BAYREUTH/Festspiele: Der Ring an einem Abend - 30. Juli 2013
Das Ensemble
Weitab vom diesmal noch mehr als sonst in den letzten Jahren verstörenden Geschehen auf dem Grünen Hügel fand im Europasaal im „Zentrum“ der von dem englischen Dirigenten David Seaman für die Pocket-Oper Nürnberg eingerichtete „Ring an einem Abend“ statt, frei nach Richard Wagner. Dieser Beitrag zum Richard-Wagneer-Jubiläum Bayreuth 2013 (Motto der Stadt Bayreuth: „Da steckt Wagner drin!“) war von mehr Erfolg gekrönt als die auf unerwartet begrenzte Resonanz gestoßenen Aufführungen der drei Jugendwerke. Die stark vereinfachte, dennoch sehr eindrucksvolle und der Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“ mit über 16 Stunden reiner Spielzeit eng nachempfundene Seaman-Fassung von nur etwa vier Stunden (mit einer Pause nach der „Walküre“) ist leicht verständlich und deshalb besonders für Einsteiger geeignet. Aber auch Festspielgäste fanden die Aufführungen unter der musikalischen Leitung des Direktors der Städtischen Musikschule Bayreuth, Nicolaus Richter, sehr anregend, zumal hier noch auf Tugenden wie Menschlichkeit, Liebe, Gefühle und Emotion gesetzt wurde und diese mit sehr begrenzten szenischen Mitteln in eine stimmige Beziehung zu Wagners großartiger „Ring“-Musik gesetzt wurden.
Das Orchster
Dazu spielte ein nur 18-köpfiges Ensemble aus namhaften Orchestern, das Bayreuther Wagner-Kammerorchester, mit 3 Violinen, 2 Violen, 3 Celli, 1 Kontrabass, 1 Flöte (Piccolo, große Flöte und Altflöte), 1 Klarinette (Es, A, B und Bassklarinette), 3 Hörner (auch 3 Wagnertuben), 1 Trompete, 1 Posaune (auch Basstrompete), 1 Harfe, Pauken und Schlagwerk. Man mag nicht glauben, welch eindrucksvollen Wagner-Klang die engagierten und hochmotivierten jungen MusikerInnen mit dieser reduzierten Besetzung zustande brachten. Dabei werden einzelne Passagen manchmal nur mit einem oder zwei Instrumenten begleitet. So erklingt bei Loges Monolog das Motiv zu „Weibes Wonne und Wert“ nur in der Flöte, während das Treiben Alberichs mit den Rheintöchtern nur von der Harfe begleitet wird. In anderen Fällen werden nur die wesentlichen Motive angespielt und dann bereits zur kommenden Szene übergegangen. Natürlich wird vielfach gekürzt, ganze Szenen weggeschnitten, von einem Werk direkt in das nächste übergegangen. Das geschieht bei Seaman aber immer recht harmonisch. Die Brüche sind sicher für einen Einsteiger kaum zu bemerken, aber auch für einen Kenner des „Ring“, wenn man eine solche Kurzfassung goutiert, einigermaßen zu verkraften. Einige Rollen im „Rheingold“ fallen wie im ColónRing von Cord Garben 2012 in Buenos Aires ganz weg. Das Bühnenbild setzt sich aus ein paar Stellwänden, auf denen immer wieder mit Schatten- und Lichtbildern gearbeitet wird, und wenigen Requisiten zusammen. Mit ein paar Handgriffen und einer geschickten Lichtregie entstehen so in wenigen Augenblicken neue Szenen, und die Handlung läuft wie im Sinne der „unendlichen Melodie“ ohne Unterbrechung fort. Andrea Uhmann hat dazu geschmackvolle und auf die Ästhetik der Bilder fein abgestimmte Kostüme entworfen. Einige Akteure tragen zum Teil fantasievolle Masken.
Auch über die acht meist noch jungen SängerdarstellerInnen gibt es viel Gutes zu berichten. Der amerikanische Bariton Gary Martin, der von 1999 bis 2012 am Staatstheater am Gärtnerplatz in München alle wichtigen Baritonrollen spielte, singt einen einducksvollen Wotan und Wanderer mit guter Tiefe und starkem Ausdruck, daneben auch den Gunther. Die deutsche Sopranistin Stefanie Rocco-Jonas singt vor allem eine sehr gute Sieglinde mit strahlender kräftiger Höhe und sehr guter Diktion. Sie ist auch als ansprechende Woglinde, Freia und Gutrune im Einsatz. Der Waldvogel liegt ihr zu hoch. Tilmann Unger besticht als emotional einnehmender Siegmund mit heldischem Aplomb und großer Bühnenwirkung und ist als Froh fast überbesetzt. Der Siegfried liegt noch im stimmlichen Grenzbereich. In der Spielzeit 2013/14 wird Unger in Innsbruck als Parsifal debütieren. Albrecht Kludszuweit ist vor allem ein stimmstarker Loge, ebenfalls mit heldischen Elementen. Er ist auch ein sehr guter „Siegfried“-Mime, mit dem er zuletzt in Dessau auftrat, sowie ein Manne. Die Ungarin Melinda Heiter singt mit einem klangvollen Mezzo die Erda, Fricka und Floßhilde. Matthias Wippich ist als stimmstarker und intensiv agierender Hagen, Fafner und Hunding zu erleben. Der Franzose Jean-Marc Salzmann gibt mit ausdrucksvollem Bariton einen eindrücklichen Alberich und singt auch den Fasolt sowie einen der nur zwei Mannen. Allein die schwedische Sopranistin Magdalena Bränland, die im wesentlichen Mozartrollen und französisches und italienisches Fach bis zur Butterfly singt, scheint sich mit der Brünnhilde klar zu übernehmen. Bei noch ansprechender Mittellage kommt es in den Höhen durchwegs zu Schärfen und signifikanten Klangverlusten. Sie war die einzige stimmliche Enttäuschung dieses ansonsten großartig gelungenen Versuchs, den „Ring“ in seinen wesentlichen Elementen interessant und musikalisch anspruchsvoll über die Rampe zu bringen.
Fotos: Klaus Billand
Klaus Billand