan nach einem noch allzu vorsichtigen Herangehen an den „Ring“ in der Premieren-Serie nun einen packenderen und dynamischeren Zugriff gefunden hat, der damit auch mehr Sicherheit in der Interpretation der komplexen Partitur offenbart. Da hat sich möglicherweise auch das Bayreuth-Jahr für den „Parsifal“ positiv bemerkbar gemacht. Dass das Pariser Orchester hervorragend Wagner spielen kann, konnte Hartmut Haenchen hier beim „Parsifal“ vor einigen Jahren demonstrieren. Recht schnell ebbte der Applaus nach dieser „Götterdämmerung“ jedoch ab. Man hatte nicht den Eindruck, dass dieser „Ring“ beim Pariser Publikum allzu gut ankommt.

Fotos: Elisa Haberer

Klaus Billand

Der Ring des Nibelungen

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